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03.03.2023 Lieber Leser, das Bundeskabinett hat in dieser Woche auf Initiative der beiden Bundesministerinnen des Auswärtigen und für wirtschaftliche Zusammenarbeit Leitlinien für eine feministische Außenpolitik beschlossen. Kern dieser Leitlinien sind die echte Gleichberechtigung von Frauen sowie ihre bessere Beteiligung von Frauen und ihre gleichberechtigte Einbeziehung in alle politischen Prozesse – bei der Bekämpfung von Hunger und Armut ebenso wie bei der Friedenssicherung, der Entwicklungshilfe und nicht zuletzt bei Bildung und Ausbildung. Die Idee der feministischen Außenpolitik wird seit mehr als 100 Jahren diskutiert, der Internationale Frauenkongress in Den Haag im Jahr 1915 war der erste wichtige Meilenstein. Ohne eine bessere Einbeziehung von Frauen werden wir die Probleme unserer Zeit sicher nicht lösen. Und bis hinunter in unseren Alltag wissen wir: Männer und Frauen haben oft einen unterschiedlichen Blick auf die Dinge, gemischte Teams arbeiten besser. Und wo Frauen in führender Verantwortung mit dabei sind, kommen Entscheidungsprozesse zu besseren Ergebnissen. Eine feministische Außenpolitik bringt uns allerdings auch zu der Frage, an welchen Maßstäben sich Außenpolitik denn ganz grundsätzlich orientieren soll. Ist es eher eine werteorientierte Außenpolitik, die sich nicht nur, aber auch und besonders den Rechten und der Mitwirkung von allen gesellschaftlichen Gruppen zuwenden soll, oder ist es eher eine interessengeleitete Außenpolitik, die sich vor allem an unseren nationalen Interessen, den Sicherheitsinteressen und den ökonomischen Interessen unseres Landes ausrichtet? Ich meine, eine werteorientierte Außenpolitik und eine interessengeleitete Außenpolitik dürfen nicht in einen Widerspruch zueinander gesetzt werden. Unsere Interessen können sehr wohl auf die Gleichberechtigung, die Anerkennung der Menschenrechte, auf Demokratie und Rechtsstaat ausgerichtet sein. Unsere nationalen Interessen liegen in der gegenwärtigen Zeit auch und vor allem in der Gewährleistung einer im umfassenden Sinne verstandenen Sicherheit: die unseres Landes und unserer Bürger vor physischen Bedrohungen, aber auch die Sicherheit unserer Energieversorgung und der Infrastruktur. Alles zusammen muss einfließen in eine Nationale Sicherheitsstrategie, die laufend fortentwickelt und den aktuellen Herausforderungen angepasst wird. Über eine solche Nationale Sicherheitsstrategie diskutiert – und streitet – die Bundesregierung nun seit über einem Jahr. Ohne eine umfassende Nationale Sicherheitsstrategie werden auch die Erfolge einer werteorientierten Außenpolitik und damit auch die einer feministischen Außenpolitik eher bescheiden bleiben. Mit anderen Worten: Der größere Teil der Aufgabe, die Außen- und Sicherheitspolitik unseres Landes neu auszurichten, liegt auch ein Jahr nach der „Zeitenwende“ immer noch unerledigt auf dem Schreibtisch der Bundesregierung. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende Ihr Friedrich Merz |
24.02.2023 Lieber Leser, zwei Drittel der Anhänger der beiden Parteien Die Linke und AfD unterstützen das von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht veröffentlichte sogenannte „Manifest für den Frieden“, das die beiden unter anderem über die Zeitschrift Emma publizierten. Am Wochenende laden die Initiatoren zu einer großen Demonstration ein. Von deutschem Boden soll also Frieden ausgehen für die Ukraine. Ein Jahr nach dem Beginn dieses Krieges ist der Wunsch nach Frieden nur allzu verständlich. Wir wollen uns eben nicht gewöhnen an die täglichen Bilder und Nachrichten aus der Ukraine, dieser Krieg ist – wie jeder Krieg – etwas Schreckliches. Er bedroht nicht nur die territoriale Integrität des zweitgrößten Landes Europas; es sterben täglich Menschen in diesem Krieg, viele ukrainische Soldaten und Zivilisten, aber auch zehntausende russische Soldaten sind diesem Verbrechen des Putin-Regimes bisher zum Opfer gefallen. Jeder auch nur einigermaßen mitfühlende Mensch muss den Wunsch nach Frieden teilen. Und so hat in der Woche vor dem ersten Jahrestag dieses Krieges die Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York erneut mit überwältigend großer Mehrheit das Ende der Kampfhandlungen verlangt und Putin zum Rückzug seiner russischen Truppen aus der Ukraine aufgefordert. Aber was wissen Alice Schwarzer und Sarah Wagenknecht und mit den beiden die Mehrheit der Anhänger der Partei Die Linke und der AfD besser als die Vollversammlung der Vereinten Nationen? In der Konsequenz ist deren sogenanntes „Manifest für den Frieden“ eine Kapitulation vor der puren militärischen Gewalt von Putin und seinem Regime. Wie weit diese geschichtslose Haltung geht, lässt sich an einem kleinen Detail der Äußerungen von Sarah Wagenknecht ablesen: Nach dem Frieden könne man doch in einer Volksabstimmung die Ukrainer selbst darüber befinden lassen, welchem Land sie sich zugehörig fühlen sollten, so wie dem Saarland 10 Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkrieges die Entscheidung zwischen Deutschland und Frankreich ermöglicht worden sei. Kennt Frau Wagenknecht die Umstände nicht, unter denen es im letzten Jahr bereits sogenannte „Volksreferenden“ in vier ukrainischen Gebieten gab? Und kann sie auch nur ein Beispiel nennen, wo ein autoritärer Staat wie Russland jemals der Bevölkerung eine echte Wahlfreiheit gegeben hat über ihre Zugehörigkeit zu diesem oder jenem Land? Gewollt oder ungewollt: Sahra Wagenknecht, Alice Schwarzer und mit ihnen die Unterstützer vor allem aus der Partei Die Linke und der AfD spielen Putin und der blanken Gewalt in die Hände. Und sie missachten zugleich in beschämender Weise das Recht auf Eigenständigkeit und Selbstverteidigung der Ukraine und ihrer Bevölkerung. Das einzig richtige Manifest für den Frieden haben die Vereinten Nationen in dieser Woche ausgesprochen. Weiterer sogenannter „Manifeste“ bedarf es nicht, schon gar nicht aus Deutschland. Mit freundlichen Grüßen Ihr Friedrich Merz |
17.02.2023 Lieber Leser, am Abend des 27. Januar, dem Tag des Gedenkens an die Befreiung des Konzentrationslagers Ausschwitz, war ich von der Berliner CDU zu einer Wahlkampfveranstaltung in Neukölln eingeladen. Ich stand am Abend dieses Tages noch sehr unter dem Eindruck der Gedenkstunde, die am Morgen im Plenum des Deutschen Bundestages stattgefunden hatte. Ich habe darüber ausführlich gesprochen, da brüllte plötzlich aus dem Halbdunkel des gut gefüllten Saales im Gemeinschaftshaus der Berliner Gropiusstadt irgendein Teilnehmer die Worte „Scheiß Rassismus“ in den Saal, und im selben Augenblick stand eine halbe Reihe von Zuschauern auf und verließ die Veranstaltung. Ich war einigermaßen überrascht über diesen Vorfall, habe meine Rede aber fortgesetzt ohne den Hintergrund der Aktion zu kennen. Erst nach der Veranstaltung berichteten mir meine Mitarbeiter, was da abgelaufen war. Es handelte sich offenbar um eine gezielte Aktion einiger Bezirksvertreter und Funktionäre der örtlichen SPD. Ein Redakteur des Berliner Tagesspiegels twitterte unmittelbar nach der Aktion und offenbar ohne weitere Recherche, etliche „junge Neuköllner“ hätten nach „unklaren“ Aussagen von mir unter Protest die CDU-Wahlkampfveranstaltung verlassen. Nur der sofortigen Gegenreaktion aus meinem Team heraus war es zu verdanken, dass nicht eine größere Zahl von Medien die erste Berichterstattung ohne weitere Prüfung des tatsächlichen Sachverhaltes übernommen hatten. Den Wahlkreis Rudow im Bezirk Neukölln gewann am letzten Sonntag bei der Wiederholungswahl in Berlin der CDU-Kandidat Olaf Schenk mit 45,3 Prozent der Stimmen, Berlins Regierende Bürgermeisterin blieb mit 29,6 Prozent der Stimmen in ihrem bisherigen Wahlkreis weit abgeschlagen. Eben diese bisherige Regierende Bürgermeisterin hatte besonders heftig auf meine Kritik an den Silvesterausschreitungen in „ihrem“ Neukölln reagiert. Von „Rassismus“ bis „Nazi“ war in der SPD und weiter links alles dabei. Die Quittung hat die gesamte SPD am letzten Sonntag in Berlin bekommen. Sie teilt sich jetzt mit den Grünen – so würde man es im Sport sagen – den zweiten Platz. Die CDU hat nicht nur 28,2 Prozent der Stimmen und damit fast 10 Prozentpunkte mehr erreicht als SPD und Grüne. Sie hat in Berlin auch 48 von 78 Wahlkreisen gewonnen, die SPD noch ganze vier. Rechnerisch kommt Rot-Grün-Rot in Berlin immer noch auf eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus, aber politisch ist diese Koalition und vor allem die SPD abgewählt worden. Und trotzdem versucht die SPD aus diesem Wahlergebnis immer noch einen Wählerauftrag für eine Regierungsbildung herauszulesen. Zur Erinnerung: Bei der letzten Bundestagswahl lag die SPD ganze 1,6 Prozentpunkte vor der Union, die ihrerseits fast die Hälfte der Wahlkreise gewonnen hatte, 22 mehr als die SPD und mehr als die gesamte heutige Regierungskoalition zusammen. Trotzdem hat die SPD kein gutes Haar gelassen an den Sondierungsgesprächen, die Union, Grüne und FDP in den Tagen nach der Bundestagswahl geführt hatten und der Union jede Legitimation für eine Regierungsbildung abgesprochen. Wie geht es in Berlin jetzt weiter? Die Berliner CDU braucht gewiss keine guten Ratschläge von außen. Aber sie hat als die mit großem Abstand stärkste politische Kraft in Berlin zunächst einmal den Auftrag, mit der SPD und den Grünen über das zu sprechen, was möglich sein könnte. Und offensichtlich scheint bei vielen Grünen vor allem auf kommunaler Ebene die Einsicht zuzunehmen, dass es zum Beispiel mit der großen Zahl der Flüchtlinge und mit den Integrationsproblemen so nicht weitergehen kann. Als der grüne Landrat aus dem Landkreis Miltenberg vor einigen Tagen bestätigte, es sei eigentlich noch viel schlimmer als von mir beschrieben, da blieben wenigstens die Rassismus-Vorwürfe aus. Und auch Frau Giffey meldete sich schon gar nicht mehr zu Wort. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende! Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, an diesem Sonntag wird in Berlin ein neues Abgeordnetenhaus gewählt. Es ist eine Wiederholungswahl, da der Berliner Senat im September 2021 nicht in der Lage war, eine ordnungsgemäße Wahl durchzuführen. Das Berliner Landesverfassungsgericht hat die Wiederholung der gesamten Wahl angeordnet, da so viele Fehler in dieser letzten Wahl passiert waren, dass die heutige Zusammensetzung des Berliner Abgeordnetenhauses nicht den Grundsätzen entspricht, die in einer Demokratie als Mindestvoraussetzung gelten. So ein vernichtendes Urteil hat es bisher in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland über eine Landtagswahl noch nie gegeben. Eine politische Verantwortung für das Wahlchaos im vorletzten Jahr hat bisher niemand übernommen. Im Gegenteil, der damalige Innensenator ist immer noch Mitglied im Senat, die Regierende Bürgermeisterin bewirbt sich um die Wiederwahl. So haben jetzt die Berlinerinnen und Berliner erneut die Wahl, dieses Mal von internationalen Wahlbeobachtern auf die Rechtmäßigkeit der Wahl kontrolliert. Auch das hat es in Deutschland nach dem Ende der Besatzungszeit noch nie gegeben. Die CDU hat mit Kai Wegner an der Spitze einen richtigen guten Wahlkampf gemacht, mit guten neuen Ideen, mit witzigen und eingängigen Wahlkampfslogans. Die Umfragen sehen die CDU in Berlin klar an der Spitze, auch wenn einige Hauptstadtmedien von einer „Kopf-an-Kopf-Wahl“ sprechen. Die Wahlbeteiligung bei den Briefwahlen ist bisher eher niedrig, was auf eine gewisse Wahlmüdigkeit vor allem der Wählerinnen und Wähler schließen lässt, die bisher SPD. Grün und ganz Links gewählt haben. Das ist jetzt die Chance für die CDU. Wenn die CDU in der Hauptstadt ihr eigenes Wählerpotenzial ausschöpft, dann kann sie am Sonntag sogar sehr deutlich vor der SPD und den Grünen liegen. Wenn Sie also in Berlin wohnen, dann gehen Sie am Sonntag in jedem Fall wählen – diese Wahl ist eine Chance zu zeigen, dass die CDU auch Großstadt kann! Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende, und vor allem der CDU einen weiteren guten Wahltag! Herzlich, Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, in diesen Tagen veröffentlichen viele deutsche Unternehmen ihre Zahlen für das Jahr 2022. In Kürze beginnen die Hauptversammlungen der börsennotierten Gesellschaften, und schon jetzt ist absehbar: Viele deutsche Unternehmen haben im Jahr 2022 so viel Geld verdient wie schon seit vielen Jahren nicht mehr. Diese Nachricht steht nur auf den ersten Blick im Widerspruch zu den vielen schlechten Nachrichten aus manchen Handwerksbetrieben und Unternehmen, die von der Energiepreiskrise ganz besonders hart betroffen waren. Insgesamt war das Jahr 2022 für die deutsche Wirtschaft ein sehr viel besseres Jahr als wir noch zu Beginn des Krieges in der Ukraine befürchten mussten. Die Aktiengesellschaften werden ihren Aktionären im Durchschnitt folglich sehr hohe Dividenden auszahlen. Allein die im deutschen Aktienindex DAX gelisteten Unternehmen dürften für das Jahr 2022 voraussichtlich über 50 Milliarden Euro an ihre Aktionäre ausschütten. Aber wer sind diese Aktionäre, die sich in den nächsten Wochen über so viel Geld freuen können? Anders als in vielen anderen Ländern Europas gibt es schon seit vielen Jahren in Deutschland fast kein börsennotiertes Unternehmen mehr, das sich mehrheitlich im Besitz deutscher Aktionäre befindet. Ausnahmen sind nur einige wenige Unternehmen, die traditionell deutsche Unternehmerfamilien unter ihren Aktionären haben. Ganz überwiegend aber sind die Eigentümer der klangvollen deutschen Aktiengesellschaften Aktionäre aus der ganzen Welt, die nun den Ertrag der erfolgreichen Arbeit der deutschen Unternehmen ausgezahlt bekommen. Man kann es auch so formulieren: Millionen von deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern arbeiten im Jahr nicht nur für das eigene Gehalt, sondern auch für die Dividenden von Millionen ausländischer Aktionäre. Die gute Nachricht ist: Diesen Zusammenhang haben mittlerweile viele jüngere Menschen erkannt. Die Zahl der Aktienbesitzer ist in Deutschland im letzten Jahr erneut leicht gestiegen. Immerhin haben jetzt gut 12 Millionen Bundesbürger Aktien oder Aktienfonds in ihren Depots liegen. Aber die schlechte Nachricht folgt daraus: An 4 von 5 Bundesbürgern gehen die hohen Dividendenauszahlungen der deutschen Unternehmen einfach vorbei. Darunter sind sicherlich viele, die nicht sparen können. Aber die Mehrzahl der Bundesbürger spart einfach falsch. Das Geldvermögen der Deutschen liegt nach wie vor und ganz überwiegend auf Spar- und Girokonten. Dabei wird dieses Geld in doppelter Hinsicht so dringend gebraucht wie nie zuvor: In den nächsten Jahren müssen die deutschen Unternehmen verstärkt in die Dekarbonisierung und die Digitalisierung investieren, damit sie wettbewerbsfähig bleiben. Das können sie aber nur mit einer ausreichenden Kapitalausstattung. Und die Erträge aus den Erfolgen der nächsten Jahre werden vor allem zur Sicherung der Alterseinkommen in Deutschland gebraucht. Länder wie die Niederlande, Dänemark, Schweden und viele andere sind uns in dieser Hinsicht um Jahrzehnte voraus. Wer also in den nächsten Tagen und Wochen weitere gute Meldungen von deutschen Unternehmen über ihre Zahlen aus dem Jahr 2022 liest, der sollte darüber nachdenken, ob sie oder er in der Zukunft daran nicht auch persönlich ein wenig mehr Freude haben könnte. Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, die Bundesaußenministerin erfreut sich einiger Beliebtheit in der deutschen Bevölkerung. Das ist für den oder die Bundesaußenminister/in nicht ungewöhnlich, die FDP hat lange davon gezehrt. Aber in Zeiten eines Krieges in Europa kommt es gerade in der Außenpolitik auf jedes Wort an, auch und vor allem dann, wenn man sich in einer fremden Sprache äußert. Und da ist der Bundesaußenministerin in dieser Woche ein schwerer Fauxpas unterlaufen, der in einer gut vorbereiteten Rede nicht passieren darf. Vor der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, dem 46 Mitgliedstaaten aus ganz Europa und darunter alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union angehören, beschreibt Annalena Baerbock den Krieg in der Ukraine mit den Worten „We are fighting a war against Russia.“ Wir führen einen Krieg gegen Russland? „Wir“? Das ist genau die Kreml-Propaganda, die in Moskau nur zu gern gehört wird, und die von dort aus über alle verfügbaren Kanäle dann auch verbreitet wird. Nun kann sich jeder von uns einmal schlecht ausdrücken, aber im Kontext dessen, was in dieser Woche sonst noch geschah, bleibt der Eindruck einer schlecht koordinierten und noch schlechter erklärten Außen- und Sicherheitspolitik dieser Bundesregierung zurück. Am Sonntag äußert die Bundesaußenministerin in Paris, Deutschland werde in Zukunft Exportgenehmigungen für den Leopard-Panzer erteilen. Der Kanzler schweigt dazu. Am Dienstagabend dringen Meldungen aus der Bundesregierung in die Medien, man werde jetzt doch auch selbst Panzer an die Ukraine liefern. Und am Mittwoch gibt der Bundeskanzler nicht etwa eine Regierungserklärung dazu ab, sondern verkündet diese Entscheidung in der Regierungsbefragung durch den Bundestag. Zur Begründung, warum dies nun jetzt doch geschehe, verweist der Bundeskanzler allein auf die USA, die jetzt auch Panzer liefern würden. Wir haben über die Notwendigkeit, der Ukraine angesichts der gesteigerten Angriffe auf zivile Ziele mit vielen Toten und Verletzten, militärisch noch besser zu helfen, in den letzten Wochen und Monaten häufig diskutiert. Im Vordergrund der Argumentation der Bundesregierung stand immer nur und ausschließlich die Frage, ob die Amerikaner diesen Weg auch mitgehen. Die militärische Lage in der Ukraine und die Befürchtung, dass die russische Armee eine nächste größere Offensive plant, waren zu keinem Zeitpunkt Teil der Begründung für oder vielleicht auch gegen weitere Waffenlieferungen an die ukrainische Armee. So bleibt die Bundesregierung wichtige Antworten schuldig auf Fragen, die in der Bevölkerung gestellt werden. Und die Bundesaußenministerin bedient sprachlich nachlässig ein Narrativ, das die Gegner unserer Hilfe für die Ukraine nur zu gern aufnehmen. Außen- und Sicherheitspolitik, die um die Zustimmung der Bevölkerung in schwierigen Zeiten ringt, kann so nicht gelingen. Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, „vertraulich und exklusiv“ haben mir die Vorsitzenden der Ampelfraktionen von SPD, Grünen und FDP am vergangenen Sonntagnachmittag den Gesetzentwurf der Koalition über ein neues Wahlrecht zugeschickt. Bereits eine Stunde später konnten wir in der FAZ einen ausführlichen Bericht über diesen Gesetzentwurf lesen, am Abend wurde in allen Medien über den Vorschlag der Koalition breit berichtet. Die Koalition plant einen Systemwechsel in unserem Wahlrecht, hin zu einem Verhältniswahlrecht, in dem die Wahlkreise nicht mehr automatisch vom Erstplatzierten gewonnen werden, sondern eine endgültige „Zuteilung“ des Mandats davon abhängig gemacht wird, ob die Partei, der der Wahlkreisgewinner angehört, auch genug Zweitstimmen erlangt hat. Mit anderen Worten: ein gewonnener Wahlkreis ist noch längst kein gewonnener Wahlkreis. Wenn eine Partei in einem Bundesland mehr Direktmandate gewinnt als ihr nach den Zweitstimmen zustehen würde („Überhangmandate“), dann gelten die Wahlkreisbewerber mit den wenigsten Stimmen als nicht gewählt. Als CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist unsere Position klar: Der Deutsche Bundestag ist mit gegenwärtig 736 Abgeordneten viel zu groß. Er muss deutlich verkleinert werden, und zwar rechtzeitig vor der nächsten Bundestagswahl. Eine Zielgröße von 600 Abgeordneten wäre angemessen für unser Parlament. Aber lässt sich eine solche Verkleinerung wirklich nur erreichen, wenn gewonnene Wahlkreismandate nicht mehr „zugeteilt“ werden? Oder gibt es nicht doch einen besseren Weg, um dasselbe Ziel zu erreichen, nämlich die signifikante Verkleinerung des Bundestages auf rund 600, ohne in die Ergebnisse der Wahlkreise so tief einzugreifen? Um diese Frage angemessen beantworten zu können, muss man ein wenig in die Details unseres Wahlrechtes eintauchen. Wir haben gegenwärtig 299 Wahlkreise in Deutschland, in denen die- oder derjenige Bewerber(in) als gewählt gilt, die oder der die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen („Erststimme“ bzw. die Bürgerstimme) in einem Wahlkreis erreicht hat. Zusätzlich werden weitere 299 Abgeordnete über die Landeslisten der Parteien gewählt. Erzielt eine Partei in einem Bundesland mehr Wahlkreismandate als ihr nach dem prozentualen Ergebnis der „Zweitstimme“ zustehen würden, entstehen „Überhangmandate“. Diese Überhangmandate müssen ausgeglichen werden, und zwar bis die Verteilung der Sitze auf alle Fraktionen wieder so ist, wie sie dem prozentualen Wahlergebnis aller Parteien in allen Bundesländern entspricht („Ausgleichsmandate“). So wird der Bundestag je nach Wahlergebnis deutlich größer als 598. Der Vorschlag der Ampel irritiert in mehrfacher Hinsicht. Sie erkennen die Überhangmandate einfach nicht mehr an, und damit entfällt auch die Notwendigkeit der Ausgleichsmandate. Wenn eine Partei schwächer ist als es der Zahl der gewonnenen Wahlkreismandate entspricht, fällt das Ergebnis der Bürgerstimme, der Stimme also, mit der die Wählerinnen und Wähler in einem Wahlkreis ihren Abgeordneten wählen, einfach unter den Tisch. Pech gehabt, soll man dann sagen, Wahlkreis gewonnen, aber den Sitz im Bundestag gibt es nicht. Einen solchen tiefen Eingriff in unser Wahlrecht und in das Demokratieprinzip unseres Grundgesetzes hat es bisher noch nicht gegeben. Aber es gibt einen Weg, diese für uns nicht hinnehmbare Missachtung des Wählerwillens in den Wahlkreisen entgegenzutreten, und den Bundestag trotzdem auf rund 600 Abgeordnete zu verkleinern! Wir unterbreiten der Ampel fünf Vorschläge:
Wenn es 270 Wahlkreise werden und 320 Mandate über die Listen der Parteien, dann läge die Zielgröße des Bundestages nach unserem Vorschlag sogar noch unter der Zielgröße der Koalition. Überhang- und Ausgleichsmandate, die dann noch dazukommen könnten, würden in ihrer Zahl durch unsere Vorschläge so klein ausfallen, dass bei vollem Erhalt der Bürgerstimme in den Wahlkreisen der Bundestag deutlich verkleinert und auf rund 600 Mandate reduziert werden würde. Dieses Wahlrecht wären wir bereit in einem großen politischen Konsens schnell im Deutschen Bundestag zu entscheiden. Die Ampel sollte diesen Weg mit uns ernsthaft prüfen! Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende. Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, seit zwei Tagen verdichten sich die Hinweise darauf, dass die Verteidigungsministerin zurücktritt. Nun soll in der kommenden Woche bekannt gegeben werden, ob sie tatsächlich aus dem Amt scheidet und wer ihr nachfolgen soll. Der Umgang mit dieser Personalfrage zeigt das ganze Dilemma der deutschen Außen- und Verteidigungspolitik wie in einem Brennglas: Zögern, abwarten, das Versteckspiel hinter den Partnern in der EU und der NATO sind der Wesenskern der Politik der Bundesregierung. Kurz nach dem Jahreswechsel wurde die Bundesregierung überrascht vom Vorstoß des französischen Präsidenten, nun doch Transport- und Kampfpanzer an die Ukraine zu liefern. Ganz eilig wurde erklärt, das werde die Bundesregierung jetzt auch tun, und dies sei alles gut abgestimmt mit Frankreich. Tatsächlich haben längst die Amerikaner und die Franzosen die Initiative an sich gezogen, darüber zu befinden, wie in NATO und EU denn mit dem seit fast einem Jahr andauernden Krieg in der Ukraine umgegangen werden soll und welche Auswirkungen dieser Krieg denn auf die Verteidigungspolitik insgesamt haben muss. Ein ähnliches Muster zeigt sich in der angekündigten und für das Jahresende 2022 vorgesehenen Veröffentlichung einer nationalen Sicherheitsstrategie der Bundesregierung. Zwischen Kanzleramt, Auswärtigem Amt und Verteidigungsministerium gibt es offenbar erhebliche Meinungsunterschiede über den Inhalt und vor allem die Zuständigkeit. So kann die Bundesaußenministerin viele Besuche in der Welt und zuletzt einen durchaus mutigen Besuch in der Ostukraine machen: Die Bilder bleiben folgenlos, wenn dahinter nicht eine Sicherheitsstrategie steht, die Deutschland darauf vorbereitet, womit wir in den nächsten Jahren rechnen müssen, nämlich eine anhaltende Gefährdung unserer Freiheit und unserer Sicherheit auf vielen Ebenen, durch Naturkatastrophen ebenso wie durch Ausspähung unserer staatlichen Institutionen, durch militärische Gewalt in unserer Nachbarschaft wie durch zunehmende Cyberangriffe auf Unternehmen und kritische Infrastruktur. Wir sind auf die vielfältigen Gefährdungen unserer Sicherheit nicht ausreichend gut vorbereitet. Vor diesem Hintergrund bekommt die Personalfrage um das Amt der Bundesverteidigungsministerin noch einmal eine ganz andere Dimension: Hat die SPD, die dieses Amt nach dem Koalitionsvertrag ja wieder besetzen soll, überhaupt eine ausreichende Personalreserve, um den Anforderungen der führenden Regierungspartei an unsere Sicherheit gerecht zu werden? Oder wird der parteiinterne Personalproporz wieder einmal die wichtigere Rolle spielen? Am Donnerstag kommt der amerikanische Verteidigungsminister nach Deutschland, um die nächste Unterstützungskonferenz für die Ukraine zu leiten. Er wüsste vermutlich schon ganz gern, ob aus Deutschland ein Verteidigungsminister daran teilnimmt, der etwas von Verteidigungspolitik versteht. Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, „Wir dürfen nicht abwarten, bis uns die Umstände zum Handeln zwingen, sondern müssen handeln, um die Umstände zu prägen“ – so lautet ein zentraler Satz im Buch „HOFFNUNGSLAND – Eine neue deutsche Wirklichkeit“, das der heutige Bundeskanzler vor vier Jahren veröffentlichte. Auch das Wort „Zeitenwende“ findet sich in diesem Buch zahlreich, fast ausschließlich im Kontext einer neuen Einwanderungspolitik, die Olaf Scholz nach den Erfahrungen der Jahre 2015 und 2016 für notwendig hielt. Legt man den Maßstab der „Zeitenwende“ und den Anspruch eines vorausschauenden Handelns auf die aktuelle Lage in der Ukraine an, so muss man sagen: Diesem Anspruch wird der Bundeskanzler nicht gerecht. Im Gegenteil, er wurde in dieser Woche ganz offensichtlich von der Initiative des französischen Präsidenten, der eng abgestimmt war mit dem amerikanischen Präsidenten, überrascht, der Ukraine jetzt doch Panzer westlicher Bauart zu liefern. Mit eintägiger Verspätung schloss sich der Bundeskanzler der Initiative an und lässt erklären, aus Deutschland könnten jetzt auch etwa 40 Schützenpanzer Marder geliefert werden. Der französische Staatspräsident zeigt sich wieder einmal als derjenige, der politische Führung in Europa übernimmt. Man darf vermuten: So war es zwischen Frankreich und den USA beim letzten Besuch in Washington abgesprochen, ohne deutsche Beteiligung. Die Umstände haben die Bundesregierung zum Handeln gezwungen, die Umstände prägen nun andere. So verliert Deutschland beides: Respekt im Osten Europas und Einfluss im Westen. Die zögerliche Haltung wird Folgen haben für die Zeit nach dem Krieg. Die osteuropäischen Staaten werden den USA mehr Vertrauen entgegenbringen als Deutschland, innerhalb der EU wird Frankreich ein immer größeres Gewicht erhalten. Das ist beides für sich genommen keine Tragödie, aber es relativiert die strategischen Einwirkungsmöglichkeiten unseres Landes auf die zukünftige Ausrichtung der NATO und der EU. Beide Institutionen stehen angesichts des russischen Angriffskrieges vor einer grundlegenden Neuausrichtung ihrer Prioritäten. Es wäre dabei durchaus wünschenswert, dass ein Land wie Deutschland, immerhin größtes europäisches Mitgliedsland in der NATO und größter Nettozahler in der EU, einen seiner Größe und Leistungskraft entsprechenden Einfluss nehmen könnte auf diese längst begonnenen Diskussionen. Stattdessen beschreibt die Verteidigungsministerin in ihrem Silvestervideo, wie viele interessante Menschen sie im Kriegsjahr 2022 voller Freude kennengelernt habe. Kann man sich ein vergleichbares Video von einem amerikanischen oder einem französischen Verteidigungsminister vorstellen? Aber die Außenpolitik und die Sicherheitspolitik waren ja auch nicht das Thema im Buch vom „Hoffnungsland“. Die Worte „Bundeswehr“, „Verteidigungspolitik“ oder gar „NATO“ sucht man darin vergebens. Ich wünsche Ihnen trotzdem weiterhin einen guten Start in das neue Jahr! Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, in wenigen Stunden endet das Jahr 2022, und die Rückblicke auf das zu Ende gehende Jahr fallen nicht besonders gut aus. Es war ja auch ein schwieriges Jahr, vor allem überschattet von dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und allen Folgen dieses Krieges. Es besteht wenig Hoffnung, dass dieser Krieg im nächsten Jahr schnell endet, im Gegenteil. Putins Russland entwickelt sich mehr zum Terrorstaat, der ohne Rücksicht auf menschliches Leid ein ganzes Land und seine Bevölkerung zu vernichten sucht. Aber was bedeutet das alles für uns, vor allem: Wie wird es wirtschaftlich im nächsten Jahr weitergehen? Zwei Wortmeldungen dieser Tage verdienen besondere Aufmerksamkeit: Der Bundesfinanzmister und FDP-Vorsitzende Christian Lindner legt ein wirtschaftspolitisches Strategiepapier vor, das so ziemlich genau das Gegenteil in der Wirtschaftspolitik für richtig hält, was die Ampel seit gut einem Jahr praktiziert. Und die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi kritisiert das Verbot von Dividenden und Bonuszahlungen in Unternehmen, die staatliche Energiehilfen bekommen. „Jetzt ist nicht die Zeit für kapitalismuskritische Grundsatzdebatten“ – so lässt sie sich zitieren. Offenbar werden wenigstens von Teilen der Regierung und der Gewerkschaften die Warnungen vor einer schleichenden Deindustrialisierung unseres Landes zunehmend ernst genommen. Und dazu gibt es allen Anlass. Vorläufige Daten zeigen, dass der Anteil der Industrieproduktion an unserer volkswirtschaftlichen Leistung im Jahr 2022 erstmalig seit langer Zeit auf unter 20 Prozent abgesunken ist. Das ist ein sehr ernsthaftes Warnzeichen für unser Land! Deutschland muss ein Land mit produzierender Industrie bleiben, im Mittelstand, aber auch in den großen Industrieunternehmen. Wenn uns dieser Teil unserer Wirtschaft in größeren Teilen verloren geht, dann steht der Wohlstand unseres Landes vor einem deutlichen Niedergang. Dann werden wir auch keine Möglichkeit mehr finden, die dringend notwendige Transformation hin zur Klimaneutralität zu finanzieren, denn die wird so oder so sehr teuer. Wir werden uns in der CDU deshalb im neuen Jahr mit der Frage befassen, wie wir Wirtschaftspolitik, Energiepolitik und Klimapolitik in ein vernünftiges Gleichgewicht bringen können, vor allem: Wie wir Wirtschaft, Energie und Klima als die eine große Herausforderung für unser Land verstehen können, die es nur im Gleichklang, die nur als einheitliche und in sich widerspruchsfreie Politik konzipiert werden kann. Wir werden Wege aufzeigen, dass nicht gegen oder ohne die Marktwirtschaft, sondern nur mit der Marktwirtschaft Lösungen möglich sind, die beiden Ansprüchen gerecht werden können, nämlich der Sicherung unseres Wohlstandes und der Beherrschung des Klimawandels. Eine solche Antwort sind wir der deutschen Öffentlichkeit und unserem Land insgesamt als die Partei von Ludwig Erhard schuldig. Und wir werden uns nicht von denen leiten lassen, die aus ihrem erreichten Wohlstand heraus jetzt das „Ende des Kapitalismus“ oder gar den Übergang zu einer Art Kriegswirtschaft herbeireden und -schreiben. Das Potential unseres Landes ist größer als wir es zurzeit sehen, aber die Menschen müssen es auch mit Mut und Zuversicht nutzen wollen. Mut und Zuversicht wünsche ich Ihnen aber zunächst einmal für den Übergang vom alten in das neue Jahr. Ihnen und Ihren Familien auch persönlich alles erdenklich Gute. Mit sehr herzlichen Grüßen Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, was war das für ein Jahr! Vor zwölf Monaten hätte niemand gewagt vorauszusagen, welche Ereignisse dieses Jahr 2022 bestimmen sollten. Mitten in der schwierigen Diskussion um eine Impfpflicht gegen das Coronavirus begann der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, und seitdem ist fast alles anders. Auch in einigen Jahren noch werden wir die Ereignisse einteilen in die Zeit vor dem Krieg und die Zeit seitdem. Es bleibt zu hoffen, dass es bald eine Zeit nach dem Krieg gibt, aber niemand weiß, wann sie beginnt. Bis dahin werden wir mit dem Krieg und seinen Folgen noch viel zu tun haben. In unserem Land steht die Energieversorgung im Mittelpunkt, und vor allem viele mittelständische Unternehmen kämpfen um ihre Existenz. Viele von ihnen haben schon aufgegeben, die Zahl der Handwerksbetriebe, unter ihnen vor allem die Zahl der Bäckereien, wird stark zurückgehen. Aber nicht die Statistik allein sollte uns beschäftigen, es sind vielmehr die menschlichen Schicksale, die uns berühren. Viele Familien stehen in diesen Tagen und Wochen vor schweren Entscheidungen, manche von ihnen mit Tränen in den Augen. Darunter zahlreiche Familienbetriebe, die in zweiter, dritter und vierter Generation – wenn nicht noch länger – bestanden haben. In der Ukraine stehen Hunderttausende vor dem Nichts, sie wissen nicht, wie sie ihre Kinder und Familien über den Winter bringen können. Täglich sterben Menschen, im Raketen- und Drohnenangriff der russischen Streitkräfte, aber auch in der Kälte, an einem Mangel an Lebensmitteln und in zerschossenen Krankenhäusern. Können wir mit diesen Bildern vor Augen Weihnachten feiern? Ich gebe zu, mir fällt dies schwerer als je zuvor. Aber der Glanz in den Augen der Kinder, die erwartungsfrohe Hoffnung auf das Weihnachtsfest bei denen, die die Welt da draußen noch gar nicht verstehen, sollten uns klar machen: Ja, es gibt Hoffnung. Hoffnung auf Frieden ist die Botschaft des Weihnachtsfestes seit über 2000 Jahren, und es gab nicht Jahre, sondern Jahrzehnte und sogar ganze Jahrhunderte, in denen die Menschen nicht wussten, ob es je wieder Frieden geben könnte. Aber diese Hoffnung ist immer wieder auch in Erfüllung gegangen, das Gebet für den Frieden ist immer wieder erhört worden. So wünsche ich auch Ihnen und Ihren Familien, dass Sie in diesen Tagen des Weihnachtsfestes 2022 die Hoffnung nicht aufgeben. Die Hoffnung, dass es wieder bessere Zeiten nach größeren Belastungen in den Familien und schweren Entscheidungen in den Unternehmen geben möge, aber auch die Hoffnung, dass die Menschen in der Ukraine in ihrem mutigen Eintreten für Frieden und Freiheit Erfolg haben werden. Diesen Erfolg mögen sie auch für uns und unsere Freiheit erzielen, und deshalb müssen wir ihnen auch in den nächsten Wochen und Monaten in vielfältiger Weise helfen. Unsere Hilfe, sei es in der Ukraine selbst oder für die geflüchteten Menschen bei uns, ist das wichtigste Zeichen der Nächstenliebe und der christlichen Hoffnung, das wir in diesen Tagen geben können. Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien daher gerade in diesem Jahr ein friedvolles und besinnliches Weihnachtsfest und uns allen ein gutes, ein besseres Jahr 2023. Herzlich Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, das war die letzte Sitzungswoche des Deutschen Bundestages im Jahr 2022. Und wie immer zum Jahresende mussten noch einige Entscheidungen getroffen werden. Darunter waren auch die Gesetze der Koalition für die versprochenen Gas- und Strompreisbremsen. Dazu gab es in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch noch 346 (!) Seiten Änderungsanträge, die am Mittwochmorgen in den Ausschüssen abschließend beraten und am Donnerstagmorgen im Plenum in 2. und 3. Lesung beschlossen werden sollten. Kein einziger Abgeordneter konnte diese Texte in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit noch lesen, geschweige denn in Ruhe bewerten. Das ist Gesetzgebung im Blindflug, vollkommen in der Hand der Ministerialbürokratie und eine Zumutung für das Parlament. Wir erleben diese Vorgehensweise der Koalition jetzt zum wiederholten Mal. Immer auf die letzte Minute, immer in der Nacht vor den entscheidenden Sitzungen, nie mit der gebotenen Sorgfalt im parlamentarischen Verfahren. Diese Art der Gesetzgebung trägt fast schon zwangsläufig den Keim schwerer handwerklicher Fehler in sich. Auch Mitglieder der Bundesregierung können selten präzise Antworten auf von uns gestellte Fragen geben. Mit der Verabschiedung der Gesetze im Bundestag wird dann gleich versprochen, wenn sich Fehler herausstellen sollten, könne man ja nachbessern. So ging es auch zu bei der Verabschiedung des Jahressteuergesetzes vor zwei Wochen. Durch die steigenden Grundstückspreise und die erforderlich gewordenen neuen Bewertungen werden ab dem nächsten Jahr die Erbschaftsteuern auf Immobilien auch im Mittelstand stark ansteigen. Das hat man im Bundesfinanzministerium in der Eile der Gesetzgebung offenbar übersehen. Der Bundesfinanzminister hat Abhilfe durch höhere Freibeträge in Aussicht gestellt. Gefolgt ist daraus: Nichts. Das Gesetz tritt zum 1. Januar in Kraft, und ab dem nächsten Jahr wird es noch schwieriger, Familienbetriebe in die nächste Generation zu übertragen. Zu solchen Schnellschüssen in der Gesetzgebung reichen wir nicht die Hand. Natürlich werden wir dafür von der Koalition kritisiert, denn „konstruktive Opposition“ heißt in den Augen der Ampel allein kritiklose Zustimmung zu allem, was sie vorlegt. Aber wenn die zu erwartenden Verwerfungen etwa bei den Ausgleichszahlungen für die hohen Gas- und Strompreise erkennbar werden, würden sie uns vorhalten, wir hätten doch allem zugestimmt. Und genau deshalb tun wir es nur, wenn wir genau wissen, was wir beschließen und wir auch in der Sache zustimmen können. So geht das Jahr zu Ende mit Beschlüssen, die zwar viel Geld kosten werden. Aber es bleibt vollkommen offen, ob damit auch das erreicht wird, was jetzt nötig wäre, nämlich eine schnelle und nachhaltige Entlastung der privaten Haushalte und der Unternehmen. Ich wünsche Ihnen trotzdem einen schönen vierten Advent! Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, in dieser Woche ist die „Ampel“-Koalition aus SPD, Grünen und FDP ein Jahr im Amt. Wie sieht die Bilanz dieser Koalition nach einem Jahr aus? Sie nannte sich „Fortschrittskoalition“ und wollte natürlich vieles anders und vor allem alles besser machen. Aber dann kam der Krieg, und die Welt war über Nacht vor ganz neue Herausforderungen gestellt und mit der Welt die Ampel. Auch jede andere Regierung hätte auf diese neue Lage reagieren müssen, und auch jede andere Regierung hätte Fehler gemacht. Gleichwohl muss man nach einem Jahr Ampel sagen: Deutschland kann es – eigentlich – besser! Der Bundeskanzler hat den russischen Überfall auf die Ukraine eine „Zeitenwende“ genannt. Es ist in der Tat eine Zeitenwende, wenn nicht gar ein Epochenbruch, wie der Bundespräsident sagt. Aber was folgt daraus für das Land und auch für die Bundesregierung? Die Zeitenwende scheint für große Teile der Bundesregierung im Wesentlichen daraus zu bestehen, jede Menge Geld auszugeben. Fast 550 Milliarden Euro neue Schulden und Kreditermächtigungen für die Folgejahre werden allein in diesem Jahr aufgenommen. Darunter sind 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr, die sogar in einem „Sondervermögen“ in das Grundgesetz aufgenommen worden sind. Ein halbes Jahr nach dieser Grundgesetzänderung müssen wir feststellen: Bis heute ist davon kein einziger Euro ausgegeben, nicht eine Bestellung erfolgt, nicht eine Ausschreibung gemacht. Das sei alles so kompliziert, hören wir von der Bundesregierung. Ja, das stimmt, das Beschaffungswesen der Bundeswehr ist viel zu kompliziert. Aber hatten wir nicht auch verabredet, dass daran schnell etwas geändert wird? Hatten wir nicht verabredet, dass auch und vor allem gemeinsame europäische Rüstungsprojekte daraus finanziert werden sollen? Nicht nur die Franzosen sind tief frustriert über diese deutsche Verteidigungs- und Rüstungspolitik. Aber auch in der Wirtschaftspolitik läuft es nicht rund für die Regierung. Im europäischen Vergleich schneidet Deutschland bei den Wachstumserwartungen für das nächste Jahr besonders schlecht ab. Jetzt sollen „Klimaverträge“ mit den Zweigen der Industrie abgeschlossen werden, die einen besonders hohen Energieverbrauch haben. Agora Energiewende, der Lobbyverband, der die Bundesregierung berät und den zuständigen beamteten Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium stellt, hat das Konzept über Monate weitestgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit entwickelt, der Bundeswirtschaftsminister hat es sich in diesen Tagen zu eigen gemacht. Wichtige Industriezweige wie die chemische Industrie, die Stahlindustrie und die Zementbranche sollen hohe Subventionen bekommen für die Umstellung ihrer Produktion auf klimafreundliche Erzeugung und klimafreundliche Produkte. Damit verlässt der Staat aber den Pfad der Marktwirtschaft und seine notwendige Rolle als derjenige, der einen für alle geltenden Ordnungsrahmen setzt. Er wird zum Akteur, der definiert, welche Unternehmen in den Genuss der milliardenschweren Zuwendungen kommen und welche nicht. An die Zahlungen werden vermutlich einige Auflagen gebunden sein, im Zweifel auch im Hinblick auf Managergehälter und Dividendenzahlungen. So betritt der Staat den Weg einer lenkenden und ordnenden Industriepolitik, die nach politischen Maßstäben belohnt und bestraft, denn bestraft werden all diejenigen, die nicht zu den politisch identifizierten Industriezweigen und Subventionsempfängern gehören. Diese Art von Staatswirtschaft kann nicht zu den gewünschten Ergebnissen führen, im Gegenteil, sie wird Industrien päppeln, die ansonsten nicht überleben, und andere vernachlässigen, die nicht mehr und nicht weniger brauchen, als einen verlässlichen Ordnungsrahmen, heute ganz besonders unter den Bedingungen der Wettbewerbsfähigkeit und der Innovation hin zu klimafreundlichen Prozessen und Produkten. So sind es nicht die korrekturfähigen Entscheidungen wie die Gasumlage, die die Zukunft unseres Landes bestimmen, sondern die ganz grundsätzlichen Weichenstellungen vor allem in der Wirtschaftspolitik, die die Ampel jetzt vornimmt, deren Auswirkungen aber erst Jahre später zu bemerken sein werden. Die Grundsatzdiskussion über die Wirtschafts-, Energie- und Klimapolitik muss daher jetzt geführt werden, nicht erst wenn die Folgen der Fehler von heute so richtig sichtbar werden. Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, schon seit langer Zeit beobachten wir einen zunehmenden Fachkräftebedarf in Deutschland. Praktisch auf allen Ebenen unserer Volkswirtschaft werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesucht, in der Privatwirtschaft ebenso wie in allen Bereichen unseres Sozialsystems und der öffentlichen Verwaltung. Diese Entwicklung wird sich fortsetzen und verschärfen, sobald ab dem Jahr 2025 die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand gehen und nur noch geburtenschwache Jahrgänge in den Arbeitsmarkt nachfolgen. Seit einigen Wochen diskutieren wir mit der Bundesregierung über den richtigen Weg, dieses Problem zu lösen. Die Ampel will in großem Umfang Einwanderung erleichtern und auch abgelehnte Asylbewerber dauerhaft in Deutschland aufnehmen. Neben humanitären Gründen werden von SPD, Grünen und FDP vor allem die arbeitsmarktbezogenen Argumente vorgetragen. Lässt sich unser Bedarf an Arbeitskräften tatsächlich und vor allem über zusätzliche Einwanderung lösen? Tatsache ist, dass wir in Deutschland schon seit vielen Jahren ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz haben, auch wenn die Ampel gern behauptet, sie müsse damit überhaupt erst anfangen, da frühere Regierungen dieses Thema wie so viele andere auch einfach verschlafen hätten. Deutschland ist längst ein Einwanderungsland, und neben der seit Jahren stark steigenden Zahl der Ausländer, die Sozialleistungen beziehen, wächst die Zahl der Beschäftigten im Arbeitsmarkt, die nach Deutschland eingewandert sind. Der Bedarf wird trotzdem beständig größer, und hier gilt es, nach Wegen zu suchen, wie wir diese Aufgabe lösen können. Bei der Suche nach den Ursachen des Problems stößt man auf mindestens zwei Sachverhalte, die wir nicht übersehen dürfen: Zum einen verlassen leider immer mehr Schülerinnen und Schüler unser Bildungssystem ohne ausreichende Kenntnisse in den Grundfertigkeiten für eine spätere Ausbildung und Berufstätigkeit. Daran muss sich sehr bald etwas ändern, für den Bedarf des Arbeitsmarktes erwachsen daraus aber eher langfristige Perspektiven. Zugleich sind heute am Tag in Deutschland rund 2,5 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet, und das bei 1,9 Millionen offenen Stellen. Offensichtlich funktioniert unser Arbeits-„markt“ nur sehr unzureichend. Die Bundesregierung verspricht seit ihrem Amtsantritt eine bessere Vermittlung in den Arbeitsmarkt, aber die Jobcenter können mit ihrer hoffnungslosen Überlastung dieser Aufgabe offensichtlich nicht gerecht werden. Wenn sie demnächst auch noch das Wohngeld auszahlen sollen, werden sie zu reinen Zahlstellen für Transferleistungen herabgestuft. So kann Arbeitsmarktpolitik nicht erfolgreich sein. Und dann warten in den Auslandsvertretungen der Bundesrepublik Deutschland Hunderte wenn nicht Tausende von Fachkräften, die nach Deutschland wollen und hier dringend gebraucht werden, auf ihre Visa und ihre Arbeitsgenehmigungen. Wenn dieser Antragsstau schon heute immer länger wird, wie will die Bundesregierung denn dann eine geregelte zusätzliche Fachkräfteeinwanderung organisieren? Die notwendige geregelte Einwanderung und das Staatsbürgerschaftsrecht werden uns in den nächsten Monaten noch sehr intensiv beschäftigen. Wir werden unsere Vorstellungen dazu klar artikulieren und uns vor allem von dem Grundsatz leiten lassen, dass das gesellschaftliche Miteinander auch in schwierigen Zeiten nur gelingen kann, wenn wir uns auf ein gesellschaftliches Minimum verständigen können, an das sich alle gebunden fühlen – die einheimische Bevölkerung von heute in ihrer bestehenden Vielfalt, aber auch diejenigen, die auf Zeit oder auf Dauer zu uns kommen. Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, in dieser Woche hat es erstmals seit langer Zeit wieder ein Vermittlungsverfahren zwischen Bundestag und Bundesrat gegeben. Die Bundesregierung verfügt zwar über eine komfortable Mehrheit im Deutschen Bundestag, nicht aber im Bundesrat. Nachdem die von CDU und CSU mitregierten Länder vor zwei Wochen dem neuen „Bürgergeld“-Gesetz nicht zugestimmt hatten, konnte eine Einigung nur in einem förmlichen Vermittlungsverfahren erzielt werden. Bei den Gesprächen zwischen Union und Bundesregierung konnte – neben anderen – in einem sehr wesentlichen Punkt eine Einigung erzielt werden, nämlich bei den Mitwirkungspflichten der Leistungsempfänger. So gilt in Zukunft eben keine „Vertrauenszeit“, in der es praktisch keinerlei Pflichten zur Beteiligung an Weiterbildungs- oder Eingliederungsmaßnahmen in den Arbeitsmarkt gibt. Das aber war neben einer deutlichen Anhebung des Schonvermögens und der Karenzzeit, bis zu der das eigene Vermögen für die Lebensführung nicht in Anspruch genommen werden muss, der Kern des „Bürgergeld“-Gesetzes. Es gelten auch in Zukunft vom ersten Tag des Leistungsbezugs an Mitwirkungspflichten, bei deren Verweigerung bis zu 30 Prozent der Leistungen gekürzt werden können. Schon Gerhard Schröder nannte dieses Prinzip „Fördern und Fordern“ – wer steuerfinanzierte Sozialleistungen erhält, muss daran mitwirken, dass er irgendwann auch wieder aus eigener Kraft den Lebensunterhalt erarbeiten kann. Damit bleibt der wesentliche Bestandteil der „Hartz IV“-Reform der Agenda 2010 der früheren rot-grünen Bundesregierung bestehen. SPD und Grüne haben das Gesetz nach der Einigung im Vermittlungsausschuss trotzdem in hohen Tönen gelobt. Was sollten sie auch anders tun? Alles andere wäre dem Eingeständnis einer zu großen Kompromissbereitschaft zu nahe gekommen. Wie es wirklich um die Stimmung der SPD und der Grünen nach dem Kompromiss bestellt war, konnten wir am Tag nach dem Kompromiss an einem zum Teil außergewöhnlich rüden Ton des sozialpolitischen Teils der Haushaltsdebatte feststellen. „Soziale Kälte“ und „Schäbigkeit“ gegenüber den Bedürftigen waren dabei noch die harmlosen Formulierungen. Hinter dieser Missstimmung aber steckt ganz offenbar ein sehr grundsätzlicher Dissens. Wir sind uns mit der Ampel einig, dass den Bedürftigen im Land, ganz gleich ob sie verschuldet oder unverschuldet in Not geraten sind, helfen müssen, und zwar angemessen und nicht kleinlich. Aber muss der Sozialstaat Bundesrepublik Deutschland ohne Inanspruchnahme der eigenen Mitwirkung wirklich lange und längere Zeiträume Transferleistungen zahlen? Sollen wir ernsthaft in die Richtung eines bedingungslosen Grundeinkommens immer weiter vorangehen? Kann man über Eigenverantwortung nicht mehr sprechen ohne den Vorwurf mangelnder sozialer Empathie? Das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft beruht neben dem Prinzip des Wettbewerbs auf den Grundsätzen der Subsidiarität und eben der Eigenverantwortung. „Eine freiheitliche Wirtschaftsordnung kann auf die Dauer nur dann bestehen, wenn und solange auch im sozialen Leben einer Nation ein Höchstmaß an Freiheit, an privater Initiative und Selbstvorsorge gewährleistet ist.“ So hat es Ludwig Erhard einstmals ausgedrückt, und so gilt es auch im neuen „Bürgergeld“-Gesetz der Ampel – auch wenn der Name etwas anderes zum Ausdruck bringt, und auch wenn die Koalition etwas ganz anderes gewollt hat. Aber so bleiben trotz eines auf 163 Milliarden Euro angestiegenen Etats des Bundesministers für Arbeit und Soziales wenigstens einige Grundsätze der Sozialen Marktwirtschaft auch im Sozialrecht erhalten. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende! Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, in dieser Woche beginnen die Vermittlungsverhandlungen zwischen Bundestag und Bundesrat über die Reform des Sozialgesetzbuches II („Hartz IV“), das die Ampelkoalition in die Richtung eines sogenannten Bürgergeldes weiterentwickeln will. Vor allem die SPD wird nicht müde zu betonen, dies sei die „größte Sozialreform der letzten 20 Jahre“. Es ist wohl eher die Rückabwicklung einer Reform, die der sozialdemokratische Bundeskanzler Gerhard Schröder gegen den massiven Widerstand seiner eigenen Partei vor gut 15 Jahren durchgesetzt hat, und der wir nicht nur einen langanhaltenden wirtschaftlichen Aufschwung zu verdanken haben, sondern auch den größten Beschäftigungsaufwuchs seit der Wiedervereinigung. Die Bundesregierung braucht die unionsgeführten Länder im Bundesrat, um wenigstens Teile der Reform zu retten. Es gibt im Hartz-IV-System in der Tat Dinge, die angepackt werden müssten, etwa die Zuverdienstgrenzen, um den Übergang in die Beschäftigung besser zu ermöglichen. Nicht aufgegeben werden darf aber das Grundprinzip der seinerzeitigen Reform, das da lautet „Fördern und Fordern“. Die SGB II-Leistungen sind steuerfinanzierte Sozialleistungen, und denjenigen, die in Not geraten sind, muss unser Sozialstaat selbstverständlich helfen. Aber es muss immer klar sein, dass die Betroffenen auch eine Pflicht haben, an ihrer Rückkehr in den Arbeitsmarkt selbst aktiv mitzuwirken, und zwar vom ersten Tag des Leistungsbezugs an. Deshalb sollte die sechsmonatige „Vertrauenszeit“ gestrichen werden, in der solche Mitwirkungspflichten gar nicht erwartet werden. Und es müssen in den engen Grenzen, die das Bundesverfassungsgericht dem Sozialstaatsgebot folgend gesetzt hat, natürlich auch Sanktionen möglich bleiben im Falle der Verweigerung dieser Mitwirkung. Sonst wird das „Bürgergeld“ genau zu dem, was es nicht werden darf, nämlich der Einstieg in ein bedingungsloses Grundeinkommen. Und zur Eigenverantwortung der bedürftigen Menschen gehört auch, dass sie spätestens nach einem Jahr auch ihr eigenes Vermögen, soweit es vorhanden ist, oberhalb einer bestimmten Grenze für ihren Lebensunterhalt einsetzen, alles andere wäre den Arbeitnehmern, die mit ihrer Arbeit und ihren Steuern die Sozialleistung „Bürgergeld“ bezahlen, nun wirklich nicht zu vermitteln. Die Union blockiert nicht im Bundesrat, aber wir erwarten, dass die Ampel respektiert, dass sie im Bundesrat für ihre Reform keine Mehrheit hat. Wir haben umgekehrt im Bundestag keine Mehrheit, aber im Miteinander von Bundestag, Bundesregierung und Bundesrat sollte es möglich sein, einen Kompromiss zu finden. Wir sind jedenfalls dazu bereit. Und ganz unabhängig davon, was mit der Ampel im Vermittlungsverfahren möglich ist, sollten wir noch in dieser Woche im Deutschen Bundestag die Anhebung der Regelsätze des SGB II beschließen, denn die betroffenen Menschen, vor allem die Familien mit Kindern, leiden bereits jetzt und heute unter der hohen Inflation. Sie können nicht länger warten. Wir werden die Anhebung der Regelsätze deshalb erneut zur Abstimmung stellen. Ich wünsche Ihnen einen schönen Sonntag! Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, die Wahlen in den USA sind anders verlaufen als von den meisten Demoskopen vorhergesagt. Auch wenn noch nicht alle Stimmbezirke ausgezählt sind und in Georgia eine Stichwahl sattfinden muss, so lässt sich heute doch schon sagen: Diese Wahlen sind ein Erfolg für die Demokraten und eine schwere Niederlage für Donald Trump. Trump scheint den Höhepunkt seines Einflusses auf die republikanische Partei und ihre Wähler überschritten zu haben. Trotzdem bleibt das Land zerrissen. Der Wahlkampf, der die Kandidaten insgesamt bis zu 14 Milliarden Dollar gekostet haben dürfte, bestand im Wesentlichen aus „dirty campaigning“, der persönlichen Herabsetzung des jeweiligen politischen Gegners. Je schmutziger der Wahlkampf war, umso schwerer wird eine Zusammenarbeit nach der Wahl. Und so stehen sich Demokraten und Republikaner im Kongress weiterhin weitgehend unversöhnlich gegenüber. Kompromisse wird es kaum geben. Und die amerikanische Politik wird auch in den nächsten zwei Jahren sehr weitgehend auf die Innenpolitik fokussiert bleiben. Insbesondere die immer stärker werdende Konkurrenz mit China um Einfluss, wirtschaftliche Stärke und militärische Präsenz wird Kräfte der USA binden, die an anderer Stelle nicht mehr zur Verfügung stehen. Joe Biden ist der letzte „europäische“ Präsident der USA, und auch wenn die Chancen für Donald Trump auf eine erneute Präsidentschaft in dieser Woche stark gesunken sind, so lässt sich doch eines vorausahnen: Die Erwartungen an die Europäer auf ein stärkeres Engagement für ihre eigene Sicherheit dürften in den nächsten zwei Jahren bis zur nächsten Präsidentschaftswahl im November 2024 weiter kontinuierlich ansteigen. Und diesen Erwartungen muss Europa nachkommen – nicht weil die Erwartungen von den USA kommen, sondern weil sie unseren eigenen Sicherheitsinteressen entsprechen. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine hat die Schwächen unserer Verteidigung innerhalb kürzester Zeit offengelegt. Ohne die USA wäre die Ukraine heute längst in russischer Hand, und Russland würde weitere Teile Osteuropas bedrohen. Amerika ist als NATO-Partner in Europa zurzeit nicht ersetzbar. Aber wir sollten wenigstens jeden Versuch unternehmen, den europäischen Pfeiler der NATO in den nächsten Jahren zu stärken. Mit dem Ergebnis der Wahlen in den USA in dieser Woche hat es eine Verschiebung der Machtverhältnisse innerhalb der republikanischen Partei gegeben, die wir aufmerksam weiter beobachten sollten: Ron DeSantis ist in Florida als Gouverneur so überzeugend wiedergewählt worden, dass er der nächste Präsidentschaftskandidat der Republikaner werden könnte. Als Präsident würde er uns Europäern – wahrscheinlich etwas höflicher als Donald Trump, aber nicht minder deutlich – abverlangen, dass wir endlich genug tun, um unsere Freiheit auch selbst zu verteidigen. Und er würde diesem Wunsch konkrete Entscheidungen über die Präsenz der USA in Europa folgen lassen. Mit herzlichen Grüßen Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, so langsam treten die Risiken und Nebenwirkungen des sozialpolitischen Prestigeprojekts der Ampel zutage: Das sogenannte „Bürgergeld“ kommt zu einem Zeitpunkt, zu dem für den Arbeitsmarkt eigentlich ganz andere Signale notwendig wären: nämlich größtmögliche Anreize, so schnell wie möglich eine Beschäftigung anzunehmen. Die zukünftige Sozialleistung, die mit dem „Bürgergeld“ gezahlt wird, gibt den Betroffenen aber genau das gegenteilige Zeichen. Die Zahl der Leistungsempfänger wird deutlich ansteigen, und man wird sagen dürfen: Das genau ist der Wunsch insbesondere der Sozialdemokraten. „Bürgergeld“ signalisiert nämlich schon vom Begriff her: Hier entsteht ein neuer Anspruch für den „Bürger“, und den soll er auch einfordern. Dabei war die Leistung, die dahintersteht, ursprünglich einmal eine reine Sozialleistung, nämlich die Sozialhilfe, die immer erst dann bezahlt wurde, wenn Versicherungsleistungen wie das Arbeitslosengeld oder die eigene Leistungsfähigkeit aus Ersparnissen und Vermögen erschöpft waren. Aber schon mit den Hartz-Reformen vor 20 Jahren wurden die Grenzen schwimmend, aus der Sozialhilfe wurde das Arbeitslosengeld II, die Unterscheidung zwischen selbst erworbener Versicherungsleistung und der von der Allgemeinheit gezahlten Sozialleistung war damit bereits begrifflich unklar geworden. Da ist das neue „Bürgergeld“ nur die logische Fortsetzung dieses Weges. In der Diskussion um die angemessene Höhe und die Voraussetzungen zum Leistungsbezug geht verloren, dass für Arbeitnehmer, die arbeitslos werden, immer noch der Bezug des Arbeitslosengeldes oder des Kurzarbeitergeldes als Versicherungsleistung vorangeht. Und in dieser Zeit sind eigentlich alle Maßnahmen zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich – nicht erst dann, wenn die Bezugszeit abgelaufen ist und demnächst das „Bürgergeld“ ansteht. Und selbst dann setzen sich nach dem Willen der Koalition die Anreize fort, doch länger dort zu verweilen. Der Bundesrechnungshof weist – sehr zum Ärger der Koalition – darauf hin, dass eine vierköpfige Familie mit einem Haus jeder Größe, mit zwei Autos und 150.000 Euro Vermögen sowie weiteren Rücklagen zur Altersversorgung demnächst „Bürgergeld“ erhalten kann. Das Kieler Institut für Wirtschaft kommt in einer Studie zu dem Ergebnis, dass insbesondere in Konstellationen einer mehrköpfigen Familie das Haushaltseinkommen mit „Bürgergeld“ höher oder gleich hoch sein wird wie bei einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Diejenigen, die angesichts dieser Aussichten immer noch jeden Morgen aufstehen und zur Arbeit gehen, stellen sich zu Recht die Frage: Warum eigentlich? Damit kein Missverständnis entsteht: Menschen, die in Not geraten, muss unser Staat helfen. Und angesichts der hohen Inflation ist es selbstverständlich, dass die Regelsätze schnell angepasst werden, damit gerade die Schwächsten in unserer Gesellschaft unter den Kostensteigerungen nicht am meisten leiden. Aber hinter dem „Bürgergeld“ steht vor allem gesellschaftspolitisch der falsche Weg. Denn große Teile der Ampel-Koalition sympathisieren seit langer Zeit mit einem bedingungslosen Grundeinkommen für alle Bürger. Nach der Grundsicherung im Alter, die noch von der alten Koalition beschlossen wurde, folgt jetzt das „Bürgergeld“. Die Koalition arbeitet an den Plänen für eine Kindergrundsicherung, die spätestens 2024 folgen soll. Und dann wäre das Ziel weitgehend erreicht, dass ein sehr großer Teil der Menschen in Deutschland Anspruch auf staatliche Transferleistungen hätte. Aus dem zunächst einmal für sich selbst verantwortlichen Bürger wird mehr und mehr ein Versorgungsempfänger. Nicht Eigenverantwortung steht im Vordergrund, sondern ein paternalistischer Staat, der nach eigenen Maßstäben erst nimmt und anschließend einen Teil davon wieder gibt. Es bleibt am Ende eine Frage: Warum macht ausgerechnet die FDP das alles mit? Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, „Respekt“ – so stand es im Sommer 2021 auf den Wahlplakaten von Olaf Scholz. „Respekt“ war eines der meistgenutzten Worte im Wahlkampf der SPD und während der Koalitionsverhandlungen. Respekt – das sollte wohl heißen: Wir nehmen die Menschen ernst, wir nehmen das Land ernst, wir nehmen unsere Aufgabe ernst. Von diesem Respekt ist ein Jahr danach nichts mehr übrig geblieben. Im Gegenteil: Noch nie zuvor hat sich eine Regierung so respektlos gezeigt wie die Ampel. Der vorläufige Höhepunkt war diese Woche erreicht. Am Freitag wandte sich der Bundespräsident in einer lange vorbereiteten Rede über die schwierige Lage in Putins Krieg an unser Land. Eingeladen in das Schloss Bellevue zur persönlichen Teilnahme waren zahlreiche Vertreter gesellschaftlicher Gruppen aus den verschiedensten Lebensbereichen und die Vertreter der drei Gewalten: der Gerichtsbarkeit, des Parlaments, der Regierung. Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts war selbstverständlich anwesend, der Präsident des Bundesrates ebenfalls. Die Bundesregierung hingegen fehlte völlig, nicht eine Bundesministerin, nicht ein Bundesminister. Die Präsidentin des Deutschen Bundestages: Fehlanzeige. Der Vorsitzende der FDP-Fraktion und ich waren die einzigen Fraktionsvorsitzenden aus dem Parlament. Alle übrigen Partei- und Fraktionsvorsitzenden: Fehlanzeige. Von der SPD, von den Grünen: Niemand. Wir sollen uns doch alle „unterhaken“, wird der Bundeskanzler nicht müde zu betonen. Jetzt sei die Stunde des Zusammenhalts, nicht des Gegeneinanders. Wenn das alles so gemeint ist: Warum fehlen dann bis auf eine einzige Ausnahme a l l e Vertreter dieser Regierung, wenn der Bundespräsident zur Lage des Landes spricht? Das sieht nach einem abgesprochenen Affront aus, mitten in der Krise, mitten in einer Zeit, in der die Menschen auch von der Politik Zusammenhalt und ein gemeinsames Vorgehen erwarten. Dieses Muster der Respektlosigkeit zeigt sich bei der Ampel schon lange. Wir erleben es in jeder Sitzungswoche im Parlament. Regelmäßig ist die Regierungsbank nicht mit den Mitgliedern der Bundesregierung besetzt, sondern mit den namenlosen Gesichtern einer schier unüberschaubaren Zahl von Parlamentarischen Staatssekretären. Zurzeit sind es 37, so viele wie nie zuvor. Aber die Ministerinnen und Minister ziehen es vor, dem Bundestag selbst bei wichtigen Debatten fernzubleiben. Es gibt Parlamentswochen, in denen der Bundeskanzler nicht einmal im Parlament erscheint. Ist das der „Respekt“, den er meint? Wir alle kämpfen mit der zunehmenden Kritik an unserer Demokratie und an den politischen Parteien. Wer sich aber so respektlos gegenüber unserem Staat und seinen Institutionen verhält, der sollte über den Wert der Demokratie in Zukunft besser schweigen. Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, am Montag war es ein Machtwort mittels Richtlinienkompetenz: Mit einem Brief des Bundeskanzlers wurden die drei Minister Habeck, Lindner und Lemke angewiesen, drei Kernkraftwerke bis Mitte April 2023 laufen zu lassen. Nur so ließ sich der monatelange Streit der Ampel um die Restlaufzeit der Kernenergie in Deutschland auflösen. So ein Vorgehen kann man in einer Regierung nicht allzu oft wiederholen. Danach kommt eigentlich nur noch die Vertrauensfrage - oder gleich das Ende der Regierung. Aber es gibt noch subtilere Formen des Ausbremsens und des Überfahrens in einer Koalition. Der mutwillig herbeigeführte Ablauf von Fristen gehört dazu. So etwas kennen wir aus dem Cum-Ex-Skandal, als der Hamburger Senat einfach die Verjährung einer Steuerschuld der Warburg-Bank in Höhe von 47 Millionen Euro eintreten lassen wollte. Einen ähnlichen Fall erleben wir in diesen Tagen auf der Berliner Bühne, und wieder geht es um Hamburg. Die dortige Hafengesellschaft will das chinesische Unternehmen Cosco mit 35 Prozent an einer Terminalgesellschaft beteiligen. Da es sich um kritische Infrastruktur handelt, muss die Bundesregierung den Erwerb genehmigen. Sechs Bundesministerien sind dagegen, die Sicherheitsbehörden warnen, ebenso die EU-Kommission. Die Entscheidung sollte in dieser Woche vom Bundeskabinett getroffen werden. Der Bundeskanzler aber will die Beteiligung unbedingt, er reist schließlich in der übernächsten Woche zum ersten Mal als Bundeskanzler nach China. Also wird die Entscheidung kurzerhand von der Tagesordnung des Bundeskabinetts genommen, denn die Untersagung will Scholz keinesfalls, die Beteiligung soll als Morgengabe ins Reisegepäck. Da passt es gut zusammen, dass die Frist zur Untersagung am Montag, den 31.10.2022 ausläuft. Ist der Erwerb bis dahin nicht untersagt, gilt er als genehmigt. Also muss der Bundeskanzler nur noch dieses Datum erreichen – just den Tag, an dem seine Chinareise beginnt. Die Chancen stehen gut, denn auch der Bundestag kommt erst in zwei Wochen wieder zusammen. So kann der Bundeskanzler sein Ziel erreichen, auch wenn alle wesentlichen Mitglieder seines Kabinetts anderer Meinung sind. Da ist ein erneuter Brief gar nicht notwendig. Richtlinienkompetenz durch Nichtbefassung könnte man den Vorgang nennen. Aber unserem Land erweist der Bundeskanzler mit diesem Regierungsstil gleich in mehrfacher Hinsicht einen Bärendienst. Zum einen gibt er sein Kabinett der Lächerlichkeit preis. Wenn es darauf ankommt, haben sie nichts zu sagen. Zum anderen verweigert er – wie so oft – ganz einfach eine öffentliche Begründung für seine Haltung. Und zum dritten: Dieser Erwerb an der Terminalgesellschaft berührt zutiefst die Sicherheitsinteressen unseres Landes. Ein chinesischer Staatskonzern bekommt mit dieser Beteiligung Zugang zu wesentlichen Daten des Frachtverkehrs im Hamburger Hafen. Und das exakt zu dem Zeitpunkt, an dem die Kommunistische Partei in China ihren aggressiven Ton in der Außenpolitik erneut verschärft und mit einem Krieg gegen Taiwan droht. Hat der Bundeskanzler aus dem Krieg Russlands gegen die Ukraine nichts gelernt? Sieht er nicht, wie sich die Muster ähneln? Ist die Beteiligung der Chinesen an einem wesentlichen Teil unseres größten Seehafens genauso eine „rein privatwirtschaftliche Angelegenheit“ wie NordStream 2? Und wenn er das alles so sieht: Welche Selbstachtung hat eigentlich dieses Bundeskabinett, das sich innerhalb von einer Woche gleich zweimal so vorführen lässt? Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz PS: Im Podcast „Bei Anruf Merz“ erhalte ich am Ende jeder Sitzungswoche im Bundestag einen Anruf von der Journalistin und Moderatorin Shary Reeves. Zusammen erörtern und analysieren wir die wichtigsten Themen der Bundestagssitzungen. Hören Sie doch gerne mal rein: cducsu.de/podcast/bei-anruf-merz |
Lieber Leser, ein Syndrom bezeichnet in der Medizin und der Psychologie „eine Kombination von verschiedenen Krankheitszeichen, die typischerweise gleichzeitig und gemeinsam auftreten“ (Wikipedia). Ein solches Krankheitszeichen erkennt der Chef des Bundeskanzleramtes, Wolfgang Schmidt, in diesen Tagen bei uns Deutschen ausgerechnet im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine. Er nennt es „V2-Syndrom“ – in Erinnerung an die als „Wunderwaffe“ von den Nazis gebaute Rakete V2, die die Wende im zweiten Weltkrieg bringen sollte. Das „V“ stand damals für das Wort Vergeltung, denn die Rakete war vor allem gegen die Zivilbevölkerung in den großen Städten der Weltkriegsfeinde gerichtet. Wie kommt der Chef des Kanzleramtes dazu, uns ein solches Krankheitsbild zu attestieren? Er vergleicht die V2 allen Ernstes mit dem Leopard-Kampfpanzer, den beachtliche Teile der eigenen Regierungsfraktionen und auch die Unionsfraktion seit Monaten nennen, wenn es um eine bessere Ausrüstung der Streitkräfte der Ukraine in ihrem Kampf gegen den russischen Angriffskrieg geht. Der Leopard-Panzer eine „Wunderwaffe“? Eine Wunderwaffe als „Vergeltung“? Wir alle von einer multiplen Krankheit befallen? Wolfgang Schmidt, so heißt es in Berlin, sage, was der Kanzler denkt. Wenn das auch in diesem Fall so ist, dann gibt es einen mehrfachen Grund, dass der Bundeskanzler endlich sein Schweigen bricht, warum er seit Monaten die Exportgenehmigung für den Leopard-Panzer blockiert. Denkt er so, wie Schmidt redet? Erkennt auch er bei uns ein Krankheitsbild? Hält er den Leopard auch für eine Vergeltungswaffe? Oder ist es schlichte historische Unkenntnis und ein vollkommen abwegiger Vergleich seines wichtigsten Kabinettsmitglieds? Man kann nur hoffen, dass letzteres der Fall ist. Dann aber sollte Schmidt Zeit bekommen für ein ausführliches Studium der deutschen Geschichte. Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, wir befinden uns im 8. Monat des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Seit Monaten ist klar, dass wir zum Jahresende mit einer weiteren Verknappung der Energieversorgung in unserem Land rechnen müssen. Gas- und Strompreise sind bereits jetzt so hoch wie nie zuvor. Die Bundesregierung hat trotzdem bis heute kein Konzept, wie sie mit dieser für die privaten Haushalte und für die Unternehmen kritischen und in vielen Fällen existenzgefährdenden Lage umgehen soll. Wertvolle Monate sind mit endlosen Diskussionen, untauglichen Versuchen und ungeeigneten Mitteln verstrichen. Nun soll am kommenden Montag ein erster Vorschlag der „Gas-Kommission“ vorgestellt werden. Die Vorsitzende der Kommission warnt schon einmal vor zu großen Erwartungen und lässt ihre Präferenz für Einmalzahlungen erkennen. Der Bundeswirtschaftsminister spekuliert, man werde die Preise um ca. 50 Prozent auf das Vorkriegsniveau heruntersubventionieren. Offen scheint bei diesen Vorschlägen zu bleiben, wie man den stark steigenden Preisen denn mit marktwirtschaftlichen Instrumenten begegnen könnte. Das ausbleibende Gas hat unsere Volkswirtschaft in einen Angebotsschock versetzt. Einem Angebotsschock begegnet man am besten mit zwei Instrumenten: Man erhöht das Angebot aus allen anderen verfügbaren Quellen und senkt zugleich wo immer möglich die Nachfrage. Wir verfügen in Deutschland über Kohlekraftwerke in der Reserve, über Biomasse, Holz und Erdwärme, über Windkraft und Sonnenenergie, schließlich auch noch über drei laufende Kernkraftwerke und zwei weitere, die man wohl relativ schnell reaktivieren könnte. Die Bundesregierung hätte über den Sommer alle diese Möglichkeiten voll ausschöpfen müssen, dann wären die Preise schon heute deutlich niedriger – und auch der Anteil der Gaskraftwerke am Strommarkt wäre gesunken und nicht weiter gestiegen. Die Bundesregierung hat also schon auf der Angebotsseite längst nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft, zum Teil aus rein ideologischen Gründen, wie zum Beispiel bei der Kernenergie. Aber auch die Nachfrage sinkt nicht etwa, sondern steigt im Jahresverlauf immer weiter an und treibt die Preise zusätzlich. Bei der Nachfrage hätte es ebenfalls Möglichkeiten gegeben, die über Duschtipps hinausreichen. Vor allem die angekündigten 200 Milliarden Euro, die der Bund für die Gas- und Strompreisbremse einsetzen will, könnten kontraproduktiv wirken, denn sie setzen gefühlt das Preissignal zunächst einmal weitgehend außer Kraft. Stattdessen wären Auktionen des Staates über den Markt denkbar, zum Beispiel für eingespartes Gas in den Produktionsprozessen der Industrie, um auf der Nachfrageseite zu schnellen Ergebnissen zu kommen. Wird wenigstens darüber nachgedacht? Man kann es nur hoffen, denn allein mit Zahlungen aus dem Bundeshaushalt an die Verbraucher werden sich die Probleme nicht lösen lassen. Das könnte ein Fass ohne Boden werden und zugleich größere Verteilungskonflikte auslösen zwischen denen, die Geld bekommen und denen, die leer ausgehen. Denn jeder Versuch, es allen recht zu machen, ist – wie immer – zum Scheitern verurteilt. Ein viel zu großer Zeitverlust und mangelndes Vertrauen in die marktwirtschaftlichen Instrumente haben jedenfalls schon bisher einen Schaden entstehen lassen, der in dieser Höhe nicht notwendig gewesen wäre. Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, um schöne Bilder ist die Ampelkoalition selten verlegen. In dieser Woche kommt nun der „Doppel-Wumms“ gegen die Energiepreiskrise. 200 Milliarden Euro neue Schulden im WSF, dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds aus der Coronazeit, sollen die Preise für die Verbraucher soweit senken, dass die Zahlungsfähigkeit der privaten Haushalte ebenso wie die der Unternehmen aufrechterhalten bleiben kann. Viel mehr als diese Absichtserklärung kommt auf den 5 ½ Seiten, auf denen das Vorhaben der Bundesregierung unter der Überschrift „Wirtschaftlicher Abwehrschirm gegen die Folgen des russischen Angriffskrieges“ beschrieben wird, nicht zum Ausdruck. Mit 200 Milliarden Euro allein ist das Problem also nicht gelöst. Jetzt beginnt die Gesetzgebungsarbeit erst, und die Koalition darf von uns nicht erwarten, dass wir ihr eine voreilige Zustimmung in Aussicht stellen. Dafür sind in den letzten Monaten einfach zu viele handwerkliche Fehler passiert. Dafür sind in den letzten Wochen auch zu viele Widersprüche offenkundig geworden, etwa bei der Gasumlage, die bis einen Tag vor ihrem Inkrafttreten aufrecht erhalten wurde, obwohl die Verstaatlichung von Uniper bereits seit Wochen beschlossene Sache ist. Aber ein verstaatlichtes Unternehmen kann man nicht mit einer Umlage finanzieren, ansonsten wäre unsere Finanzverfassung auf den Kopf gestellt. Strompreisbremse und Gaspreisbremse sind noch wesentlich komplexer als das Problem mit Uniper. Wo soll die Preisbremse gesetzt werden, bei den Verbrauchern unmittelbar oder auf einer der Handelsstufen? Strom und Gas folgen auch sehr unterschiedlichen Marktstrukturen. Gas ist ein internationales Handelsgut, und es besteht die große Gefahr, dass die heruntersubventionierten Preise gar nicht beim Verbraucher ankommen, sondern auf einer der Handelsstufen hängen bleiben. Ähnliche Erfahrungen mussten wir mit der Spritpreisbremse im Sommer machen, nur jetzt geht es um ganz andere Summen. Und deshalb muss der Schuss sitzen, sonst werden die Verwerfungen unübersehbar, bei den Unternehmen, bei den privaten Haushalten, aber auch im Staatshaushalt. Wenn die Bundesregierung also schon diesen Weg geht, dann ist jetzt ein sehr sorgfältiges Gesetzgebungsverfahren erforderlich. Es fällt uns schon nicht leicht, der faktischen Umgehung der Schuldenbremse für die Jahre 2023 und 2024 zuzusehen ohne erneut das Bundesverfassungsgericht um die Klärung der Frage zu bitten, ob mit der einmaligen Kreditaufnahme und der mehrjährigen Auszahlung der Leistungen nicht das Jährlichkeitsprinzip der Haushaltsführung verletzt wird. Nun kommt es darauf an, den privaten Haushalten und den Unternehmen schnell zu helfen. Die öffentlich ausgetragenen Streitereien der Koalitionsfraktionen haben uns schon jetzt viel zu viel Zeit gekostet. Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, Putins Krieg gegen die Ukraine tritt mit der Mobilmachung in Russland in eine neue Phase. Es könnte sein, dass der russische Präsident mit dem Zugeständnis, dass sich Russland im Krieg befindet, die Zustimmung der Bevölkerung in Russland verliert. Denn jetzt glaubt niemand mehr an eine „militärische Spezialoperation“ gegen Neo-Nazis, jetzt ist jede Familie in Russland vom Krieg betroffen. Trotzdem wird die Gasknappheit bei uns anhalten. Wir müssen uns auf einen schwierigen Herbst und Winter einstellen. Die Stilllegung der Gaspipeline Nordstream 1 führt zu einer weiteren Verknappung von Gas in Deutschland. Die Folge dieser Verknappung lässt die Preise für Gas explodieren. Wie gehen wir damit um? Da immer noch Gaskraftwerke Strom erzeugen und Gaskraftwerke aufgrund der Gaspreise gegenwärtig die teuersten Erzeuger von Strom sind, zieht der Gaspreis den gesamten Strommarkt nach oben. Also muss die Gasverstromung so schnell wie möglich reduziert werden. Das geht aber nur, wenn alle übrigen Stromerzeugungskapazitäten so schnell wie möglich ausgeschöpft werden. Deshalb stellt der Bundeswirtschaftsminister mit dem zweiten Stresstest in diesem Jahr auch nur eine von zwei notwendigen Fragen: Neben der Netzstabilität ist die maximal erreichbare Stromerzeugungskapazität die richtige Zielgröße, um die Preise für Strom wieder zu senken. Denn so funktioniert Marktwirtschaft: Preise werden durch Nachfrage und Knappheiten bestimmt, sinkt das Angebot, steigen die Preise – und umgekehrt! Also muss das Angebot aus allen, wirklich allen verfügbaren Quellen erhöht werden. Und zeitgleich muss die Nachfrage so weit wie möglich reduziert werden, dann sinken auch wieder die Preise. So ist nicht immer „mehr Staat“ die richtige Antwort, sondern „so viel Markt wie möglich“ und erst dann so viel Staat wie nötig. Die Bundesregierung scheint diesen Zusammenhang immer noch nicht zu sehen, sonst würde sie über Uniper einen Schutzschirm aufspannen, anstatt das Unternehmen jetzt zuerst für viel Geld von den bisherigen Eigentümern zu kaufen, um es dann mit einer Gasumlage zu finanzieren. Und eine marktwirtschaftlich orientierte Bundesregierung würde auch nicht einen Augenblick daran zweifeln, die noch laufenden drei Kernkraftwerke in Deutschland zumindest über den kommenden Winter weiter laufen zu lassen. Wie sagte der Bundeswirtschaftsminister im März jedenfalls grundsätzlich richtig: Es kommt jetzt auf jede Kilowattstunde an! Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende! Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, am 9. Oktober wird in Niedersachsen ein neuer Landtag gewählt. CDU und SPD gehen beide mit der festen Absicht in diese Wahl, die bisherige gemeinsame Koalition nicht fortzusetzen. Die jüngste Umfrage zeigt ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen CDU und SPD. Beide liegen gleichauf bei 28 Prozent, die Grünen bei 17 Prozent, die AfD bei 11 Prozent und die FDP bei 6 Prozent. Damit hat die CDU mit Bernd Althusmann an der Spitze die Chance, das Land Niedersachsen politisch zurückzugewinnen. Das wird aber nur gelingen, wenn die CDU deutlich vor der SPD liegt und auch rechnerisch eine rot-grüne Mehrheit nicht möglich ist. Denn wir müssen davon ausgehen, dass SPD und Grüne versuchen werden, auch dann eine Landesregierung zu bilden, wenn die SPD auf Platz 2 liegt und beide Parteien zusammen auch nur über eine Stimme Mehrheit im Landtag verfügen. An dieser Stelle kommt die Bundesregierung ins Spiel. Denn natürlich versuchen SPD und Grüne in Niedersachsen, bis zum Wahltag so weiten Abstand von der zerstrittenen Ampel in Berlin zu halten wie eben möglich. Aber mit einer rot-grünen Landesregierung werden sich SPD und Grüne in Berlin auf ihrem Kurs der Bundespolitik bestätigt sehen, vor allem in ihrer Energiepolitik. Also gehören die bundespolitischen Themen im niedersächsischen Landtagswahlkampf auf die Tagesordnung! Den engsten bundespolitischen Bezug zu Niedersachsen hat die Energiepolitik: Eines der drei Kernkraftwerke, das in Deutschland noch weiterbetrieben werden könnte, ist das Kernkraftwerk Emsland in Lingen an der Ems. Ausgerechnet dieses Kraftwerk soll zum Jahresende endgültig stillgelegt werden, während die beiden anderen in einem – wirtschaftlich unsinnigen und technisch kaum zu realisierenden – „stand-by“-Betrieb gehalten werden sollen. Die rein parteipolitisch motivierte Stilllegung des Kernkraftwerks Emsland folgt ausschließlich grüner Ideologie im Gründungsland der Grünen, während viele Fachleute und Ökonomen dringend dazu raten, alle drei Kernkraftwerke in Deutschland am Netz zu belassen, bis die Energiekrise überwunden ist. Aber auch die Gasumlage muss Gegenstand der niedersächsischen Wahlentscheidung werden. Die Verschiebung auf den 1. November folgt offensichtlich auch der parteipolitischen Logik, eine Woche vor der Wahl nicht damit zu beginnen, eine Umlage von voraussichtlich 35 Milliarden Euro bei privaten Haushalten und Unternehmen einzusammeln, deren Berechnungsgrundlagen von der Bundesregierung nicht veröffentlicht wird, die die Inflation weiter anheizt und deren Aufkommen auch an Unternehmen ausgezahlt werden kann, die in der Energiekrise hohe Gewinne machen. Die Wählerinnen und Wähler in Niedersachsen haben es also in der Hand, der Ampel in Berlin einen kräftigen Dämpfer zu verpassen und sie zur Korrektur vor allem ihres energiepolitischen Schlingerkurses zu zwingen. Von einer solchen Korrektur würden vor allem das Land Niedersachsen, seine Menschen und seine Betriebe profitieren! Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
Liebe Leser, nach drei Jahren kommt die CDU an diesem Wochenende zum ersten Mal wieder zu einem Präsenzparteitag zusammen. Der Parteitag steht im Zeichen der Energiekrise und der wirtschaftlichen Aussichten für den kommenden Herbst und Winter. Eine Rezession wird immer wahrscheinlicher, die Auswirkungen auf private Haushalte und die Unternehmen werden immer deutlicher spürbar. Die CDU musste sich auf diesem Parteitag gleichwohl mit dem Thema befassen, wie wir es denn schaffen, den Anteil der Frauen unter den Mitgliedern, auf den Delegiertenversammlungen, auf den Kandidatenlisten und vor allem in den Parlamenten zu erhöhen. Die CDU kommt vor allem in den Parlamenten konstant seit Jahren über einen Anteil von rund einem Viertel nicht hinaus – obwohl mehr als die Hälfte der Wähler Frauen sind. Was ist also zu tun? Die Partei ist sich in der Beschreibung des Problems einig, und sie diskutiert seit Jahren über den richtigen Weg zur Lösung des Problems. Diese Lösung geht nicht allein über formale Bestimmungen in unseren Statuten. Dort kann man viel aufschreiben, aber die Wirklichkeit verändert man dadurch nur wenig. Da aber umfangreiche Änderungen unserer Satzung ohnehin überfällig waren, ging es auf dem Bundesparteitag in Hannover zunächst allein um die satzungsgemäßen Bestimmungen über die Zusammensetzung der Gremien der Partei mit dem Ziel, den Anteil der Frauen dort schrittweise anzuheben. Mit diesen Entscheidungen das Wort „Quote“ zu verbinden, trifft den Kern der Entscheidungen nur zum Teil. Um eine „Quote“ geht es in der beschlossenen Fassung der Satzung von nun an lediglich in der Zusammensetzung der Vorstände der Partei von der Ebene der Kreisparteien aufwärts. Der Anteil der Frauen in den zu wählenden Vorständen soll schrittweise von 30 über 40 auf 50 angehoben werden – vorausgesetzt, es kandidieren auch genug Frauen für die Vorstände. Wenn es nicht genug Kandidatinnen gibt, ist der Anteil der kandidierenden Kandidatinnen die „Quote“. Nur dann, wenn die Zahl der weiblichen Kandidaten der Quote entspricht oder sie übersteigt, der Anteil der gewählten Frauen aber unter der Quote bleibt, bleiben die Sitze im Vorstand vakant, oder es gibt eine zweite Wahl. Für Delegiertenversammlungen und Wahllisten für die Parlamente gelten Frauenquoten, die oberhalb der Zahl der weiblichen Mitglieder in der jeweiligen Parteigliederung liegen sollen, mit dem Ziel, sukzessive den Anteil der Frauen in den Parteitagen und den Parlamenten zu erhöhen. Mehr haben wir gar nicht beschlossen! Ich erläutere diese Beschlüsse hier noch einmal, weil in der veröffentlichten Meinung häufig der Eindruck erweckt wurde, wir begäben uns jetzt auf eine Art identitären Weg der Gleichstellung. Das ist definitiv nicht der Fall. Und wir wissen zugleich, dass wir noch sehr viel mehr tun müssen, um das Ziel zu erreichen, als Partei für mehr Frauen attraktiv und wählbar zu werden. Von einem gut gestimmten Parteitag der CDU grüßt Sie herzlich Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, viele private Haushalte und Unternehmen kämpfen jeden Tag mit stark steigenden Preisen für fast alle Waren und Dienstleistungen. Insbesondere die Energiepreise steigen wieder sprunghaft an. In einer solchen Lage braucht Deutschland eine kraftvoll handelnde Regierung. Stattdessen werden wir täglich weiter zu Zeitzeugen eines anhaltenden Streits in der Bundesregierung zu fast allen Themenbereichen. Das Bundeskabinett tagt zwei Tage in Klausur und geht ohne ein einziges konkretes Ergebnis in der Energiepolitik auseinander. Wir können uns die Untätigkeit dieser Bundesregierung nicht länger leisten. Wenn wir schnellstmöglich unabhängig werden wollen von Putins Gas, dann hätten schon im Sommer Entscheidungen getroffen werden müssen. Stattdessen hat der Bundeswirtschaftsminister einen zweiten „Stresstest“ angeordnet, wie und mit welchen Energiequellen wir über den Winter kommen könnten. Das Ergebnis dieses zweiten Stresstests sollte ursprünglich Mitte dieser Woche veröffentlicht werden. Aber ganz offensichtlich passt Teilen der Bundesregierung das ermittelte Ergebnis nicht, denn nach allem, was aus der Expertengruppe zu hören ist, wird der im Winter zu erwartende Strombedarf ohne die derzeit noch laufenden drei Kernkraftwerke in Deutschland nicht zu decken sein. Aber ein solches Ergebnis kurz vor den Wahlen in Niedersachsen droht die grüne Partei zu zerreißen. Also wird wieder nichts entschieden. Dieses Nichtstun und das Hinauszögern von Entscheidungen könnte für Deutschland fatale Folgen haben. Die Preissprünge an der Energiebörse zeigen, dass wir – anders als Robert Habeck es noch vor wenigen Wochen gesagt hat – eben doch ein veritables Stromproblem haben werden. Vor diesem Hintergrund überhaupt noch ernsthaft daran zu denken, drei moderne, problemlos laufende Kernkraftwerke zum Jahresende stillzulegen, ist verantwortungslos. Wir haben der Bundesregierung im Sommer eine Sondersitzung des Deutschen Bundestages zur Änderung des Atomgesetzes angeboten und sie aufgefordert, die Bestellung neuer Brennstäbe zu ermöglichen. Stattdessen streitet die Ampel weiter und der Bundeswirtschaftsminister erlässt in aller Eile eine kleinteilige, die Menschen bis in ihren privaten Lebensbereich gängelnde und bevormundende Energiesparverordnung. Anders als die Bundesregierung haben wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion dagegen konkrete Vorschläge zur Erweiterung des Energieangebots und zur Dämpfung der Preisentwicklung in den Energiemärkten unterbreitet. Unseren Beschluss finden Sie unter: https://www.cducsu.de Die Zeit wird jetzt knapp. Wenn die Bundesregierung nicht sehr bald zu Entscheidungen kommt, dann trägt sie ganz allein die Verantwortung für die Folgen von Gasnotlage und Strommangel im kommenden Winter. Die Bundesregierung darf sich nicht weiter an den alten ideologischen Grabenkämpfen der Grünen ausrichten. Mit den besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, an Warnungen hat es nicht gefehlt, aber die Ampelkoalition wollte ja unbedingt dem Vorschlag des Bundeswirtschaftsministers folgen. Neben der direkten Stützung des Unternehmens Uniper mit 15 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt wird noch zusätzlich eine Umlage von allen Gasverbrauchern erhoben. Mit dieser Umlage sollen zusätzlich rund 30 Milliarden Euro von den Verbrauchern eingesammelt werden, plus Mehrwertsteuer. Wir haben die Bundesregierung rechtzeitig auf das Mehrwertsteuerproblem hingewiesen. Kurz vor der Beschlussfassung im Kabinett hat die Ampel noch einen eiligen Brief nach Brüssel geschickt, die Antwort kam schnell und unmissverständlich: Keine Ausnahme für die Deutschen. Die Bundesregierung hat die Umlage als Rechtsverordnung beschlossen, der Bundestag wird nicht mehr befasst – es sei denn er beschließt, die Umlage aufzuheben. Diesen Antrag haben wir gestern im Namen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gestellt. Schon bis hierher ist diese Energiepolitik der Bundesregierung ein einziges Durcheinander. Aber das war trotzdem erst der Anfang. Der Bundeswirtschaftsminister beklagt, dass jetzt neben Uniper auch andere, gut verdienende Unternehmen eine Beteiligung an der Umlage beantragen. Ja, Herr Minister, so ist das, wenn der Staat einen Honigtopf aufstellt! Und als der Unmut in der Öffentlichkeit nicht mehr zu überhören war, verkündete der Bundeskanzler eilig eine Absenkung der Mehrwertsteuer auf Gas und damit auch auf die Umlage von 19 Prozent auf 7 Prozent. Aber diese Steuersenkung kann der Bundeskanzler nicht mal einfach so entscheiden. Beschließen kann sie nur der Deutsche Bundestag, und auch der Bundesrat muss zustimmen, denn die Länder tragen die Hälfte der Steuerausfälle. Sind die Länder vom Bundeskanzler vorher gefragt worden? Aber selbst wenn die Bundesregierung ihre Umlage noch rettet, bleibt das größere Problem dieser Idee bestehen: Die Umlage stürzt private Haushalte mit geringem Einkommen in große finanzielle Probleme und viele energieintensive Unternehmen in die Insolvenz. In der Lage, in der sich unser Land seit Putins Krieg wirtschaftlich befindet, ist die Umlage der größte Fehler, den die Bundesregierung – jedenfalls bisher – gemacht hat. Es hätte bessere Wege gegeben, die Gasversorgung zu sichern und zugleich die Kosten unter Kontrolle zu halten. Wir haben der Koalition bereits vor Monaten eine Energiegrundversorgung für alle Haushalte mit geringem Einkommen vorgeschlagen und die Absenkung der Mehrwertsteuer ebenso wie der Energiesteuern auf alle Energieträger. Die Preise blieben dann immer noch hoch genug, um Anreize für Einsparungen zu setzen. Für Uniper hätte sich ein Schutzschirm wie bei der Lufthansa angeboten. Aber diese Bundesregierung bevorzugt es, zunächst das Geld der Steuerzahler einzusammeln, um es dann nach eigenem Gutdünken gönnerhaft neu zu verteilen. An dieser Stelle zeigen sich die Unterschiede zwischen der Bundesregierung und der Union besonders augenfällig: Ein paternalistischer Staat, der verspricht, jedes Unheil abzuwenden und alle Nachteile mit Geld aufzuwiegen, wird am Ende scheitern. Er ruft Extremisten von rechts und links auf den Plan. Auf der Strecke bleiben die privaten Haushalte, die heute schon zu hoch belastet sind, und die vielen Unternehmen, die das ganze Chaos der deutschen Energiepolitik einfach nicht mehr ertragen und ihre Standorte schließen. Der Bundeswirtschaftsminister steht vor seiner größten politischen Herausforderung. Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, von Mitte 1956 bis Mitte 2011 galt in Deutschland die allgemeine Wehrpflicht. Alle männlichen deutschen Staatsbürger waren gesetzlich verpflichtet, in den Streitkräften Wehrdienst zu leisten. Seit 2011 ist die Einberufung zum Grundwehrdienst nur noch im Spannungs- oder Verteidigungsfall vorgesehen, die allgemeine Wehrpflicht ist seit nunmehr 11 Jahren ausgesetzt. Der Krieg in der Ukraine hat unsere Sicht auf eine potenzielle Bedrohung unserer Freiheit und unserer territorialen Integrität verändert. Krieg ist nicht mehr nur möglich in Europa, er findet seit fast einem halben Jahr statt. Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat Auswirkungen auf unsere Volkswirtschaft, und die Bevölkerung blickt sorgenvoller denn je in die Zukunft. In einer solchen Zeit suchen junge Menschen nach Orientierung, auch im Hinblick auf ihren persönlichen und beruflichen Werdegang. Da kann es nicht überraschen, dass sowohl über die Wehrpflicht als auch über ein verpflichtendes soziales Jahr erneut diskutiert wird. Gerade in der jungen Generation gibt es sowohl für die Wehrpflicht als auch für ein soziales Jahr ein hohes, wenn auch nicht ungeteiltes Maß an Zustimmung. Der Bundespräsident sah sich vor einigen Wochen veranlasst, einen Pflichtdienst in Deutschland für alle junge Menschen zu fordern. Die CDU wird voraussichtlich auf ihrem nächsten Bundesparteitag Anfang September in Hannover ebenfalls über dieses Thema diskutieren. Allein die Diskussion über eine Dienstpflicht tut unserem Land gut, denn sie lässt erkennen, dass große Teile der Bevölkerung über alle Altersgruppen hinweg Sympathie haben für einen solchen Dienst. Die Bindung an unseren Staat und unsere Gesellschaft ist bei vielen doch sehr viel ausgeprägter, als dies die veröffentlichte Meinung gemeinhin erkennen lässt. Aber es gilt auch, Argumente abzuwägen und in die Diskussion einzubeziehen, die eine allgemeine Dienstpflicht kritisch sehen. Zunächst ist ein rein quantitatives Argument zu beachten: Ein Jahrgang umfasst in Deutschland gegenwärtig rund 700.000 Menschen. Und da Frauen – anders als bei der früheren Wehrpflicht – natürlich einbezogen werden wollen und müssen, sprechen wir über einen sehr hohen administrativen Aufwand, um Jahr für Jahr eine Dienstpflicht, wo immer sie dann auch abgeleistet wird, zu organisieren. Die Bundeswehr, die früher nur rund die Hälfte eines Jahrgangs, nämlich die Männer, erfassen musste, verfügt heute über keinerlei Strukturen mehr, um wenigstens Teile aller potenziell Dienstpflichtigen zu erfassen und aufzunehmen. Gleiches gilt für alle denkbaren weiteren Institutionen wie das THW, das Deutsche Rote Kreuz, die karitativen Organisationen und viele andere, die als Anbieter zur Ableistung einer Dienstpflicht in Frage kommen würden. Nun ließe sich ohne Zweifel ein rein administratives Hindernis – wenn auch mit hohem Aufwand – überwinden, wenn denn genügend gewichtige Argumente für die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht sprechen würden. Junge Leute kämen raus aus der eigenen Blase, sie träfen ganz andere Menschen, sie könnten Bürgern in Notlagen helfen, wie auch der Bundespräsident sagt: „Das baut Vorurteile ab und stärkt den Gemeinsinn,“ so seine Schlussfolgerung. Ich teile diese Einschätzung, nehme aber auch die Gegenargumente ernst. Eine allgemeine Dienstpflicht ist in erster Linie ein sehr tiefer Eingriff in die persönliche Freiheit und Lebensgestaltung. Damit sind gleich mehrere Grundrechte betroffen, deshalb könnte eine Dienstpflicht nur mit einer festen Verankerung im Grundgesetz eingeführt werden. Erfahrungen außerhalb der eigenen Blase sind durchaus dringend notwendig für viele junge Menschen, und Hilfe in Notlagen ist sicher mehr denn je eine Herausforderung für große Teile unserer Gesellschaft, aber ein derart tiefer Eingriff in die individuellen Freiheitsrechte unserer Verfassung bräuchte denn wohl schon etwas schwerer wiegende Rechtfertigungen. Und jetzt, wo das Abitur in fast allen Bundesländern durchweg erst wieder nach 13 Schuljahren absolviert wird, wäre ein weiteres Jahr als Dienstpflicht obendrauf schon eine erhebliche Verzögerung für die weitere Ausbildung und den Berufseinstieg. Trotzdem sprechen immer noch so viele Argumente dafür, jungen Menschen in einer Zeit ihres Lebens, die Veränderung und Orientierung zugleich erfordert, ein Angebot zu machen, unserem Land zu dienen und zugleich ihren eigenen Horizont zu weiten. Es muss ein Stück Normalität werden, nach Abschluss der schulischen Ausbildung in einen Dienst zu gehen. Deshalb sollten wir zumindest die Attraktivität der bereits jetzt in Frage kommenden freiwilligen Dienste so erhöhen, dass sich wenigstens ein signifikanter Teil eines jeden Jahrgangs dafür entscheidet. Das könnte ein verbesserter Zugang zur weiteren Ausbildung ebenso sein wie die Anerkennung der Dienstzeit für die Altersversorgung. In jedem Fall darf die deutsche Politik das Potential der jungen Menschen, die sich in der gegenwärtigen Lage für unser Land und für unsere Gesellschaft einsetzen wollen, nicht missachten. Eine Dienstzeit – ob freiwillig oder verpflichtend – kann einen wesentlichen Teil zum Zusammenhalt unserer Gesellschaft leisten. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, neben dem Krieg in der Ukraine erweist sich der eskalierende Konflikt zwischen China und Taiwan als eine der größten Bedrohungen des Friedens auf der Welt. Die Volksrepublik China, das kommunistisch regierte „Mainland China“, beansprucht seit Jahrzehnten die Wiedervereinigung mit der Inselgruppe Taiwan, auf die nach dem Bürgerkrieg im Jahr 1949 die unterlegenen Truppen des Kuomintang-Anführers Chiang Kai-shek geflüchtet waren und die dort zunächst eine Ein-Parteien-Herrschaft etabliert hatten. Von 1949 an – dem Jahr der Ausrufung der „Volksrepublik China“ – bis zum Beginn der 1970er Jahre repräsentierte die Regierung der Republik China, wie sich Taiwan bis heute nennt, ganz China durch zahlreiche diplomatische Vertretungen auf der ganzen Welt und auch bei den Vereinten Nationen in New York. Erst mit der Öffnung Chinas während der Nixon-Administration und mit dem Besuch von Nixon in China im Jahr 1971 musste es eine Lösung der Frage geben, welcher Teil Chinas denn nun China als Ganzes international vertreten würde, denn die Forderung einer „Zweistaatenlösung“ hatte die amerikanische Seite in den monatelangen Verhandlungen über das Abschlusskommuniqué mit der Regierung in Peking nicht aufrechterhalten können. Wir verdanken Henry Kissinger und seinen umfangreichen Darstellungen und Erinnerungen den genauen historischen Hintergrund, wie es schließlich zur „Ein-China-Politik“ gekommen ist. Im Abschlusskommuniqué des Nixon-Besuches haben die USA nämlich anerkannt, dass „alle Chinesen auf beiden Seiten der Formosastraße sagen, dass es nur ein China gibt und dass Taiwan ein Teil Chinas ist.“ Damit blieb die Frage ausdrücklich offen, unter welchen Bedingungen und vor allem von welchem Teil Chinas der Wunsch nach Einheit eines Tages denn erfüllt werden sollte. Keine der beiden Seiten würde versuchen, so das Zugeständnis der Volksrepublik an die USA, ihre bevorzugte Lösung durchzusetzen. Das Bekenntnis zur „Ein-China-Politik“ löst also keinen Anspruch der Volksrepublik China auf die Übernahme von Taiwan aus. Im Gegenteil, eine Wiedervereinigung könnte nur auf friedlichem Weg und mit Zustimmung beider Seiten erfolgen. Daher kann sich die kommunistische Führung in Beijing auch nicht anmaßen zu bestimmen, wer Taiwan besuchen darf und wer nicht. Der Besuch von Nancy Pelosi vor einigen Tagen in Taiwan war also vollkommen in Ordnung. Ob es politisch klug war, zu diesem Zeitpunkt zu reisen, sei dahingestellt. Aber es bleibt richtig, dass der Menschenrechtsausschuss des Deutschen Bundestages plant, im Herbst nach Taiwan zu reisen. Es gibt mehr Anlass denn je, über die Menschenrechtslage in der Region zu sprechen. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende Ihr Friedrich Merz P.S.: Während ich diese Mail schreibe, erreichen mich eine Vielzahl von Genesungswünschen, nachdem öffentlich wurde, dass ich heute Morgen an der Schulter operiert worden bin. Das war leider notwendig, weil ich mir gestern bei einem unglücklichen Sturz das linke Schlüsselbein gebrochen habe. Ich möchte mich herzlich für die vielen guten Wünsche bedanken! Das wird schon wieder. |
Lieber Leser, es gibt keinen Grund zur Panik. Aber es gibt angesichts möglicher Energieversorgungsengpässe im Herbst dringenden Handlungsbedarf – im Sommer trotz der Parlamentsferien. Markus Söder und ich haben in dieser Woche das Kernkraftwerk Isar 2 in Landshut besucht. Die Werksleitung hat uns einen Blick in das Innere dieses Reaktors ermöglicht. Mit Neckarwestheim in Baden-Württemberg und dem Kernkraftwerk Emsland in Niedersachsen sind in Deutschland noch zwei weitere, moderne Kernkraftwerke am Netz, die sicher und zuverlässig Strom für rund 10 Millionen Haushalte in ganz Deutschland erzeugen. Nach gegenwärtiger Planung sollen diese drei Kraftwerke am Ende des Jahres den Betrieb einstellen. Spätestens mit der durch den Kreml rein politisch motivierten Verringerung der Gasmengen, die seit dem Überfall auf die Ukraine aus Russland nach Deutschland geliefert werden, müssen wir die Energieversorgung auf neue Füße stellen. Alle Optionen gehören auf den Tisch, und dazu zählt auch die Kernenergie. Um es klar zu sagen: Wir wären vollkommen verrückt, wenn wir die drei noch laufenden Kernkraftwerke angesichts dieser Lage jetzt wie geplant vom Netz nehmen würden. Technisch, personell und rechtlich ist ein Weiterbetrieb möglich. Das hat der TÜV in einem sehr umfangreichen und detaillierten Gutachten von der technischen Seite her bestätigt. Die Betreiber sind nach eigener Auskunft in der Lage, auch über den Jahreswechsel das notwendige Personal bereitzustellen, hochqualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die seit Jahrzehnten auf höchstem Niveau und verantwortungsvoll ihre Aufgaben erfüllen. Die rechtlichen Grundlagen für den Weiterbetrieb müsste der Gesetzgeber durch eine Änderung des Atomgesetzes schaffen. Und wenn der Betrieb über den sogenannten „Streckbetrieb“ hinaus ermöglicht werden sollte, und dafür spricht sehr viel, dann müssten jetzt, im August des Jahres 2022, neue Brennstäbe für die Kernkraftwerke bestellt werden. Der Weiterbetrieb der Kernkraftwerke, die wir in Deutschland noch haben, und die zu den besten und sichersten der ganzen Welt gehören, liegt also ausschließlich in der Hand der Politik, konkret: der deutschen Regierung. Es ist ja schön, vom Bundeskanzler zu hören, er könne sich den Weiterbetrieb „vorstellen“. Aber was folgt denn aus seiner Vorstellungskraft? Gibt es einen Kabinettsbeschluss? Gibt es einen Regierungsentwurf? Gibt es einen Auftrag zur Bestellung neuer Brennstäbe? Die Betreiber der Anlagen sind nach wie vor auf ein Ende des Betriebs zum 31.12.2022 ausgerichtet. Wenn der Sommer verstreicht ohne politische Grundsatzentscheidung, dann ist es im Herbst zu spät, jedenfalls für einen ordnungsgemäßen Weiterbetrieb über das gesamte nächste Jahr. Den aber sollten und müssen wir ermöglichen, um im Stromsektor Engpässe und möglicherweise Blackouts zu vermeiden. Wir machen der Bundesregierung erneut das Angebot, auch in den Sommerferien zu einer Sondersitzung des Bundestages zusammenzukommen, um die gesetzlichen Grundlagen für den Weiterbetrieb der drei Kernkraftwerke zu schaffen. Nach wie vor wird aus Gaskraftwerken Strom erzeugt. Auch die Kohlekraftwerke hätten sehr viel schneller hochgefahren werden müssen, um Gas wenigstens bei der Verstromung einzusparen. Die drei Kernkraftwerke könnten einen eigenen Beitrag für die Versorgungssicherheit unseres Landes leisten. Es wäre schon unserer eigenen Bevölkerung nicht zu erklären, wenn diese Kraftwerke jetzt abgeschaltet werden würden. Europäische Solidarität werden wir schon gar nicht einfordern können, wenn wir uns als einziges Land in Europa derart selbst beschädigen. Die Bundesregierung muss handeln, und zwar sehr bald, bevor es in dieser Frage zu spät ist. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende Ihr Friedrich Merz |
Liebe Leser, der anhaltende Krieg in der Ukraine verändert die gesamte Sicherheitsarchitektur Europas. Der russische Angriffskrieg zwingt die NATO und die EU dazu, die Bewahrung von Frieden und Freiheit in dem Teil Europas, in dem wir das große Glück haben zu leben, wieder zur vorrangigen politischen Priorität zu machen. Seit dem Beginn des Krieges am 24. Februar 2022 wissen wir, dass militärische Verteidigungsfähigkeit und Abschreckung nicht ein Relikt des Kalten Krieges sind, sondern eine zentrale politische Herausforderung der Gegenwart. Der Bundesrepublik Deutschland kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Ich war in dieser Woche zu Gesprächen in Polen und in Litauen. Die wichtigste Botschaft aller Gesprächspartner, die mir mit auf den Weg gegeben wurde, war: Auf kein Land in der Europäischen Union wird in diesen Wochen und Monaten so sehr geschaut wie auf uns. Vielleicht nehmen wir aus unserer Binnensicht diese Anforderung nicht ausreichend wahr; diejenigen, die von außen auf uns blicken, haben jedenfalls größere Erwartungen, als wir sie gegenwärtig erfüllen. An diesen Erwartungen mag manches zu groß und zu viel erscheinen. Unbestreitbar aber ist die Tatsache, dass Deutschland allein aufgrund seiner geostrategischen Lage in der Mitte Europas und seiner Größe eine erhebliche Verantwortung dafür trägt, dass wir unsere Freiheit und den Frieden in Europa auch zukünftig wahren. Vor diesem Hintergrund kommt unserer Außenpolitik eine besonders wichtige Rolle zu, einer Außenpolitik, die sich in den vergangenen Jahren einer mehr beschreibenden Lage der Weltpolitik hingeben konnte, die sich jetzt aber wieder im Zentrum der operativen Politik befindet. Aber gerade in der Außenpolitik kann ein Land Vertrauen nur sehr langsam aufbauen und sehr schnell verspielen. Dieses Vertrauen wird stark belastet, wenn ausgerechnet Deutschland seine Zusagen nicht einhält. Der mit Polen verabredete Ringtausch über Panzer, die Polen in die Ukraine liefert und die Deutschland dann für Polen nachliefert, war offenbar nicht ausreichend im Detail besprochen. Polen hat Panzer in die Ukraine geschickt, Deutschland streitet jetzt mit Polen über Qualität und Umfang der Nachlieferungen. Die daraus entstandenen Enttäuschungen in Polen hätten vermieden werden können. Und wenn der Bundeskanzler verspricht, eine volle Brigade der Bundeswehr nach Litauen zu verlegen, um dort die Ostflanke der NATO zu stärken, dann darf daraus nicht werden, dass diese Brigade in Deutschland lediglich vorgehalten wird. Gerade im Verhältnis zu unseren Nachbarn in Mittel- und Osteuropa ist Verlässlichkeit ein hohes Gut. Mit freundlichen Grüßen Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, Donnerstag, der 21. Juli 2022, ist ein Datum, das wir uns merken sollten. An diesem gestrigen Tag ist die Regierung von Mario Draghi in Italien zerbrochen – und fast zur selben Stunde hat die EZB zum ersten Mal seit 11 Jahren ihre Zinspolitik korrigiert. Mit der erstmaligen Anhebung der Leitzinsen kündigt die EZB gleichzeitig ein neues Instrument an, mit dem eine „Fragmentierung“ der Zinssätze im Euro-Währungsraum verhindert werden soll, das „Transmission Protection Instrument“ (TPI). Mit neuen Namen für ihre Geldpolitik und vor allem für ihre Anleihekaufprogramme war die EZB schon immer sehr erfinderisch. Das neue Programm TPI soll nun aktiviert werden, um „ungerechtfertigten, ungeordneten Marktdynamiken entgegenzuwirken, die eine ernsthafte Bedrohung für die Transmission der Geldpolitik im Euroraum darstellen“, so die Erklärung der EZB für das neue Instrument. Aber was ist eine „ungerechtfertigte, ungeordnete Marktdynamik“? Wann stellt diese eine ernsthafte Bedrohung dar? Und was ist mit der „Transmission der Geldpolitik im Euroraum“ genau gemeint? Offensichtlich geht es um die Zinsunterschiede bei den Staatsanleihen zwischen verschiedenen Euroländern, die exakt zu dem Zeitpunkt entstanden sind, als die EZB aufgehört hat, wie in den vergangenen Jahren immer mehr Staatsanleihen in großem Umfang aufzukaufen. Die Zinsabstände, die wir jetzt sehen, sind aber keine „ungerechtfertigten“ oder gar „ungeordneten“ Marktdynamiken, sondern genau die Antworten der Kapitalmärkte, die der Risikoeinschätzung der Kapitalgeber entsprechen. Beispielsweise werden Italien, Spanien, Portugal und Griechenland eben als riskanter eingeschätzt als Deutschland, die Niederlande, Belgien und Österreich. Wenn die EZB diese Zinsabstände jetzt wieder nivellieren will, indem sie Anleihen der betroffenen Staaten gezielt ankauft, dann ist dies der letzte Schritt in die monetäre Staatsfinanzierung, also in die Finanzierung der Haushalte dieser Länder mit Notenbankgeld. Dieser Schritt ist vom Mandat der EZB nicht umfasst, die Zentralbank handelt dann außerhalb ihrer Kompetenzen. Vor diesem letzten Schritt kann und muss man die EZB eindringlich warnen. Sie würde damit endgültig die vertragliche Grundlage verlassen, auf der vor gut zwanzig Jahren die Währungsunion gegründet wurde. Den deutschen Mitgliedern des EZB-Rates wäre die Beteiligung an diesem Schritt sogar ausdrücklich untersagt. Das Bundesverfassungsgericht hat den deutschen Instanzen, und damit auch der Bundesbank, in seiner Entscheidung vom 05.05.2020 klar die Grenzen aufgezeigt, innerhalb derer sie sich in der europäischen Geldpolitik bewegen dürfen. Staatsanleihen dürfen nach dieser Entscheidung des obersten deutschen Gerichts insbesondere nur bis zu einem festgelegten Volumen sowie gleichmäßig und entsprechend den Anteilen der nationalen Notenbanken am Kapital der EZB aufgekauft werden. TPI droht mit gezielten Anleihekäufen einzelner Staaten und ohne Volumenbeschränkungen genau diesen Rechtsrahmen zu verlassen. Zusätzlich bringt sich die EZB in eine prekäre Lage, wenn sie künftig öffentlich den Willen einzelner Staaten zu einer soliden Politik beurteilt. Ein negatives Urteil dürfte schließlich weitere Marktverwerfungen zur Folge haben. Seit mehr als 10 Jahren operiert die EZB nur noch im Krisenmodus. Sie hat mit dem jetzt angekündigten Zinsschritt zu spät reagiert und versucht gleichzeitig, eine Einheitlichkeit der Geldpolitik im Euroraum durchzusetzen, die es aufgrund der Unterschiedlichkeit der jeweiligen Haushaltsrisken gar nicht geben kann, jedenfalls dann nicht, wenn man die Bepreisung von Risiken richtigerweise den Märkten überlässt. Die Wirkmächtigkeit von Kapitalmärkten außer Kraft zu setzen war noch zu keinem Zeitpunkt eine Aufgabe der EZB. Der Druck aber, genau dies zu tun, wird durch das Scheitern der Regierung in Italien am selben Tag noch größer. All diese Ereignisse treffen in Europa zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt zusammen. Mit freundlichen Grüßen Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, der Krieg in der Ukraine dauert nun schon bald fünf Monate, und ein Ende ist nicht in Sicht. Die Angriffe gegen die Zivilbevölkerung halten unvermindert an, in Teilen des Landes herrscht der blanke Terror der russischen Staatsführung. Das öffentliche Interesse an diesem Krieg nimmt dagegen langsam aber stetig ab, die Sorgen um unsere Energieversorgung treten immer mehr in den Vordergrund. Spekuliert die Bundesregierung auf genau diesen Effekt? Tatsächlich muss der Eindruck entstehen, dass bei der deutschen Regierung der rhetorische Anspruch und die politische Wirklichkeit immer weiter auseinanderfallen. Zur Erinnerung: Der Bundeskanzler hat in seiner zu Recht viel gelobten Regierungserklärung am 27. Februar zugesagt, „ab sofort jedes Jahr mehr als 2 Prozent unseres Bruttoinlandsproduktes für die Verteidigung“ zur Verfügung zu stellen. Der Verteidigungsetat wird laut Haushaltsplan der Bundesregierung im nächsten Jahr aber nicht ansteigen, sondern um 300 Millionen Euro sinken! Aus dem schuldenfinanzierten Sondervermögen für die Bundeswehr sollen im nächsten Jahr nur rund 8,5 Milliarden Euro abfließen, womit zusammen absehbar die angekündigten 2 Prozent in keinem Fall erreicht werden können. Je nach Größe des Bruttoinlandsproduktes im Jahr 2023 werden es voraussichtlich nur 1,5-1,6 Prozent sein. Man muss es so klar sagen: Die Bundesregierung täuscht die Öffentlichkeit. Der Bundeskanzler wird seinem selbst gesetzten Anspruch für die Verteidigung unseres Landes nicht gerecht. In dieses Bild passt dann auch das Verhalten der Bundesregierung bei den Waffenlieferungen in die Ukraine. Offenbar gibt es entgegen der Beschlussfassung des Deutschen Bundestages vom 28. April eine Weisung des Bundeskanzlers, der Ukraine bestimmte Waffen nicht zu liefern, darunter den in großer Stückzahl verfügbaren Kampfpanzer Marder. Der Krieg in der Ukraine wird aber erst enden, wenn die russische Staatsführung keine Chance auf zusätzlichen Geländegewinn mehr erkennt. Dafür jedoch fehlt es der Ukraine an wirksamen Waffensystemen und an Munition. Die zögerliche Haltung der deutschen Regierung verlängert damit diesen Krieg, Tag um Tag, Woche um Woche. Im Zweifel weiß die Bundesregierung um diesen Zusammenhang. Warum macht sie es trotzdem? Welche Agenda hat der Bundeskanzler? Fällt er mit der SPD in die alten Muster zurück, in die innere Ablehnung der Bundeswehr, in die irrige Annahme, man könnte einer Aggression mit gutem Zureden begegnen? Herrscht in großen Teilen der SPD immer noch die alte und trotzdem immer wieder gescheiterte Illusion vor, man könne „Frieden schaffen ohne Waffen“? Oder rechnet die Bundesregierung gar mit einer zunehmenden Kriegsmüdigkeit der deutschen Bevölkerung und einer zunehmenden Angst um den eigenen Wohlstand? Wenn das so ist, dann ist es nur noch ein kleiner Schritt hin zum Verrat an der Ukraine. Wer aber die Ukraine verrät, der verrät auch unsere Freiheit und unsere Demokratie. Es liegt am Bundeskanzler, diese Zweifel auszuräumen. Mit freundlichen Grüßen Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, der Deutsche Bundestag geht an diesem Wochenende in die parlamentarische Sommerpause. Ob dies wirklich eine längere Sitzungspause sein wird, das ist mehr als ungewiss. Schon in der zweiten Juli-Hälfte könnte es eine weitere Verschärfung der Energieversorgungslage geben, und auch die Daten aus der Wirtschaft werden von Woche zu Woche beunruhigender. Nach der Verabschiedung der Energiegesetze in dieser Woche wissen wir allerdings, dass die Bundesregierung auf eine ganze Reihe von energiepolitischen Optionen verzichtet: Der Bundeskanzler hat während des letzten Europäischen Rates der Staats- und Regierungschefs der EU ein Angebot des italienischen Ministerpräsidenten abgelehnt, frühzeitig nach gemeinsamen europäischen Lösungen für die Zeit eines möglichen Versorgungsengpasses zu suchen. Damit droht eine Auseinandersetzung in der EU um den Zugang zu den Energiereserven, die der Auseinandersetzung um die Aufnahme der Flüchtlinge vor sechs Jahren in nichts nachstehen dürfte. Die größten Gasreserven für Süddeutschland zum Beispiel liegen in einem Gasspeicher auf österreichischem Boden. Allein ein möglicher Streit um dieses Gas trägt das Potential eines größeren Konflikts mit unserem Nachbarn Österreich in sich. Der ganzen EU droht eine Schwächung genau in dem Augenblick, in dem sie ihre Stärke am dringendsten beweisen müsste. Die Bundesregierung hält fest an der Stilllegung der letzten drei noch laufenden Kernkraftwerke in Deutschland. Damit muss die Stromversorgung von 10 Millionen Haushalten auf Kraftwerke mit fossiler Energie, auf Kohle oder Gas, umgestellt werden. Anti-AKW ist für die Ampel offenbar wichtiger als die drohende zusätzliche CO2-Belastung. Wenn Frankreich mehr als 50 Kernkraftwerke laufen lässt, warum kann Deutschland nicht wenigstens drei am Laufen halten? Auch Ersatz für russisches Gas ist bis heute nicht in Sicht. Es gibt keine neuen Lieferverträge, noch nicht einmal aus Katar, die Reise des Ministers für Wirtschaft und Klima dorthin bleibt ohne Ergebnis. Biomasse bleibt gedeckelt und wird kaum mehr als gegenwärtig zur Energieversorgung herangezogen. Dabei zeigt die Entsorgungsbranche auf, wie wir kurzfristig aus entsprechenden Anlagen zusätzliche Energie gewinnen könnten. Nur bei der Wasserkraft war die Koalition begrenzt einsichtsfähig und hat zum Abschluss ihres hektischen Gesetzgebungsverfahrens die Wasserkraft wenigstens nicht völlig aus der politischen und finanziellen Unterstützung herausgeworfen. Der Ausbau der Übertragungsnetze bleibt der Flaschenhals der Energieversorgung aus den Erneuerbaren, die Genehmigungsverfahren dauern unverändert sehr lange. Die Ausbauziele der Bundesregierung für Wind- und Sonnenenergie sind allein schon wegen der fehlenden Netze unrealistisch. Neben den Einschränkungen in der Sache hat sich die Bundesregierung entschlossen, die Opposition an den energiepolitischen Entscheidungen nur auf die allerletzte Minute zu beteiligen. Die zuständigen Parlamentsausschüsse haben nur wenige Minuten vor Sitzungsbeginn und wenige Stunden vor Fristablauf mehr als 300 Seiten Änderungsanträge zur sofortigen Beschlussfassung vorgelegt bekommen. Ein geordnetes Gesetzgebungsverfahren ist so nicht mehr möglich, handwerkliche Fehler und Widersprüche in den Gesetzestexten sind unvermeidlich. Damit ist klar: Die Bundesregierung trägt ganz allein die Verantwortung für die Energieversorgung in Deutschland, sie trägt ab jetzt auch die alleinige Verantwortung für alle Versorgungslücken und die Folgen für private Haushalte und Unternehmen. Sie hat ein weiteres Mal unsere ausgestreckte Hand zur Mitwirkung und rechtzeitigen Beratung der immer schwieriger werdenden Lage ausgeschlagen. Gemeinsame und bessere Lösungen wären möglich gewesen. Hoffen wir wenigstens, dass die Versorgung mit Öl und Gas im Verlauf des Sommers nicht noch schwieriger wird. Die Energiepolitik der Bundesregierung lebt ab dieser Woche eben leider nur noch vom Prinzip Hoffnung. Mit besten Grüßen für ein trotzdem gutes Wochenende, Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, eigentlich hatten wir erwartet, dass der coronabedingte Mangel an Arbeitskräften eine vorübergehende Erscheinung bleiben würde. Aber seit einigen Wochen zeigt sich: Es hat während der Pandemie offenbar doch weitaus größere und vor allem auf Dauer angelegte Veränderungen im Arbeitsmarkt gegeben als angenommen. Zahlreiche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind aus Tätigkeiten mit unsteten Arbeitszeiten in Jobs gewechselt, die zumindest angenehmere Arbeitszeiten und oftmals bessere Einkommen garantieren. Besonders betroffen sind Hotels und Gaststätten, aber auch der Luft- und Bahnverkehr und das Handwerk. Der Personalmangel ist nicht nur ein Ärgernis für die Kunden; er wird zum Problem für unsere ganze Volkswirtschaft. Was sind die Gründe, und was können wir dagegen tun? Ganz unabhängig von Corona sinkt das Arbeitskräftepotential in Deutschland. Die geburtenstarken Jahrgänge gehen sukzessive in den Ruhestand, geburtenschwächere Jahrgänge kommen nach. Deshalb wird in der nächsten Rezession auch die Arbeitslosigkeit voraussichtlich nicht wieder so stark ansteigen wie vor zwanzig Jahren. Aber es war trotzdem ein schwerer politischer Fehler der Ampel, im vergangenen Monat die letzten Reste der Hartz-Reformen abzuräumen. Das Prinzip „Fordern und Fördern“ gilt nicht mehr, es wird praktisch sanktionslos nur noch gefördert. Die (steigende!) Arbeitslosigkeit mit 2,3 Millionen Arbeitslosen wird sich so nicht wieder reduzieren lassen. Auf dem Arbeitsmarkt lässt sich also das Problem jedenfalls kurzfristig nicht lösen. Nach wie vor sind rund 276.000 Beschäftigte in Kurzarbeit. Diese Zahl mag man angesichts der angespannten Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt nicht glauben, aber es bewahrheitet sich, dass die gut gemeinten Leistungen samt Aufstockung auf 87 Prozent und darüber eben doch in einem kleineren Teil der von coronabedingter Arbeitslosigkeit Betroffenen bis heute zu einer gewissen Immobilität beitragen. Und schließlich die Bahnhöfe und die Flughäfen: Die Sicherheitskontrollen sind auch Sache des Staates, nicht der Verkehrsbetriebe. Der Bund aber weigert sich beharrlich, die Ressourcen, die er zur Verfügung hätte, auch einzusetzen. Dass die Gewerkschaften in dieser Lage noch mit Streiks drohen und sie zum Teil bereits ausrufen, ist angesichts der Inflation verständlich, angesichts der angespannten Lage aber schon mehr als zweifelhaft. So dürften wir noch eine ganze Weile mit dem knappen Gut Arbeitskraft befasst bleiben. Die erwartete Zunahme von Insolvenzen könnte im Verlaufe des Jahres für etwas Entspannung auf dem Arbeitsmarkt sorgen. Aber das ist kein Trost, denn dann haben wir wieder andere Probleme. Trotzdem beste Grüße und ein schönes Wochenende Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, es gibt nicht viele gute Nachrichten in diesen Tagen. Immerhin, die 27 Staats- und Regierungschefs der EU haben sich entschlossen, der Ukraine und Moldau den Status als Beitrittskandidaten zuzuerkennen. Gegen Albanien und Nord-Mazedonien hat Bulgarien aus rein innenpolitischen Gründen ein Veto eingelegt. Der West-Balkan aber ist der zweite Brennpunkt im Osten der EU, und die regionalen Konflikte dort können jederzeit wieder offen ausbrechen. Auch in diesem Teil Europas hat Russland seine Hand im Spiel. Wenn sich 27 Mitgliedstaaten aber schon so schwertun, ihren Einfluss im Osten des Kontinents wirksam zum Ausdruck zu bringen, wie sollen denn dann mehr als 30 Staaten in der EU zu Lösungen kommen? So werden auch wir von vielen Wählerinnen und Wählern gefragt, und diese Frage ist mehr als berechtigt. „Vertiefung vor der nächsten Erweiterung“ – so haben wir es immer wieder vor größeren Erweiterungsrunden in der EU gesagt und doch meistens das Gegenteil getan. Das gilt zumindest für die europäische Außen- und Sicherheitspolitik, und deren Schwäche wird in diesen Wochen des Krieges in der Ukraine immer wieder deutlich. Ohne die massive Hilfe der Amerikaner kann Europa sicherheitspolitisch zurzeit aus eigener Kraft keinen Konflikt seiner östlichen Nachbarn befrieden. Wenn aber die Integration der Außen- und Verteidigungspolitik in der gesamten EU der 27 nicht gelingt, dann müssen einige Staaten intergouvernemental vorangehen. Deutschland und Frankreich sollten in jedem Fall dabei sein, einige weitere wenn eben möglich auch. Und diese Zusammenarbeit müsste jetzt in der Definition einer umfassenden gemeinsamen Sicherheitsstrategie ebenso vertieft werden wie in der gemeinsamen Standardisierung und Beschaffung von Rüstungsgütern. Die nationalen Haushalte werden in den nächsten Monaten vermutlich größte Belastungen zu ertragen haben – allein wegen der Verknappung und Verteuerung der Energie und der daraus erwachsenen Gefahr einer Rezession. Dann aber müssen gerade jetzt die Synergieeffekte in den Beschaffungsvorhaben gehoben und genutzt werden. Die schon jetzt sichtbaren Probleme in der Schuldentragfähigkeit einiger Mitgliedstaaten im Euroraum lassen zudem Befürchtungen wachsen, dass eine weitere Krise des Euro bevorstehen könnte. Die Zahl der Krisen, die große Rettungspakete ausgelöst haben, lässt aber kaum noch Spielräume für weitere Rettungspakete, jedenfalls so lange die betroffenen Staaten nicht bereit sind, Reformen ihrer Arbeitsmärkte und ihrer sozialen Sicherungssysteme zu akzeptieren. Es steht uns also ein sehr anspruchsvolles zweites Halbjahr 2022 bevor. Das Wort „Zeitenwende“ dürfte noch eine viel tiefere Bedeutung bekommen als allein die Beschreibung des Krieges in der Ukraine. Es gibt aber wenigstens doch noch eine zweite gute Nachricht in diesen Tagen: Die Ampelkoalition hat sich nach zähem Ringen und fünfmaliger Ablehnung unserer Anträge nun endlich dazu durchgerungen, das seit vielen Jahren fertiggestellte Freihandelsabkommen mit Kanada im Bundestag zu ratifizieren. Auch das hätten wir schon viel früher gemeinsam so beschließen können. Warum muss bei dieser Regierung nur alles immer so furchtbar lange dauern? Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende! Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, seit mehr als zwei Jahren diskutieren wir darüber, wie wir es schaffen können, mehr junge Menschen und vor allem mehr Frauen für die Mitarbeit in der CDU zu gewinnen. Eine vom Bundesvorstand der CDU eingesetzte Struktur- und Satzungskommission hat dazu in mühevoller und langer Arbeit Vorschläge erarbeitet, die bisher auf einem Bundesparteitag nicht beschlossen werden konnten, denn Satzungsänderungen bedürfen bisher der Zustimmung eines Parteitages in Präsenz. Parteiarbeit ist in einer Demokratie unverzichtbarer Bestandteil der politischen Ordnung, ohne funktionierende Demokratie in den Parteien gibt es auch keine Demokratie mit den Parteien. Deshalb haben wir uns in dieser Woche Zeit genommen, die Vorschläge zur Modernisierung unserer Arbeit, vor allem zur Ausschöpfung digitaler Formate, noch einmal sorgfältig zu diskutieren. Die Vorschläge des Bundesvorstandes werden jetzt auf unserem nächsten Bundesparteitag in Hannover Anfang September zur Abstimmung stehen. Zu diesen Vorschlägen gehört auch die Einführung einer Frauenquote für die Vorstände der Partei ab der Kreisebene und für die zukünftigen Listen der Partei für bevorstehende Parlamentswahlen. Schrittweise wird die Quote von einem Drittel über 40 Prozent auf 50 Prozent angehoben, die dann ab Mitte 2025 für alle Gliederungen der Partei verpflichtend gilt. Ich werde den Parteitag in Hannover um Zustimmung dazu bitten und zugleich eine Befristung bis Ende 2029 vorschlagen. Ich habe es häufig wiederholt: Eine Quote ist und bleibt die zweitbeste Lösung. Die beste Lösung wäre die angemessene Beteiligung von Frauen ohne verbindliche Regelungen dazu in unseren Statuten. Die niedersächsische CDU hat dies für die bevorstehenden Landtagswahlen so gemacht: Jeder zweite Platz auf der Landesliste ist mit einer Frau besetzt, in der Hälfte der Wahlkreise kandidieren Frauen. Aber leider wird dies nicht überall so praktiziert. Und deshalb müssen wir jetzt etwas mehr Verpflichtung in unsere Satzung aufnehmen, denn eines ist klar: Wir werden die nächsten Wahlen nur gewinnen, wenn wir jünger, vielfältiger und weiblicher werden. Wir kommen auf diesem Weg voran, und wir bekommen bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen Zustimmung für unseren Kurs. Aber wir müssen diesen Weg der Erneuerung konsequent weitergehen, deshalb habe ich mich auch zu einer Zustimmung für die vorgeschlagene Quote entschlossen. Und wenn wir es gut und richtig machen, dann ist die angemessene Beteiligung von Frauen in unseren Vorständen und den Parlamentsfraktionen in einigen Jahren so selbstverständlich, dass wir die Verpflichtung aus unserer Satzung auch wieder herausnehmen können. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende! Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, na endlich, so ist man geneigt zu sagen: In dieser Woche hat die EZB angekündigt, ganz behutsam und in kleinen Schritten im Verlauf des Jahres die Zinsen anzuheben. Vor allem: Die EZB beendet wie angekündigt den Ankauf der Staatsanleihen. Die Eurostaaten müssen sich in Zukunft wieder an den normalen Kreditmärkten verschulden. Genau das scheinen sie auch tun zu wollen. Der Schuldenstand in der Eurozone steigt immer weiter an, kaum ein Land hält die Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakt noch ein. Dabei wurde der vor ziemlich genau 25 Jahren beschlossen, um in wirtschaftlich guten Zeiten Spielräume zu schaffen, die in Krisensituationen genutzt werden können. Wenn aber schon in Zeiten mit stabilen Wachstumsraten und hohen Steuereinnahmen immer mehr Schulden gemacht werden, dann können größere Schocks wie die Corona-Pandemie oder die über Nacht als notwendig anerkannte Aufrüstung der Bundeswehr nur noch mit zweifelhaften Methoden finanziert werden: Im Falle von Corona durch eine hart am Rande des Zulässigen erfolgte Kreditaufnahme der EU in Höhe von mehreren Hundert Milliarden Euro, im Falle der Bundeswehr durch eine Ausnahme von der Ausnahme der Schuldenbremse des Grundgesetzes im Grundgesetz selbst. Hinzu kommen sogenannte „Rücklagen“ aus der Flüchtlingskrise des Jahres 2017 und ungenutzte Kreditermächtigungen aus dem Coronafonds des Bundes, die zusammengenommen noch einmal mehr als 100 Milliarden Euro weitere Schulden des Bundes ausmachen. So macht die gegenwärtige Bundesregierung in zwei Haushaltsjahren mehr Schulden als alle Bundesregierungen zusammen in den ersten 40 Jahren der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Die „Zeitenwende“ der Bundesregierung erschöpft sich damit in immer höheren Schulden und einer ansonsten vollkommen ungebremsten Ausgabendynamik, vor allem in der Sozialpolitik. Zugleich werden die Reste der Arbeitsmarktreformen der Jahre 2005 bis 2010 endgültig abgeräumt, von „Fordern und Fördern“ bleibt nur noch das Fördern mit immer höheren Zahlbeträgen – auch bei hartnäckiger Weigerung, in den Arbeitsmarkt zurückzukehren. Hohe Schulden, eine steil ansteigende Geldmenge, ein stagnierender Arbeitsmarkt und zugleich ein immer größer werdender Mangel an Arbeitskräften auf praktisch jeder Qualifikationsstufe sind ein gefährliches Gebräu. Und das alles mit einem Finanzminister, der der FDP angehört! Wir werden dafür als Gesellschaft einen hohen Preis zahlen, zunächst in einer sich verfestigenden Geldentwertung, sodann in einer Stagnation unserer Volkswirtschaft, die das Potenzial einer tieferen Rezession in sich trägt. Der Weg zurück auf den Pfad von Preisstabilität und wirtschaftlichem Wachstum, das wir beides brauchen, um die große Transformation zur Klimaneutralität hinzubekommen, wird sehr mühsam und in einer alternden Gesellschaft von Tag zu Tag immer schwerer durchzusetzen sein. Aus der „Fortschrittskoalition“ in Berlin ist innerhalb kürzester Zeit eine Regierung des Zauderns und Zögerns, des täglichen Streites und einer Geisterfahrt in der Wirtschafts- und Finanzpolitik geworden. Nur beim Geldausgeben scheint es überhaupt kein Halten zu geben. In der Inflationsrate spiegelt sich diese Politik. Ich wünsche Ihnen trotz allem ein schönes Wochenende! Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, der 3. Juni 2022 wird in die Geschichte der deutschen Verteidigungspolitik eingehen. In einem großen Kraftakt hat der Deutsche Bundestag 100 Milliarden Euro für die Ausrüstung und Aufrüstung der Bundeswehr zur Verfügung gestellt. In den Händen der Bundesregierung liegt jetzt eine zusätzliche Verantwortung. Denn mit jedem Euro, der aus diesem Sondervermögen ausgegeben wird, erhöht sich zugleich sukzessive die deutsche Staatsverschuldung. Um diesen Weg zu gehen, musste das Grundgesetz geändert werden, denn die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse und die darin enthaltenen Verschuldungsobergrenzen hätten diese hohe zusätzliche Verschuldung nicht erlaubt. Wir haben als Unionsfraktion dieser Grundgesetzänderung zugestimmt, da auch wir eine Mitverantwortung tragen für den gegenwärtigen Zustand der Bundeswehr. Die Betonung liegt auf Mitverantwortung, denn viele Vorschläge zur Verbesserung der Ausrüstung der Bundeswehr sind in den letzten Jahren an den Sozialdemokraten gescheitert, insbesondere am früheren Finanzminister Olaf Scholz. Dessen mittelfristige Finanzplanung sah sogar eine kontinuierliche Absenkung des Verteidigungsetats vor. Gut, dass es jetzt anders kommt. Damit sind aber die Probleme der Bundeswehr bei weitem noch nicht gelöst. Denn erst die Umsetzung aller notwendigen Schritte wird die wahre Qualität dieser neuen Finanzmittel für die Verteidigungsbereitschaft wirklich zeigen. Vor allem verlassen wir uns auf die feste Zusage des Bundeskanzlers, dass das Beschaffungswesen für die Bundeswehr gründlich überarbeitet wird. Vorschläge dazu gibt es, sie sind bisher am Personalrat des Beschaffungsamtes in Koblenz und der SPD in Rheinland-Pfalz gescheitert. Jetzt steht die Bundesregierung in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass das Geld auch an der richtigen Stelle und mit größter Sorgfalt ausgegeben wird. Nicht allein die möglichst schnelle Beschaffung von möglichst viel Großgerät muss im Vordergrund stehen, sondern die dauerhafte Einsatzfähigkeit aller Teile der Streitkräfte. Dazu gehört auch die Ersatzteilbeschaffung, die Wartung und nicht zuletzt die Ausbildung der Soldatinnen und Soldaten. Dann sind 100 Milliarden Euro auch schnell verbraucht. Und deshalb braucht es einen Aufwuchs der Mittel des Verteidigungsetats auch nach der Verwendung dieses Sondervermögens. Es entbehrt nicht einer gehörigen Tragik, dass sich vor allem SPD und Grüne erst mit Russlands Krieg zu dieser Kurskorrektur ihrer bisherigen Politik durchringen konnten. Ich wünsche Ihnen ein schönes Pfingstwochenende Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine verändert auch in Deutschland das politische Meinungsklima. In den letzten Jahren hatten CDU und CSU zunehmend Mühe, die Notwendigkeit der militärischen Landesverteidigung zu begründen. Auch innerhalb der Union hatte die Außen- und Sicherheitspolitik an Stellenwert eingebüßt, andere Themen rückten in den Vordergrund. Aber seit dem Morgen des 24. Februar 2022 wissen wir, dass Imperialismus und militärische Gewalt mit Macht zurückgekehrt sind auf den europäischen Kontinent. Die Bedrohung durch Waffen ist keine abstrakte Größe mehr, sondern reale Gefahr für die Freiheit in Europa. Eine selten große Mehrheit der Bevölkerung hält Verteidigungsfähigkeit und militärische Abschreckung wieder für unverzichtbar, um unser Land zu schützen. Allerdings gibt es ein sehr gespaltenes Meinungsbild zwischen Ost und West. Sowohl bei der NATO-Mitgliedschaft und den sich daraus ergebenen Verpflichtungen als auch bei der Frage nach Waffenlieferungen an die Ukraine stimmen in Ostdeutschland nur die Hälfte der Bevölkerung und noch weniger den zustimmenden Auffassungen im Westen zu. AfD und Linkspartei rekrutieren aus diesen Unterschieden ihre Wählerschichten im Osten. Wenn sich daraus nicht eine dauerhafte neue Spaltung zwischen Ost und West ergeben soll, dann muss vor allem die CDU mit außen- und sicherheitspolitischen Themen im Osten stärker präsent werden. Präsenz heißt dabei nicht Belehrung des Publikums von vorn; Präsenz heißt zunächst einmal zuzuhören und nach den Gründen für die Skepsis gegenüber NATO und Verteidigungsbereitschaft zu suchen. Auch die Bundeswehr ist gefragt, ihre Sichtbarkeit, aber auch ihre Dialogbereitschaft im Osten zu verbessern. 32 Jahre nach der staatlichen Einheit sehen wir gerade in diesen Wochen des Krieges noch einmal sehr deutlich, wie unterschiedlich unsere Prägungen und Lebenserfahrungen in Ost und West immer noch sind. Der Krieg in der Ukraine fordert die Politik heraus wie selten zuvor. Aber gerade das so unterschiedliche Meinungsbild in Deutschland zu den Antworten, die wir darauf politisch und militärisch geben wollen, bleibt eine besondere Verantwortung von Politik und Gesellschaft. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, die rot-grün-gelbe Bundesregierung ist seit gut einem halben Jahr im Amt. Seit fast der Hälfte dieser Zeit ist sie mit einer Herausforderung konfrontiert, die kaum größer sein könnte: einem Krieg in der unmittelbaren Nachbarschaft. Nur ein Krieg auf dem eigenen Territorium könnte eine noch größere Bewährungsprobe sein. Drei Tage nach dem Beginn des Krieges in der Ukraine gibt der Bundeskanzler eine Regierungserklärung im Deutschen Bundestag ab, die die eigene Koalition schockiert und der Welt Respekt abnötigt. Deutschland, so schien es, tritt an diesem Tag aus dem Schatten der eigenen Geschichte heraus und übernimmt Führungsverantwortung für sich und andere, so, wie es seiner Größe und Leistungsfähigkeit entspricht. An diesem Tag hätte der Bundeskanzler den Anfang setzen können für eine große und historisch bedeutsame Kanzlerschaft. Doch am Tag danach beginnt der Sinkflug aus einer Flughöhe, die der Kanzler nicht halten kann und ganz offenbar auch nicht halten will. Statt zügig und eigenhändig die Voraussetzungen für alle Entscheidungen zu treffen, die er angekündigt hat, die Embargos, die Ausrüstung der Bundeswehr, die Unterstützung der Ukraine, überlässt er alle diese Dinge den Mühlen des Apparates seiner Regierung. Während wenigstens die Bundesaußenministerin und der Bundeswirtschaftsminister in ihrem Verantwortungsbereich anpacken und umsetzen, auch Zweifel und Vorsicht im Vorangehen offen ansprechen, verirrt sich der Bundeskanzler in einem Entscheidungs- und Kommunikationswirrwarr, wie die Bürger es in normalen Zeiten schon kaum nachvollziehen könnten. In Kriegszeiten wird es zum Führungsdesaster. Dabei ist eine Verteidigungsministerin, die, kenntnisfrei und ambitionslos wie sie in der Verteidigungspolitik bis heute ist, lediglich dafür vorgesehen war, ein in der Partei des Bundeskanzlers ungeliebtes Amt proporzgerecht zu besetzen, und die nun mit Durchstechereien aus der Truppe gezeigt bekommt, was man dort von ihr hält, noch das kleinere Problem. Auch die Behauptung seiner in Wahlen und Umfragen auf das Niveau des Vorjahres abstürzenden Partei, der Bundeskanzler führe mit Ruhe und Besonnenheit, er habe eben nur leider ein Kommunikationsproblem, geht ziemlich genau am eigentlichen Problem vorbei. Der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, so muss man es nach gut 80 Tagen Krieg in der Ukraine feststellen, hat auf diese größte Bedrohung unserer Freiheit nach den beiden Weltkriegen lediglich tagespolitisch orientierte, taktische Antworten und zugleich keinerlei strategische Vorstellung von dem, wie eine politische Ordnung für Deutschland und Europa nach diesem Krieg aussehen könnte. Nur so lassen sich seine unklaren und widersprüchlichen Einlassungen zur Zukunft Europas und zu den Waffenlieferungen aus Deutschland an die Ukraine zumindest teilweise erklären. Er kennt die tiefen Verbindungen seiner Partei nach Russland und neben den ökonomischen Abhängigkeiten einiger ihrer Repräsentanten vor allem die über Jahrzehnte gewachsenen und gepflegten emotionalen Bindungen der SPD, die bis auf wenige Ausnahmen immer stärker waren als die in die USA. Die SPD ist bis heute gefangen in ihrer Ambivalenz zwischen Russland und dem durch Amerika geprägten Westen. Klaus von Dohnanyi, einer seiner Vorgänger im Amt des Hamburger Bürgermeisters und langjähriges Mitglied der Bundesregierung, spricht in diesen Tagen offen aus, wie stark dieses trügerisch-naive Selbstbild der SPD immer noch ist, einschließlich eines offenen Anti-Amerikanismus, wie er erschreckend ähnlich in AfD und Linkspartei nicht besser vorgetragen werden könnte. Und genau da liegt das Führungsproblem von Olaf Scholz: Er müsste den offenen Bruch mit diesem Denken seiner eigenen Partei riskieren und sie aus den naiven Träumereien der Vergangenheit herausreißen, so, wie es Helmut Schmidt vor genau 40 Jahren mit dem NATO-Doppelbeschluss schon einmal versucht hat. Aber dazu fehlt ihm die Kraft und vermutlich auch die eindeutige Überzeugung. Er zeigt sich nach einer starken Rede am 27. Februar als das, was er immer schon war, als Taktiker der Macht. Führung in einer Zeitenwende sieht gänzlich anders aus. Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |