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19.05.2024 Liebe Leser, der amerikanische Präsident hat in dieser Woche mit großer Geste angekündigt, die Importzölle auf chinesische Importe in die USA von 25 Prozent auf 100 Prozent zu erhöhen. Betroffen sind unter anderem Elektroautos, Batterien und Solarzellen. Auch die EU plant, die bisherigen Zölle auf chinesische E-Fahrzeuge von 10 Prozent auf 25 bis 30 Prozent anzuheben, möglicherweise noch bevor die laufende Antisubventionsuntersuchung der EU-Kommission abgeschlossen ist. Man wird wohl sagen müssen, dass vor allem mit der Entscheidung der amerikanischen Regierung in dieser Woche eine lange Zeit des mehr oder weniger offenen Welthandels zu Ende geht und wir in eine Phase weiter zunehmender Handelskonflikte eintreten. Die Ankündigung von Importzöllen stößt beim eigenen Wahlpublikum regelmäßig auf große Zustimmung. Das war schon unter Trump so, und auch Präsident Biden folgt dem öffentlichen Druck, der in den USA immer weiter befeuert wurde. In der Handelspolitik gibt es zwischen Republikanern und Demokraten auch eine ansonsten selten gewordene Übereinstimmung, sie unterscheiden sich lediglich in der Radikalität, mit der sie Wettbewerber von außen vom eigenen Markt fernhalten wollen. Die Botschaft an das heimische Publikum lautet regelmäßig: Wir schützen unsere Arbeitsplätze gegen die Billigkonkurrenz aus dem Ausland. Und das kommt natürlich gut an. Allerdings müssen Importzölle nicht von den betroffenen Herstellern der importierten Waren bezahlt werden, sondern von den Konsumenten des eigenen Landes - also des Landes, das die Zölle erhebt. Diesen Preiseffekt verschweigen Trump und Biden gern, und er spielt in der Diskussion um Importzölle in die EU auch bei uns keine besondere Rolle. Nun gibt es durchaus Gründe für die Erhebung von Zöllen, insbesondere dann, wenn die Hersteller aus dem Ausland mit unfairen Handelspraktiken arbeiten. Dazu zählen vor allem Subventionen und Exportbeihilfen im Herstellerland. Die EU hat daher zu Recht ein Antisubventionsverfahren gegen solche (vermuteten) Subventionen in China eröffnet. Allerdings fehlt uns heute ein wirksamer, international anerkannter Streitschlichtungsmechanismus, denn die Welthandelsorganisation WTO, der China im Jahr 2001 beigetreten ist, ist weitgehend wirkungslos, die USA verweigern seit Jahren der Benennung von neuen Richtern die Zustimmung. Handelskonflikte werden also ausgetragen ohne eine Instanz, die schlichten könnte. Und damit wird eine Spirale in Gang gesetzt, die am Ende niemandem nutzt und allen schadet. Die Europäische Union sollte daher mit der möglichen Verschärfung von Importzöllen sehr zurückhaltend umgehen. Die USA und China werden sonst ihrerseits reagieren und Zölle erheben und vorhandene Zölle noch weiter anheben. Auch wenn die jetzige Phase der Handelspolitik in die andere Richtung zeigt, sollte die EU grundsätzlich festhalten an ihrer Überzeugung, dass offene Märkte und ein freier Welthandel am ehesten geeignet sind, Wohlstand und Wachstum zu ermöglichen. Im Übrigen wissen wir aus der Wirtschaftsgeschichte: Dort, wo Handelskonflikte offen ausbrechen, sind oftmals weitere Konflikte bis hin zum Krieg nicht weit. Ich wünsche Ihnen ein frohes und segensreiches Pfingstwochenende! Ihr Friedrich Merz |
12.05.2024 Lieber Leser, der „Geruch von Weimar“ liege in der Luft, so wird der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann in diesen Tagen zitiert, befragt nach seiner Bewertung der Angriffe auf Politiker verschiedener Parteien in den letzten Tagen. Es gibt keine lebenden Zeitzeugen mehr, die aus eigenem Erleben beschreiben können, wie insbesondere die Weltwirtschaftskrise des Jahres 1929 dazu beigetragen hat, dass die Weimarer Republik keinen Bestand haben konnte. Aber wir wissen aus den Geschichtsbüchern, dass die parteipolitischen Auseinandersetzungen mit dem Auftauchen uniformierter, paramilitärischer Strukturen im Umfeld der 1920 gegründeten NSDAP sehr viel härter und brutaler wurden. Vor allem die SA, die Schlägertruppe der Nazis, entwickelte sich zu einer in braune Hemden gekleideten Massenorganisation, die die Aufmärsche der Nationalsozialisten organisierte und damit einen ganz erheblichen Anteil trug an der Radikalisierung der politischen Meinungsbildung in der Spätphase der Weimarer Republik und damit den Boden bereitete für Hitlers „Machtergreifung“. Von einer solchen Entwicklung sind wir im 75. Jahr des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland weit entfernt. Ohne Zweifel, die politisch motivierten Übergriffe auf Abgeordnete und Wahlkreisbüros haben in den letzten Jahren zugenommen und ein Besorgnis auslösendes Maß angenommen. Aber das alles ist nicht „Weimar“. Die politische Mitte existiert – im Gegensatz zur Weimarer Republik – in großer Bandbreite, und von einer Massenorganisation ist die AfD ebenfalls weit entfernt. Das alles heißt aber nicht, dass wir uns nicht Gedanken machen müssen, wie wir denn mit der zunehmenden Gewaltbereitschaft in unserer Gesellschaft umgehen müssen. Politisch motivierte Gewalt trifft seit Jahren bevorzugt Mandatsträger auf der kommunalen Ebene. Deren Schutz kann – im Gegensatz zu Bundes- und Landespolitikern – die Polizei nicht pauschal übernehmen. Deshalb kommt es gerade auf der kommunalen Ebene darauf an, dass sich Kommunalvertreter untereinander um ein vernünftiges, an der Sache orientiertes Arbeitsklima bemühen und den parteipolitischen Streit in den Hintergrund treten lassen. Parteipolitische Meinungsunterschiede sind in der Landes- und Bundespolitik wie in der Europapolitik aber geradezu institutionelle Voraussetzung für unsere Demokratie. Das heißt nicht, dass nicht auch in der Landespolitik, in der Bundespolitik und in der Europapolitik Kompromisse möglich sein müssen, ja ebenfalls geradezu institutioneller Bestandteil unserer Demokratie sind. Kompromisse müssen auch unabhängig von politischen Mehrheiten möglich sein, vor allem dann, wenn es um wichtige politische Weichenstellungen geht, die länger halten sollen als eine Wahlperiode. Deshalb war es für die politische Stimmung im Land ein so schwerer Fehler der Ampel, das Wahlrecht in dieser Legislaturperiode mit knappen Mehrheiten gegen die Opposition durchzusetzen. Das war nicht nur schlechter Stil. Mit dem Wahlrecht der Ampel sollten die Spielregeln im eigenen Interesse verändert werden. Deshalb sind wir gegen dieses Wahlrecht nach Karlsruhe gegangen. Ein über Parteien und Fraktionen hinweg gemeinsam beschlossenes Wahlrecht wäre auch die Chance gewesen zu zeigen, dass sich die demokratischen Parteien der Mitte in wesentlichen Fragen unserer Demokratie noch einigen können. Wenn das nicht mehr möglich ist, dann werden die Ränder links und ganz rechts den Nutzen davontragen. Eine parlamentarische Demokratie setzt Gemeinsamkeiten in der Mitte voraus. Das Strafgesetzbuch allein ist dafür die falsche Gebrauchsanweisung. Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
05.05.2024 Liebe Leser, morgen beginnt der 36. Bundesparteitag der CDU Deutschlands. Zum siebten Mal in der Geschichte der CDU insgesamt findet ein Bundesparteitag in Berlin statt. Von diesem Parteitag der CDU wird ein kraftvolles Zeichen der Erneuerung und der Geschlossenheit der CDU ausgehen. Wir haben in den letzten zweieinhalb Jahren nach der verlorenen Bundestagswahl hart gearbeitet. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion musste nach vielen Jahren als Regierungsfraktion wieder lernen, die Arbeit in der Opposition zu machen. Die Ampelregierung hat uns diese Arbeit erleichtert. Aber Opposition von heute ist nur dann Regierung von morgen, wenn die Wählerinnen und Wähler nicht nur erkennen wogegen, sondern auch wofür eine Partei steht. Diesen Auftrag haben die beiden Unionsparteien aufgenommen und umgesetzt. Die CSU hat bereits im letzten Jahr ein neues Grundsatzprogramm verabschiedet – und wir, die CDU, tun dies am Dienstag der vor uns liegenden Woche. „In Freiheit leben“ so soll die Überschrift des neuen Grundsatzprogramms lauten, „Deutschland sicher in die Zukunft führen“ der Untertitel. Damit sind schon im Titel die beiden wichtigsten Aufgaben skizziert, die uns für die nahe und fernere Zukunft gestellt sind: Wir müssen unsere Freiheit verteidigen gegen die Feinde von innen und außen, und wir müssen im umfassenden Sinne für Sicherheit sorgen. Das alles geht nur, wenn wir die Bereitschaft zeigen, unser Land auch zu führen. Nicht weil wir nach politischen Ämtern streben, sondern weil wir der festen Überzeugung sind, dass auch und gerade in einer Demokratie politische Führung notwendig ist. Führung heißt für uns vor allem Verantwortung zu übernehmen für das, wofür unser Land steht und vor allem für die Richtung, in die sich unser Land entwickeln soll. 1.001 Delegierte werden am Dienstag über unser neues Grundsatzprogramm entscheiden. Wir werden eine intensive Diskussion miteinander führen, denn es sind über 2.000 Änderungsanträge gestellt worden. Am Ende wird wieder ein klares Profil der der CDU stehen und vor allem ein deutlicher Unterschied klar werden zu den Parteien der Ampelregierung. Wir treten geschlossen für den Erhalt und die Weiterentwicklung unseres Landes als ein freiheitlicher Rechtsstaat ein, der auch in Zukunft eine lebenswerte Grundlage für alle Generationen in unserem Land schafft und der sich bereit zeigt, den Feinden unserer Demokratie mit Entschlossenheit entgegenzutreten. Sie können unseren Parteitag die gesamte Zeit unter anderem auf CDU.de verfolgen! Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
28.04.2024 Liebe Leser, Emmanuel Macron ist selten um klare Worte verlegen. In dieser Woche hat er an der Sorbonne in Paris nach 2017 seine zweite große Europa-Rede gehalten. Und so wie 2017 will er auch mit dieser Rede Frankreich und Europa aufwecken und uns die Defizite und Versäumnisse der europäischen Politik vor Augen führen. Europa sei „sterblich“, so sagte er, ebenso düster, wie er vor einigen Jahren die NATO schon einmal für „hirntot“ erklärt hatte. Diese Wortwahl steht in einem krassen Gegensatz zu den Reden, die wir in Deutschland von der Bundesregierung hören. Die Wahrheit liegt vermutlich irgendwie in der Mitte, denn die NATO hat sich als durchaus handlungsfähig und lebendig erwiesen, allerdings so richtig erst nach dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Und die Europäische Union ist in keiner besonders guten Verfassung, sie besinnt sich aber – herausgefordert durch zahlreiche Krisen der letzten Jahre – ebenfalls auf ihre Stärken und findet zunehmend auch die richtige Balance zwischen „Mehr im Großen und weniger im Kleinen“. Aber was folgt nun aus dieser Rede von Macron für Europa und vor allem für uns Deutsche? Innerhalb der EU und zwischen der EU und der NATO werden seit geraumer Zeit die Prioritäten neu geordnet, und das ist auch dringend notwendig. Die EU und der europäische Pfeiler der NATO werden allerdings nur dann dauerhaft gestärkt und in vollem Umfang handlungsfähig sein, wenn Deutschland und Frankreich wieder zu einer besseren Zusammenarbeit finden. Der Bundesverteidigungsminister hat in dieser Woche mit seinem französischen Amtskollegen die gemeinsame Entwicklung eines modernen Kampfpanzers konkretisiert. Das ist ein gutes Zeichen für eine solche Zusammenarbeit, die uns endlich die Stückzahlen und die Vereinheitlichung von Standards bringen kann, die lange überfällig ist. Kampfpanzer sind allerdings nur ein kleiner Ausschnitt aus der breiten Palette der Themen, die uns mit Frankreich wieder enger verbinden sollten und die seit Macrons erster Sorbonne-Rede aus Deutschland bisher unbeantwortet geblieben sind. Jenseits der konkreten Projekte im Einzelnen geht es vor allem um eine Frage: Werden wir Europäer in den nächsten Jahren gemeinsam so handlungsfähig und stark, dass wir uns den Bedrohungen unserer Freiheit, die wir unter anderem aus Russland, aus China, aus Nordkorea und aus dem Iran überdeutlich erkennen können, gemeinsam erwehren können? Dazu braucht es Mut und Entschlossenheit. Beides hat Macron ohne Zweifel. Und vielleicht hilft uns Deutschen ein Blick in die französische Philosophie, um die Antwort auch für uns zu finden. „Feigheit ist die Mutter aller Grausamkeiten“ – so hat es der französische Philosoph Michel de Montaigne im 16. Jahrhundert gesagt. Angesichts der Herausforderungen, vor denen wir stehen, dürfen wir nicht ängstlich und nicht feige werden. Und deshalb verdient Macrons Rede von dieser Woche eine kraftvolle und überzeugende Rede zu Europa auch aus Deutschland. Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
20.04.2024 Liebe Leser, „Die Deutschen arbeiten so viel wie nie zuvor“ – so und ähnlich lauteten die Überschriften in vielen Nachrichten der letzten Woche über eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Das DIW hatte untersucht, wie sich Arbeitszeiten und Beschäftigungsverhältnisse seit der Wiedervereinigung in Deutschland entwickelt haben. Die tatsächlichen Ergebnisse der Studie zeigen, dass die gewählte Überschrift in den Medien zumindest grob missverständlich ist. Richtig ist, dass im wiedervereinigten Deutschland insgesamt noch nie so viel gearbeitet wurde wie im Jahr 2023, nämlich fast 55 Milliarden Stunden. Aber auch die Zahl der Beschäftigten war mit rund 46 Millionen Menschen im letzten Jahr so hoch wie nie zuvor. Die durchschnittlichen Arbeitszeiten der Beschäftigten gehen seit der Wiedervereinigung allerdings – mit leichten Schwankungen um die Jahrtausendwende – kontinuierlich zurück. Und noch eine Zahl ist interessant: Seit der Wiedervereinigung hat die Erwerbsbeteiligung der Frauen zwar deutlich zugenommen; aber gerade Mütter würden ihre Arbeitszeiten gern ausweiten. Aus diesen Daten gilt es politische Schlussfolgerungen zu ziehen. Die eine ist: Wir arbeiten allenfalls alle zusammen „so viel wie nie zuvor“, auf jeden einzelnen von uns trifft dies aber im errechneten Durchschnitt gerade nicht zu. Im Gegenteil, wir arbeiten weniger als noch vor 30 Jahren, und dies wird im internationalen Vergleich der Jahresarbeitszeiten besonders augenfällig. So arbeiten die Schweizer mit rund 1.400 Stunden im Jahr gut 100 Stunden mehr als wir, bei den Vollzeitarbeitnehmern sind es sogar fast 200 Stunden mehr im Jahr! Das ist grob gerechnet rund eine Stunde am Tag mehr als in Deutschland. Neben vielen weiteren Faktoren dürfte diese eine Stunde den Unterschied machen zwischen Deutschland und der Schweiz – im Volkseinkommen, beim Wohlstand und bei der sozialen Absicherung. Die zweite Schlussfolgerung der DIW-Studie betrifft die Frauenerwerbsquote, vor allem die Erwerbsquote der Mütter. Wenn es deren berechtigter Wunsch ist, mehr zu arbeiten und damit auch mehr zum Familieneinkommen beizutragen, dann geht dies nur mit besser Betreuungs- und Bildungsinfrastruktur für die Kinder. Das Geld, das Teile der Ampel immer noch für die sogenannte „Kindergrundsicherung“ einplanen, einschließlich der 5.000 neu vorgesehene Stellen in den Behörden, die das verwalten sollen, wäre mehrfach besser angelegt im beschleunigten Ausbau von Kindertagesstätten und Kindervorschulen. Denn dort können die Kinder in kleinen Gemeinschaften heranwachsen und weitere Sozial- und Sprachfähigkeiten erwerben. Und ihre Eltern, vor allem die Mütter könnten ihre beruflichen Fähigkeiten weitaus besser nutzen. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende Ihr Friedrich Merz |
14.04.2024 Liebe Leser, wenigstens für ein paar Stunden konnten sich die Ampelfraktionen in dieser Woche über einen gefundenen Kompromiss freuen: Der Bundeskanzler rang der FDP das Zugeständnis ab, die „Mietpreisbremse“ zu verlängern. Dafür gestand er der FDP zu, auf die Speicherung von IP-Adressen im Internet als Beweismittel in Strafverfahren zu verzichten, obwohl die Bundesinnenministerin seit Monaten dafür wirbt, die Strafverfolgung mittels der gespeicherten IP-Adressen vor allem im Bereich der sogenannten Kinderpornografie zu ermöglichen. Kleine Ironie am Rande: Die Einigung zwischen Kanzler und FDP erfolgte genau an dem Tag, an dem die Bundesinnenministerin die Polizeiliche Kriminalstatistik für das Jahr 2022 vorstellte. Mietpreisbremse gegen wirksame Strafverfolgung beim Kindesmissbrauch – so sieht der triste Alltag der Ampelkoalition mittlerweile aus, wenn sie überhaupt noch zu einer gemeinsamen Politik zusammenfindet. Dabei ist die Speicherung der IP-Adressen seit September 2022 vom Europäischen Gerichtshof zur Bekämpfung schwerer Kriminalität ausdrücklich zugelassen worden, obwohl vor allem die FDP bis dahin immer das Gegenteil behauptet hat. Der Missbrauch von Kindern und die Verbreitung von Pornografie mit Kindern ist so ziemlich das Widerlichste an Straftaten, mit denen Gerichte und Strafverfolgungsbehörden befasst sind. Aber die Straftäter können seit dieser Woche aufatmen: Obwohl das deutsche Bundeskriminalamt in großer Zahl Hinweise auf strafrechtlich relevante Vorgänge vom US-amerikanischen National Center for Missing and Exploited Children (NCMEC) erhält, mussten im Jahr 2022 rund 20.000 strafrechtlich relevante Vorgänge aus dem Bereich der Kinderpornografie eingestellt werden, weil es keine Möglichkeit gab, die Tatverdächtigen zu identifizieren. Diese Identifikation wäre in vielen Fällen mithilfe der IP-Adressen möglich gewesen. Die Zustimmung der FDP zur Verlängerung der Mietpreisbremse reiht sich ein in die Vielzahl der Zugeständnisse, die die Freien Demokraten trotz gegenteiliger Beteuerung in der Sache seit Beteiligung an der Ampel gemacht haben und weiter machen. Mit marktwirtschaftlichen Überzeugungen hat das nichts mehr zu tun, und es bewirkt ja in der Sache auch das Gegenteil von dem, was das Land so dringend braucht: Unter diesen Bedingungen werden eben nicht mehr, sondern immer weniger Wohnungen gebaut. Aber welche „liberalen“ Überzeugungen bringen die FDP dazu, den Strafverfolgungsbehörden eines der wichtigsten Instrumente der Strafverfolgung in einem Strafbereich vorzuenthalten, in dem die Seelen unserer Kinder – von den körperlichen Misshandlungen ganz zu schweigen – so verletzt werden wie im Bereich der Sexualstraftaten? Welche Wählergruppen will die FDP denn mit dieser Politik erreichen? Die am Dienstag veröffentlichte Kriminalstatistik gibt schon genug Grund und Anlass zur Besorgnis. Die politische Behinderung der Strafverfolgung des Missbrauchs von Kindern macht fassungslos. Mit trotzdem besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
07.04.2024 Liebe Leser, Wirtschaft und Politik stehen immer in einem gewissen Spannungsverhältnis zueinander. Auch mit den Gewerkschaften gibt es mal größere und mal weniger große Übereinstimmungen. Aber die Politik muss zu den Unternehmensvertretern und ihren Verbänden ein ebenso kritisch-konstruktives Gesprächsklima pflegen wie zu den Arbeitnehmern und ihren Organisationen. In dieser Woche hat es allerdings ein in dieser Form und Deutlichkeit bisher nicht gekanntes, öffentliches Misstrauensvotum der Wirtschaft gegenüber der Ampelregierung gegeben. Der BDI-Präsident spricht von „zwei verlorenen Jahren“ in der Wirtschaftspolitik, der Arbeitgeberpräsident hat schon vor mehreren Wochen erklärt, es mache keinen Sinn mehr, mit der Regierung zu sprechen. Selbst der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, schon von der Institution her zur Zurückhaltung verpflichtet, stimmt ein in diese Kritik. Ganz offensichtlich ist die Stimmung in der deutschen Wirtschaft deutlich schlechter als dies von der Regierung wahrgenommen wird. BDI, BDA und DIHT beklagen aber nicht nur die Lage in den Unternehmen. Es verbreitet sich unter den Repräsentanten der deutschen Wirtschaft ein Klima von Resignation und Frust über die Art des Umgangs. Die Arbeitskosten in den Unternehmen steigen immer weiter, die Bürokratielasten nehmen mit fast jedem Gesetz der Ampel zu, die Energiekosten bleiben trotz vieler gegenteiliger Versprechen zu hoch und über die Steuern wird mit geradezu destruktiver Lust gestritten. Aber es gibt offensichtlich überhaupt kein Format mehr, wie die Wirtschaft mit der Regierung über diese Themen sprechen kann. Nach zweieinhalb Jahren Ampel muss sich die Wirtschaft in Deutschland wohl darauf einstellen, dass jedenfalls kurzfristig keine Besserung in Sicht ist. Dabei könnten in den genannten Bereichen – Arbeitskosten, Bürokratielasten, Energiekosten und Steuern – relativ schnell Entlastungen erfolgen. Diese Entlastungen wären nur zum Teil haushaltswirksam, und dort, wo sie es wären, müsste die Bundesregierung zwei Jahre nach der „Zeitenwende“ nun endlich einmal Prioritäten setzen. Einsparungen im Bundeshaushalt wären vor allem beim sogenannten „Bürgergeld“ möglich als auch bei den angewachsenen Subventionstöpfen für die „Transformation“ unserer Volkswirtschaft hin zur Klimaneutralität. Wir brauchen eine Sozialpolitik, die den wirklich Bedürftigen hilft und die Arbeitsfähigen zur Aufnahme einer Beschäftigung ermutigt; und wir brauchen eine Wirtschaftspolitik, die die Wettbewerbsfähigkeit aller Unternehmen stärkt, nicht nur die, deren Erhalt sich die Regierung wünscht. Aber das sind eben zwei vollkommen andere Modelle der Sozialpolitik und der Wirtschaftspolitik gegenüber der gegenwärtigen Regierungspolitik. Wenn darüber zwischen der Regierung und den Vertretern der Wirtschaft noch nicht einmal mehr vernünftig gesprochen wird, dann dürfte sich der Trend einer strukturellen Wachstumsschwäche unserer Volkswirtschaft in den nächsten Monaten eher verfestigen. Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
29.03.2024 Liebe Leser, dieser Text hat es in sich, und er wird die SPD – hoffentlich – noch lange beschäftigen. Fünf Historikerinnen und Historiker um den emeritierten, national und international hoch angesehenen Geschichtswissenschaftler Heinrich August Winkler, selbst Mitglied der SPD, haben der Führung der SPD vor einigen Tagen einen Brief geschrieben. Sie fordern die Partei darin dringend auf, ihren Kurs in der Russlandpolitik zu korrigieren. Denn genau darum geht es den Autoren. Sie geben keinen Rat, welche Waffen wann und wohin geliefert werden sollen. Sie gehen aber hart ins Gericht mit dem Bild, das große Teile der SPD offenbar immer noch von Russland haben. Der letzte Auslöser des Briefes dürfte die Aufforderung des Fraktionsvorsitzenden der SPD, Rolf Mützenich, in der vorletzten Woche im Deutschen Bundestag gewesen sein, man müsse jetzt über ein „Einfrieren“ des Krieges nachdenken. Ein Einfrieren des Ukraine-Krieges, so schreiben die Verfasser des Briefes, würde „faktisch eine Beendigung zugunsten des Angreifers“ bedeuten. Alles in allem bescheinigen die Historiker der SPD-Führung und mit ihr dem Bundeskanzler eine „hochgefährliche Realitätsverweigerung.“ Vermutlich werden wir in den nächsten Tagen trotzdem viele Funktionäre der SPD und der politischen Linken und Rechten in vorderster Front bei den „Ostermärschen“ mitlaufen sehen. Gerade in diesem Jahr, dem dritten Kriegsjahr in der Ukraine, dürfte die Friedenssehnsucht vieler Menschen im Lande besonders ausgeprägt sein. Und deshalb ist für den Frieden zu demonstrieren ja auch alles andere als verwerflich. Wir alle wollen Frieden und vor allem Freiheit für unser Land und für ganz Europa. Aber über die Voraussetzungen für einen dauerhaften Frieden müssen wir schon noch sprechen, und da ist Friedfertigkeit allein keine ausreichende Antwort. In der Ukraine könnte morgen am Tag Frieden herrschen – wenn das Land aufhört sich zu verteidigen. Das wäre der Diktatfrieden zu Putins Bedingungen. Es könnte aber auch sofort Friede herrschen, wenn Putin die Waffen schweigen lässt. Das wäre Friede in Freiheit für die Ukraine. Es wäre daher sehr zu wünschen, dass sich die Ostermarschierer in diesem Jahr vor allem an Putin und sein Regime in Moskau richten und ihn auffordern, den Angriffskrieg gegen die Ukraine sofort zu beenden. Alles andere wäre auch bei den Ostermarschierern eine „hochgefährliche Realitätsverweigerung.“ So werden wir mit den Realitäten im Blick und dem Friedenswunsch im Herzen Ostern in diesem Jahr am ehesten angemessen feiern können. Ostern ist das höchste Fest im Kirchenjahr, das Fest der Auferstehung von Jesus Christus. Die österliche Botschaft gilt auch über das Osterfest hinaus. Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien daher trotz aller Krisen und Konflikte, die uns täglich in den Nachrichten begegnen, ein friedvolles und frohes Osterfest, auf dass wir den nächsten Wochen und Monaten mit der Hoffnung auf Frieden in unserer Welt entgegensehen können. Herzlich Ihr Friedrich Merz |
24.03.2024 Liebe Leser, die Ampel hält sich viel darauf zugute, nun endlich den Konsum von Cannabis zu „entkriminalisieren“. Gegen den Rat fast aller Fachleute aus der Medizin, der Psychiatrie, der Kinder- und Jugendhilfe, der Kriminologen, der Polizei und nicht zuletzt der Justiz hat die Ampel am letzten Freitag für die hoch umstrittene Freigabe des Anbaus und Konsums von Cannabis auch die letzte gesetzgeberische Hürde genommen: Im Bundesrat kam eine Mehrheit für die von Bayern beantragte Anrufung des Vermittlungsausschusses nicht zustande. Da der Bundesrat dem Gesetz nicht zustimmen musste, sondern nur einen Einspruch hätte einlegen können, wirkten die Enthaltungen der von der CDU mitregierten Länder, zu denen die jeweiligen Koalitionsverträge verpflichten, wenn es keine Einigung gibt, wie eine Nein-Stimme gegen die Anrufung des Vermittlungsausschusses. Damit tritt das Gesetz am 1. April in Kraft, wenn der Bundespräsident es unterschrieben hat. Zu den Risiken und Nebenwirkungen des Gesetzes können jetzt nicht nur Ärzte und Apotheker gefragt werden, sondern auch die Landesjustizverwaltungen. Auf die Amts- und Landgerichte kommt eine Welle von Wiederaufnahmeverfahren zu, da die Ampel die „Entkriminalisierung“ auch rückwirkend geregelt hat. Allein das Land Nordrhein-Westfalen rechnet mit bis zu 60.000 Verfahren, in denen es nicht nur einfach rückwirkend um die Aufhebung von strafrechtlichen Verurteilungen gehen wird, sondern auch um neue Gesamtstrafen, wenn weitere Straftaten abgeurteilt wurden, die oftmals im Zusammenhang mit dem nunmehr straffreien Cannabis-Genuss standen, wie Gewalt- und Einbruchsdelikte. Nach der abgeschlossenen Wiederaufnahme der Strafverfahren müssen die Eintragungen im Bundeszentralregister korrigiert werden, ebenfalls eine Mammutaufgabe für die Justiz. Und mit der Straffreiheit hat die Ampel trotz nachdrücklicher Mahnungen der Verkehrsrechtsexperten noch überhaupt nicht festgelegt, welche konkreten Grenzwerte der Inhaltsstoffe von Cannabis denn ab dem 1. April im Straßenverkehr gelten sollen. So kommt auf die ohnehin hoch belastete Justiz in Deutschland schon bald eine große Welle von zusätzlichen Verfahren zu, für die zusätzliches Personal vor allem bei den Amtsgerichten eingestellt werden muss. Und im Straßenverkehr gibt es neue Risikofaktoren durch bekiffte Autofahrer, deren Verurteilung auf absehbare Zeit erst möglich sein wird. Bei Alkohol im Straßenverkehr geht der Gesetzgeber seit langem schon zu Recht den gegenteiligen Weg einer abstrakten Gefährdung und Fahruntauglichkeit schon bei geringen Mengen Blutalkoholgehalt. Mit der Straffreiheit des Cannabis-Konsums hat die Ampel also nicht nur einen äußerst zweifelhaften Schritt unternommen gegen die Gesundheit vor allem von Jugendlichen und Heranwachsenden; sondern sie beschädigt mit der Freigabe von Cannabis auch unseren Rechtsstaat und erzeugt neue Bürokratielasten in einem bislang nicht absehbaren Ausmaß. Viele Ministerpräsidenten haben beide Aspekte mehr oder weniger deutlich zum Ausdruck gebracht, als der Bundesrat mit dem Gesetz befasst war. Aber der Schaden für die Gesellschaft und die Justiz in unserem Land war den SPD-geführten Ländern offenbar weniger wichtig als der Zusammenhalt einer Ampelkoalition, die sich ansonsten kaum noch in einem politischen Projekt einig wird. Warum hat eigentlich der Bundesjustizminister zu alledem geschwiegen? Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
17.03.2024 Liebe Leser, der deutsche Aktienindex DAX 40 steigt von Rekord zu Rekord. Vor wenigen Wochen erst stand er bei 17.000 Zählern, in der letzten Woche erreichte er die 18.000. Zugleich schwächelt die deutsche Wirtschaft, 2023 ist sie sogar geschrumpft, die Wachstumsaussichten für 2024 bewegen sich um die Null-Linie. Wie passt das zusammen? Der deutsche Aktienindex bildet die Wertentwicklung der 40 größten börsennotierten deutschen Aktiengesellschaften ab. Er ist also zunächst einmal kein repräsentativer Querschnitt der gesamten deutschen Wirtschaft. Aber auch die 40 DAX-Unternehmen sind für sich genommen keine „deutschen“ Unternehmen. Sie haben zwar alle ihren Sitz in Deutschland (und manches Mal einen zweiten außerhalb Deutschlands), aber Umsatz und Ertrag dieser Unternehmen werden weltweit gemessen. Und hier lohnt sich ein tieferer Blick in die Bilanzen: Die Umsätze dieser Unternehmen werden im gewichteten Durchschnitt allenfalls noch zu einem Viertel in Deutschland erzielt, und noch bescheidener sieht es bei den Erträgen aus. Ohne das Auslandsgeschäft wären die meisten klangvollen Namen der deutschen Industrie längst vom Kurszettel verschwunden, einige hält nur noch das Auslandsgeschäft am Leben. So hat das größte deutsche Chemieunternehmen im letzten Jahr zwar weltweit ein Ergebnis von 3,8 Milliarden Euro erzielt, in Deutschland aber zugleich einen Verlust von 1,2 Milliarden Euro hinnehmen müssen. Dieses Verhältnis zwischen Gewinnen im Ausland und Verlusten im Inland fällt bei vielen Unternehmen nicht ganz so drastisch aus. Aber es gibt eine weitere Zahl, die uns alarmieren muss: Seit einigen Tagen liegen die vorläufigen Statistiken über die deutschen Auslandsinvestitionen im letzten Jahr vor. Schon im Jahr 2022 hatten wir mit 130 Milliarden Dollar den größten Kapitalabfluss aus Deutschland zu verzeichnen, der je gemessen wurde. Und auch im Jahr 2023 liegt dieser Betrag wieder bei fast 100 Milliarden Dollar. Dieser Kapitalabfluss kommt bei weitem nicht nur von den börsennotierten Aktiengesellschaften, sondern auch und vor allem aus den vielen Tausend mittelständischen und kleineren Unternehmen. Und ganz anders als die international tätigen Unternehmen hat der deutsche Mittelstand vor allem ein lokales und nationales Geschäft. Der Mittelstand ist also auf Deutschland angewiesen und kann nur begrenzt ausweichen. Deshalb sollten wir uns nicht von den Rekorden des DAX blenden lassen: Die deutsche Wirtschaft steckt in einer tiefen strukturellen Wachstumskrise, und die lässt sich nicht mit ein paar wenigen Retuschen korrigieren. Der deutsche Standort hat immer noch große Vorteile, aber wir können sie nur nutzen, wenn zeitgleich an mindestens vier Stellschrauben die Kostenbelastungen korrigiert werden: bei den Arbeitskosten, bei den Bürokratiekosten, bei den Energiekosten und bei den Steuern. Daraus muss eine Agenda 2030 für den Standort Deutschland werden. Noch ist es dafür nicht zu spät. Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
10.03.2024 Liebe Leser, die nach jahrzehntelanger Fahndung erfolgte Festnahme der Terroristin Daniela Klette wirft ein Schlaglicht auf den in Deutschland immer noch vorhandenen und wieder erstarkenden Linksterrorismus. Klette hätte sich ohne Hilfe aus einem Unterstützerumfeld, dem ihre Identität bekannt war, nicht so lange versteckt halten können. Das gleiche gilt für die beiden immer noch auf der Flucht befindlichen Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg, von denen sich offenbar zumindest einer ebenfalls längere Zeit in Berlin versteckt halten konnte. Bei beiden muss man davon ausgehen, dass sie – wie Klette – über ein größeres Waffenarsenal verfügen, auf das sie jederzeit zurückgreifen können. So beruhigend es ist, dass jetzt wenigstens eine Festnahme erfolgen konnte, so beunruhigend ist die Tatsache, dass immer noch zwei der Täter trotz großen Fahndungsaufwands auf freiem Fuß leben und vor allem, dass es im Netz und seit gestern auch auf der Straße einen beachtlichen Unterstützerkreis für diese Terroristen gibt. Den Behörden ist seit langem bekannt, wie und wo diese linksradikale Szene in Deutschland lebt. Die Hafenstrasse in Hamburg war ebenso ein Zufluchtsort für diese Szene wie der Ortsteil Connewitz in Leipzig und verschiedene besetzte Häuser in Berlin. Von dort aus werden seit Jahren regelmäßige schwere Straftaten begangen, allein in Berlin wurden im letzten Jahr fast 600 Fahrzeuge angezündet, der größte Teil davon geht auf das Konto linker Gruppen bis hin zur Klimabewegung. Unsere Bevölkerung wehrt sich seit Wochen mit großen Demonstrationen gegen den Rechtsradikalismus in Deutschland, und das ist ein gutes Zeichen der Stärke unserer Demokratie. Aber wir dürfen die Augen nicht davor verschließen, dass es immer noch ein gewaltbereites linksradikales Milieu in Deutschland gibt, das sich großer Sympathie in linken Kreisen der Politik erfreut. Gestern Abend erst gab es wie aus dem Nichts eine RAF-Unterstützerdemo in Berlin, an der rund 300 Personen teilnahmen. Leider darf bisher in Deutschland Gesichtserkennungssoftware gegen die Straftäter dieser Szene nur sehr begrenzt eingesetzt werden, das gleiche gilt für moderne, KI-gesteuerte Software zur Erkennung von Körperbewegungen und Körperhaltungen, die auch vermummte Straftäter überführen könnte. Wenn der Satz richtig ist, dass wir uns gegen jede Form des politischen Radikalismus, gegen den Rechtsradikalismus wie gegen den Linksradikalismus, „mit allen Mitteln des Rechtsstaates“ zur Wehr setzen müssen, dann gehören diese modernen Erkennungsmethoden dazu. Der Datenschutz darf nicht zum Täterschutz werden. Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
03.03.2024 Liebe Leser, in den letzten Wochen hat es eine Diskussion um die Frage gegeben, ob wir das Bundesverfassungsgericht besser schützen müssen gegen Angriffe politisch extremer Parteien, vor allem gegen die AfD. Ist die Sorge um die Unabhängigkeit des höchsten deutschen Gerichts wirklich begründet? Zunächst einmal ist mehr als nur bedauerlich, dass die Gespräche, die wir als Unionsfraktion mit der Koalition in dieser Frage seit dem Herbst des letzten Jahres führen, bereits zweimal durch Indiskretionen an die Öffentlichkeit gelangt sind. Gewiss, Entscheidungen in einer Demokratie müssen transparent und damit öffentlich sein. Aber eine ergebnisoffene Diskussion, ob denn bestimmte Entscheidungen überhaupt erwogen werden sollten, müssen innerhalb einer Regierung und zwischen der Regierung und der Opposition zunächst in einem geschützten Raum geführt werden können. Insbesondere mit der SPD-Bundestagsfraktion sind solche vertraulichen Gespräche gegenwärtig kaum möglich. In der Sache selbst gilt es abzuwägen zwischen den denkbaren Bedrohungen für das Bundesverfassungsgericht und den sich daraus ergebenden gesetzlichen Schlussfolgerungen. Welche denkbaren Schwachstellen gibt es? Anders als beispielsweise in den USA wird unser höchstes Verfassungsgericht nicht maßgeblich auf Betreiben der Regierung besetzt, sondern je zur Hälfte von Bundestag und Bundesrat, jeweils mit Zweidrittelmehrheit. Das ist für die Besetzung des Gerichts eine hohe Hürde und schützt es vor dem einseitigen Zugriff durch die Regierung oder einer einfachen Regierungsmehrheit. Dieses Besetzungsverfahren ist einfach-gesetzlich im Bundesverfassungsgerichtsgesetz geregelt und könnte mit einfacher Mehrheit geändert werden. Zweidrittelmehrheiten in Bundestag und Bundesrat sind bei den Richterwahlen auch schon heute mitunter schwer zu erreichen. Immer wieder verzögern sich Nachbesetzungen, weil es an konsensfähigen Kandidatinnen oder Kandidaten fehlt. Unterstellt, ohne AfD oder andere links- und rechtspopulistische Parteien ließe sich in Zukunft im Deutschen Bundestag eine Zweidrittelmehrheit grundsätzlich nicht mehr erreichen, wäre nicht nur das Besetzungsverfahren für das Bundesverfassungsgericht betroffen. Dann hätten wir noch viele weitere Probleme, bis hin zu allen zukünftigen Grundgesetzänderungen. Für das Bundesverfassungsgericht ließe sich eine Lösung finden, indem wir zum Beispiel zwischen Bundestag und Bundesrat ein wechselseitiges Ersatzwahlverfahren einführen: Kommt im Bundestag eine Wahl nicht zustande, würde nach einem gewissen Zeitablauf der Bundesrat eintreten und umgekehrt. Bei Grundgesetzänderungen ginge so etwas nicht. Allein an diesen beiden Beispielen ist zu sehen: So einfach wird es nicht sein, das Bundesverfassungsgericht gegen Einflussversuche durch Rechtspopulisten besser zu schützen. Der beste Schutz besteht in einer erfolgreichen Abwehr des zunehmenden politischen Extremismus selbst und zwar durch alle Parteien der breiten politischen Mitte. Ein solcher Erfolg käme auch nicht allein dem Bundesverfassungsgericht zugute. Wenn wir trotzdem über den Schutz unserer Verfassungsorgane sprechen müssen, dann sollten wir das unaufgeregt und vertraulich tun. Jede Aufregung, jede Indiskretion und jede öffentliche Empörung nutzt allein der AfD. Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
24.02.2024 Liebe Leser, heute jährt sich zum zweiten Mal der Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine. Fast jeden Tag begleiten uns die schrecklichen Bilder von Tod und Zerstörung vor allem im Osten des Landes. Die Bilder, die wir sehen, dokumentieren nicht allein die Schrecken eines Krieges. Sie dokumentieren die täglichen Kriegsverbrechen der russischen Armee gegen die Zivilbevölkerung, schwerste Kriegsverbrechen im Auftrag eines skrupellosen und menschenverachtenden Regimes, das heute vor allem mit dem Namen von Wladimir Putin verbunden ist. Das System Putin setzt ähnlich wie das System Stalin auf die gezielte Entrechtung und Entmenschlichung, das System tritt die Würde des Menschen mit Füßen und hat für Freiheit und Rechtsstaat nichts als Verachtung übrig. Und deshalb müssen wir uns als demokratische Staatengemeinschaft diesem System der organisierten Menschenverachtung mit aller Kraft entgegenstellen. Nach zwei Jahren Krieg gegen die Ukraine müssen wir uns heute allerdings auch die Frage stellen: Haben wir in den letzten zwei Jahren eigentlich genug getan, um der Ukraine wirklich zu helfen? Oder werden wir spätestens in einigen Jahren aus der Rückschau erneut feststellen müssen, dass wir uns geirrt haben? Dass wir Putins Skrupellosigkeit und seine Kriegsmaschine erneut falsch eingeschätzt haben? Der ernüchternde Befund ist: Putin und sein Regime halten sich an keinerlei völkerrechtliche oder sonstige Vereinbarungen, im Gegenteil: Russland ist unter Putin zur größten Gefahr für die Freiheit und den Frieden auf unserem Kontinent nach dem Zweiten Weltkrieg geworden. Einer solchen Bedrohung müssen wir, die Staaten des Westens, die Gemeinschaft der Demokratien, mit Entschlossenheit und Härte entgegentreten. Nur Stärke und militärische Abschreckung schaffen Frieden und Sicherheit. Schwäche hingegen lädt ein zu Aggression und Konflikt. Und niemand von uns kann zwei Jahre nach Beginn dieses Angriffskrieges noch irgendeinen Zweifel haben: Der imperiale Größenwahn von Putin ist nicht auf die Ostukraine beschränkt, sondern erstreckt sich gleichermaßen auf die gesamte politische Ordnung des europäischen Kontinents und damit unmittelbar auch auf uns. Der zweite Jahrestag des Krieges gegen die Ukraine muss deshalb auch für uns ein Anlass sein, um Bilanz zu ziehen. Wo stehen wir nach zwei Jahren Krieg? Wir haben aus Deutschland heraus viel für die Ukraine geleistet, humanitär, finanziell und auch militärisch. Vor allem die Hilfsorganisationen und die privaten Haushalte haben den Menschen in der Ukraine und denen, die zu uns als Flüchtlinge gekommen sind, sehr geholfen. Aber haben wir uns eigentlich am Anfang des Krieges, also 2014, spätestens aber 2022, auch gefragt, welches strategisches Ziel wir mit unserer Hilfe eigentlich erreichen wollen? Der Bundeskanzler betont bis heute, die Ukraine dürfe den Krieg „nicht verlieren“ und Russland dürfe den Krieg „nicht gewinnen“. Das sind wohlfeile Formulierungen. Aber einen Zustand, der nicht eintreten darf – „gewinnen“ oder „verlieren“ – sagt noch nichts aus über das Ziel, das wir erreichen wollen. Strategisch sind diese Zielbeschreibungen ein Nichts, im wörtlichen und übertragenen Sinn. Die Koalitionsfraktionen sind in dieser Woche einen Schritt weiter gegangen. Sie haben in ihrem Entschließungsantrag im Deutschen Bundestag immerhin zu der Formulierung gefunden, dass die Ukraine diesen Krieg gewinnen müsse. Immerhin, und zwar „gewinnen“ im Sinne der vollständigen Wiederherstellung der territorialen Integrität aller von Russland besetzten Gebiete einschließlich der Krim. Aber die Koalition bleibt wieder auf halber Strecke stehen, wenn sie nicht eine Antwort auf die Frage gibt, wie dieses Ziel denn erreicht werden soll, vor allem: welche militärischen Fähigkeiten dazu denn notwendig wären. Der Ablauf unserer politischen Debatten der letzten Jahre zeigt: Deutschlands politisches Führungspersonal hat die Fähigkeit verloren, interessen- und werteorientierte außenpolitische Fragen nicht nur zu stellen, sondern sie auch zu Ende zu denken. Nur zu sagen, was nicht geschehen dürfe, gewinnen und verlieren, bleibt weit hinter diesem Anspruch zurück. Deutschland steht auch nach zwei Jahren Krieg in Europa immer noch am Anfang seiner strategischen Neudefinition in einer Zeit, die mit dem Wort „Zeitenwende“ vermutlich noch unzureichend beschrieben ist. Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
17.02.2024 LiebeLeser, das war kein Zufall: Pünktlich zu Beginn der Münchener Sicherheitskonferenz trifft die schockierende Nachricht ein, dass der bekannteste und in Russland sehr beliebte Kreml-Kritiker Alexej Nawalny in einem sibirischen Straflager im Alter von nur 47 Jahren sein Leben verloren hat. Nawalny ist ein weiteres Opfer des russischen Regimes unter Putin, der seit Jahren systematisch Gegner und Kritiker gewaltsam aus dem Weg räumt. In Moskau und vielen anderen russischen Städten werden selbst die verhaftet, die Blumen für Nawalny niederlegen wollen. Die Botschaft des Putin-Regimes nach innen und nach außen ist klar: Uns stellt sich niemand ungestraft in den Weg. Und so wie Nawalny stirbt, so sterben täglich Menschen mit den russischen Bomben- und Raketenangriffen auf Wohnbezirke, Krankenhäuser und Kindergärten in der Ukraine. Das russische Regime macht schon gar nicht mehr den Versuch zu behaupten, es ziele nur auf militärische Infrastruktur. Es ist einfach nur der blanke Terror durch brutalste Kriegsverbrechen gegen ein Volk, das es wagt, sich der gewaltsamen Einverleibung durch Russland zu widersetzen. So steht auch die diesjährige Münchener Sicherheitskonferenz unter dem Eindruck multipler Krisen in der Welt, vor allem unter dem Eindruck des seit zwei Jahren anhaltenden Krieges gegen die Ukraine. Alexej Nawalny gibt dem Tod durch staatlich angeordneten Terror ein Gesicht. Dieser Kämpfer für Freiheit und Demokratie in seinem Land, Ehemann und Familienvater, wird nicht das letzte Opfer einer skrupellosen und enthemmten russischen Staatsführung sein. Putins Regime wird sich nur mit Polizeigewalt und militärischer Aggression an der Macht halten können. Schon Alexander Solschenizyn hat in seinem „Archipel Gulag“ das Leben in den Straflagern und in der Verbannung unter dem zaristischen und bolschewistischen System Russlands beschrieben, den Weg der Häftlinge von der Einlieferung bis zum Tod durch Erschöpfung und den Sadismus der Bewacher. Stellen wir uns also auf eine sehr lange Zeit ein, in der Russland auch nach Putin diesen alten Mustern weiter folgt und mit brutaler Gewalt einen Herrschaftsbereich versucht zu festigen und auszudehnen. „Glasnost“ und „Perestroika“ waren Phänomene des Übergangs und nur der kurzzeitigen Unterbrechung von dem einen gewaltsamen Herrschaftssystem zum nächsten. Es gibt auf absehbare Zeit keine Veranlassung darauf zu hoffen, dass sich daran etwas ändert. Russland bleibt eine ernsthafte Bedrohung auch für das Leben, das wir so gern in Freiheit und in Wohlstand führen wollen. Diese Annahmen haben ernsthafte Konsequenzen auch für uns. Gegen Gewalt und die mutwillige Zerstörung unserer regelbasierten Ordnung helfen nur Stärke und Entschlossenheit. Wir werden die Prioritäten unseres politischen Handelns neu ausrichten und ordnen müssen. Die Bewahrung unserer Freiheit wird wieder auf Platz 1 aller politischen Verpflichtungen stehen. Dafür müssen wir etwas tun, erheblich mehr auch als in der Vergangenheit. Dahinter müssen viele Dinge zurückstehen, die wünschenswert, aber auf absehbare Zeit nicht mehr möglich sein werden. Eine erneute Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der Vereinigten Staaten sollte uns dabei weniger schrecken als die Ereignisse in Russland, auch wenn man hin und wieder den gegenteiligen Eindruck gewinnt. Wir müssen so oder so mehr für unsere Verteidigung tun, und je früher wir damit anfangen, umso weniger können uns Wahlergebnisse in den USA unsanft aus unseren Träumen wecken. Die gute Nachricht ist: Die meisten verantwortlichen Politiker in Europa haben das begriffen, und denjenigen, die immer noch in naiver Hoffnung auf einen kurzfristigen Frieden mit Russland hoffen, hat Alexej Nawalny am 16. Februar 2024 eine letzte bittere Nachricht hinterlassen. Wer jetzt immer noch an ein friedliches Russland glaubt, der wird selbst zur Bedrohung unserer Freiheit. Früher kam diese Bedrohung von links außen, heute kommt sie ganz überwiegend von rechts außen. Aber auch damit können wir fertig werden, wenn wir der Wirklichkeit ins Gesicht schauen. Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
10.02.2024 Liebe Leser, die wirtschaftlichen Aussichten für unser Land trüben sich im Jahr 2024 weiter stark ein. Schon im Jahr 2023 schrumpfte die deutsche Wirtschaft um 0,3 Prozent, das produzierende Gewerbe um 1,5 Prozent. Allein in der energieintensiven Industrie ging die Produktion im Dezember 2023 im Vergleich zum Vormonat um weitere 5,8 Prozent zurück. Der Kapitalabfluss aus Deutschland ist seit dem Jahr 2022 so groß wie nie zuvor und hält im Jahr 2024 weiter an. Zahlreiche Unternehmen verlagern Teile oder gar die gesamte Produktion aufgrund der ungünstigen Wirtschaftsbedingungen in das europäische oder außereuropäische Ausland. Unserem Land drohen Wohlstandsverluste in einem bisher nicht gekannten Ausmaß So haben es Alexander Dobrindt und ich dem Bundeskanzler in dieser Woche auch geschrieben und mit diesem Befund die Aufforderung verbunden, neben mittel- und langfristigen Maßnahmen zur Stärkung der strukturellen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft jetzt ein Paket aus Sofortmaßnahmen auf den Weg zu bringen, um den Standort Deutschland zu sichern und zu stärken. Dazu zählen aus unserer Sicht insbesondere folgende Maßnahmen:
Diese Vorschläge werden wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion in der nächsten Sitzungswoche des Deutschen Bundestags zur parlamentarischen Beratung einbringen. Wenn die Ampel weiter streitet, dann muss wenigstens die CDU/CSU-Bundestagsfraktion geschlossen und handlungsfähig auftreten. So werden wir unserem Auftrag als konstruktive Opposition gerecht und zeigen zugleich, was wir in der Regierungsverantwortung heute tun würden. Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
03.02.2024 Liebe Leser, die Ampelregierung hat seit mehr als einem Jahr keine Mehrheit mehr in der Bevölkerung. Dies dürfte angesichts der Zerstrittenheit und der persönlichen Zerwürfnisse innerhalb der Regierungskoalition auch so bleiben, selbst wenn es im Sommer einen Wechsel im Amt des Bundeskanzlers geben sollte. Weitgehend unstreitig im öffentlichen Meinungsbild ist dagegen die Annahme, dass die Union aus CDU und CSU die nächste Bundesregierung anführen dürfte. Nur: Mit wem dann zusammen in einer möglichen Koalition? Diese Frage bewegt die Wählerinnen und Wähler, und die Umfragewerte der Union werden überschattet von der Annahme, dass möglicherweise die SPD oder die Grünen dann doch wieder in der Regierung sitzen. Diese Aussicht beeinträchtigt auch die Zustimmung zur Union. „Das geht dann ja doch alles so weiter!“ – so hört man es oft in diesen ersten Wochen des neuen Jahres. Nun, richtig ist vermutlich die Annahme, dass die Union im nächsten Bundestag die stärkste Fraktion sein könnte und dass sie damit auch den Auftrag zur Regierungsbildung erhielte. Richtig ist aber vermutlich auch die Annahme, dass es für die Union allein nicht reichen könnte, also ein Koalitionspartner gebraucht würde. Nur: Wer könnte oder wer sollte das denn dann sein? Zwei Leitplanken zur Beantwortung dieser Frage gibt es: Die AfD wird es sicher nicht sein, sie steht als rechtsradikale Partei außerhalb jedes denkbaren Spektrums für uns. Also bleiben SPD, Grüne und FDP. Mit der FDP ließe sich eine bürgerliche Koalition am ehesten verwirklichen, fraglich ist aber, ob sie als Partei überlebt. Wenn sie bis zum bitteren Ende in der gegenwärtigen Koalition bleibt, werden wir um ihre früheren und bis dahin noch verbliebenen, restlichen Wählerinnen und Wähler kämpfen. Jede Stimme an die FDP wäre dann eine verschenkte und verlorene Stimme für einen Politikwechsel in Deutschland. Löst sie sich früh genug und glaubwürdig aus der Umklammerung der Ampel, müsste sie ordentlich zulegen, um mit uns zusammen die Mehrheit der Mandate im Deutschen Bundestag zu erreichen. Das Potential dafür ist ohne Zweifel vorhanden, es gibt in Deutschland strukturell keine linke Mehrheit. Die FDP müsste dann aber auch zurückkehren zu ihren liberalen und marktwirtschaftlichen Grundüberzeugungen, eine ausgesprochen linke Gesellschaftspolitik würde ihr Potential eher wieder begrenzen. Die FDP muss sich also in mehrfacher Hinsicht entscheiden. Gelingt es nicht, eine Mehrheit von CDU/CSU und FDP zu erreichen, bleiben SPD und Grüne. Keine besonders verlockende Aussicht, aber eine regierungsfähige Mehrheit muss es geben. Die Union müsste – so, wie gegenwärtig in den Umfragen – bei der Wahl so gut abschneiden, dass nur ein Koalitionspartner benötigt wird, auf keinen Fall zwei. Wenn die FDP die Wahl überlebt, sind FDP und Grüne zusammen genauso wenig verlockend wie jede andere Kombination. Einer muss reichen, am besten mit Auswahl zwischen mehreren. Das erscheint aus heutiger Sicht einigermaßen realistisch. Und an dieser Stelle kommen die Erfahrungen ins Spiel, die die CDU nach den letzten Landtagswahlen in Hessen gemacht hat. Sie hatte mit Boris Rhein ein so gutes Wahlergebnis erzielt, dass sie im Größenverhältnis 2 : 1 jeweils mit SPD und Grünen Gespräche führen, schließlich mit der SPD Koalitionsverhandlungen abschließen konnte. Hätte die hessische CDU – so, wie von vielen Mitgliedern und Wählern verlangt – eine Koalition mit den Grünen von vorneherein ausgeschlossen, wäre dieses Ausloten um den besten Erfolg im Sinne der CDU nicht möglich gewesen, die SPD wäre viel selbstbewusster aufgetreten. Auch eine Koalition darf nicht alternativlos werden. Der Koalitionsvertrag in Hessen trägt somit die Handschrift der CDU, auch die Besetzung der Ressorts in Hessen zeigt, wer in der Regierung die wichtigsten Aufgaben wahrnimmt. Entscheidend werden für die kommende Bundestagswahl daher zwei Dinge sein: Die Union muss die mit Abstand stärkste Kraft in Deutschland werden, am besten im Verhältnis 2 : 1 zu SPD und Grünen, mindestens doppelt so viel im Verhältnis zur FDP. Das können wir schaffen. Und vor allem: Es muss mit dieser Bundestagswahl ein Politikwechsel in Deutschland möglich werden: In der Außen- und Sicherheitspolitik ebenso wie in der Energie- und Klimapolitik, in der Wirtschaftspolitik ebenso wie in der Arbeitsmarkt- und in der Sozialpolitik. Wer meint, mit der Wahl der AfD oder einer anderen rechts- oder linkspopulistischen Partei ein besonders starkes Zeichen in diese Richtung setzen zu wollen, dem werden wir sagen: Jede Stimme für eine dieser Parteien macht einen wirklichen Politikwechsel in Deutschland schwerer und nicht etwa leichter. Nur die Wahl der CDU und der CSU ermöglicht die grundlegende Korrektur einer Politik, die Deutschland immer weiter ins Abseits manövriert. Je früher dieser Politikwechsel gelingt, desto besser für unser Land. Mit den Radikalen von rechts und links ist kein Staat zu machen. Liebe Leser, Umfragen sind natürlich keine Wahlergebnisse. Die Wählerinnen und Wähler entscheiden, wer unser Land regiert. Wir von der CDU werden weiterhin mit guter Sachpolitik für Deutschland um Ihr Vertrauen kämpfen. Dann wird ein Wechsel für eine bessere Politik gelingen. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende! Ihr Friedrich Merz |
26.01.2024 Liebe Leser, Politik besteht weder aus der beliebigen Abarbeitung von Parteiprogrammen noch aus dem sturen Festhalten an einem Koalitionsvertrag. Unsere Zeit unterliegt schon ohne Kriege und Krisen einem beständigen Wandel, den muss die Politik aufnehmen und in politische Entscheidungen übersetzen. Wenn so tiefgreifende Ereignisse wie der Krieg in der Ukraine und die Terroranschläge in Israel hinzukommen, dann muss die Politik ihre Prioritäten überprüfen und neu ordnen. „Zeitenwende“ hat der Bundeskanzler den Beginn des Krieges in der Ukraine vor fast zwei Jahren genannt. Heute wissen wir: Es ist weit mehr als eine Zeitenwende, es ist ein Epochenbruch. Es ist eine tiefe Zäsur in unserer Geschichte, und wir wissen noch nicht, wie die Zeit danach aussieht: nach dem Krieg gegen die Ukraine, aber auch nach dem brutalen Aufbrechen des alten Konflikts im Nahen und Mittleren Osten, jeweils mit beteiligten autoritären Regimen, die fast jede Eskalationsdominanz in der Hand haben. Zugleich sehen wir jeden Tag, wie der Klimawandel auch unser Leben immer häufiger beeinträchtigt. Was also ist zu tun? Im Grunde gibt es nur zwei wirklich wichtige Aufgaben für die nationale und die internationale Politik, die es jetzt anzupacken gilt: Wir müssen unsere Freiheit verteidigen, und wir müssen unseren Wohlstand erhalten. Nicht mehr, aber auch nicht weniger, denn alles weitere leitet sich daraus ab: Ohne Freiheit gibt es keinen Frieden, und ohne Wohlstand gibt es keinen Sozialstaat mehr, wie wir ihn uns wünschen, und auch keine Klimapolitik mehr, wie wir sie brauchen. Diese Prioritäten zu setzen, erfordert zunächst und vor allem die richtige Kommunikation. Die Bevölkerung muss auf diesem Weg mitgenommen werden. Sie muss verstehen, warum die Politik so und nicht anders handelt. Damit werden für den Augenblick andere, durchaus wünschenswerte Aufgaben weniger wichtig. Das muss sich auch im Staatshaushalt abbilden, der ohnehin nicht alle Wünsche erfüllen kann. Für beides, die Verteidigung unserer Freiheit und die Bewahrung unseres Wohlstandes, braucht es viele, die mit anpacken, auf allen staatlichen und privatwirtschaftlichen Ebenen ebenso wie im ehrenamtlichen Engagement. Stattdessen finanziert der deutsche Staat in bisher nicht gekanntem Ausmaß Arbeitslosigkeit und Nichtstun. Fast zehn Prozent des Bundeshaushaltes, rund 40 Milliarden Euro gibt die Bundesregierung für das sogenannte „Bürgergeld“ aus, eine steuerfinanzierte Transferleistung, die sehr vielen Menschen im Land fast jeden Anreiz nimmt, im Arbeitsmarkt aktiv dabei zu sein, wenn es darum geht, diese beiden wichtigsten Aufgaben unseres Landes zu bewältigen. Ähnlich große Summen verschlingt die „Transformation“ unserer Volkswirtschaft hin zur Klimaneutralität. Statt Mechanismen wie die zunehmende Bepreisung der klimaschädlichen Schadstoffe wirken zu lassen, wird das Geld zwar gern eingenommen, aber dann nach parteipolitischen Präferenzen in Form von Fördergeldern und Subventionen neu verteilt. Die Ampel verstrickt sich dabei in immer tiefere Widersprüche und kommt aus dem Streiten nicht mehr heraus. So beschädigt man gleich beides: Den Klimaschutz und das Vertrauen in die Politik. Geht das auch anders? Ja, natürlich! Das würde aber voraussetzen, dass die Politik nicht im Mikromanagement alles regeln will, sondern Mechanismen in Gang setzt, die von den Menschen verstanden werden und denen sie vertrauen. Das wiederum widerspricht aber im Kern dem Anspruch der Politik der Ampel, insbesondere der Überzeugung von SPD und Grünen, alles bis ins kleinste Detail hinein regeln zu wollen. Solch eine Politik ist von Misstrauen geprägt, deshalb fällt es ihren Akteuren naturgemäß schwer, die richtigen Prioritäten zu setzen. SPD und Grüne werden sich in dieser Hinsicht kaum ändern. Aber eine Frage stellt sich im Jahr 2024 trotzdem mit besonderer Dringlichkeit: Wie lange macht die FDP das alles eigentlich noch mit? Ich wünsche Ihnen trotzdem ein schönes Wochenende! Ihr Friedrich Merz |
21.01.2024 Liebe Leser, das Jahr 2024 verspricht, ein unruhiges Jahr zu werden. Seit der zweiten Woche des Jahres protestieren Landwirte, Fuhrunternehmen, Mittelständler jeder Herkunft und viele andere zu Hause und in Berlin gegen die Politik der Ampel. Bei der Bahn wird regelmäßig gestreikt, im Gesundheitssektor gibt es Arbeitsniederlegungen und Mangelwirtschaft. Seit einigen Tagen aber wird dies alles von Kundgebungen gegen den um sich greifenden Rechtspopulismus überlagert, der sich seinerseits ganz offensichtlich in großen Teilen auf den Weg in den Rechtsradikalismus begeben hat. Unsere Gesellschaft scheint langsam zu begreifen, dass die Demokratie in unserem Land nicht von selbst fortbesteht. Aber wie umgehen mit diesen Entwicklungen? Die AfD verbieten, und dann ist alles wieder gut? „Unterkomplex“ könnte man diese Antwort wohl mit Fug und Recht nennen. Und unhistorisch sind die Vergleiche auch, die da bisweilen angestellt werden. Auf der „Wannsee-Konferenz“ wurde vor ziemlich genau 82 Jahren von Himmler und Heydrich die längst begonnene, systematische Vertreibung und Ermordung der Juden in Europa noch einmal beschleunigt und der Übergang auf die „genozidale Vergasung“ (Richard Overy in „Weltenbrand“) beschlossen. Da saßen nicht einige verirrte Geister zusammen, das waren sie auch; aber es waren vor allem die maßgeblichen Verbrecher des SS-Staates, der sich fest in der Hand der Nationalsozialisten befand, an die Macht gekommen nicht allein durch Wahlen, sondern durch das Versagen der Vorgängerregierung, einen schwachen Reichspräsidenten, ein feiges Parlament und ein notleidendes Volk, das sich in Massen der brauen Bewegung anschloss. Jeder Vergleich mit dem NS-Regime relativiert daher nicht nur den Holocaust und die Grauen des Mordes an sechs Millionen Juden. Die Vergleiche führen auch zu den falschen Schlüssen. Deutschland ist heute eine gefestigte Demokratie mit stabilen Institutionen. Und auch wenn die AfD bei 30 Prozent oder gar darüber liegen mag, dann sind eben doch zwei Drittel der Wählerinnen und Wähler in Deutschland bei den demokratischen Parteien einer breiten politischen Mitte innerhalb unseres Verfassungsbogens. Das Zusammenwirken der Institutionen funktioniert, wir sind – ganz anders als die Weimarer Republik – eine wehrhafte Demokratie. Damit soll nun keineswegs das Problem verharmlost werden, und gerade wir Deutschen haben allen Anlass, jeder um sich greifenden Fremdenfeindlichkeit und jeder Erscheinungsform von Antisemitismus unzweideutig entgegen zu treten. Die vielen Tausend Menschen, die dies in diesen Tagen in vielen Städten tun, sind ein Beleg unserer starken und wehrhaften Demokratie. Aber unsere Demokratie braucht nicht nur den Protest und den Widerspruch gegen die rechtsradikalen Netzwerke und ihre Protagonisten. Unsere Demokratie braucht Demokraten in den Parlamenten, von der kommunalen Ebene bis in das Europäische Parlament. Der Protest kann die mühevolle Arbeit in den demokratischen Institutionen nicht ersetzen, allenfalls ergänzen und stützen. Wir haben ein Super-Wahljahr vor uns, die Europawahl, neun Kommunalwahlen und drei Landtagswahlen. Bei allen diesen Wahlen, in Ost und West, muss sich zeigen, wie stark wir bleiben gegen den aufkeimenden Rechtsradikalismus. Und unsere Demokratie ist dann besonders stark, wenn sie sich als fähig erweist, die Probleme des Landes zu lösen. Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
06.01.2024 Liebe Leser, der Fähranleger Schüttsiel im Norden der Republik wäre dem größten Teil der Bevölkerung vermutlich noch längere Zeit unbekannt geblieben, wenn sich dort nicht am Donnerstagabend eine weitere Eskalation der in Deutschland ohnehin immer ruppiger werdenden Protest-„kultur“ gezeigt hätte: Der Bundeswirtschaftsminister wurde von Landwirten aus der Region gewaltsam daran gehindert, die Fähre zu verlassen, die ihn von seinem Urlaub zurück auf das Festland bringen sollte. Wenn sich jetzt auch der Bundespräsident – wie ich finde zu Recht – veranlasst sieht, öffentlich zu diesen Vorfällen Stellung zu beziehen, dann ist die Lage ernst genug, und dann geht der gewaltsame Bauernprotest weit über den Einzelfall hinaus. Demonstrieren zu gehen reicht offenbar niemandem mehr aus, es muss etwas hinzukommen, damit die Aufmerksamkeitsschwelle überhaupt erst erreicht wird, und dieses Etwas besteht mittlerweile ganz regelmäßig aus irgendeiner Form von Gewalt: der Erstürmung von Gebäuden, dem Festkleben auf Straßen, der Behinderung des Flugverkehrs, dem Beschmieren von Kunstwerken, aus Farbattacken auf nationale Symbole wie das Brandenburger Tor oder jetzt eben aus der gewaltsamen Behinderung eines Bundesministers. Dies sind alles Straftaten, die ein Rechtsstaat nicht dulden darf, und die durch kein einziges wie auch immer geartetes Motiv zu rechtfertigen sind. Das Jahr 2024 beginnt also, wie das Jahr 2023 geendet hat: Mit einer größer werdenden Unzufriedenheit der Bevölkerung, die sich in ihrem Lebensalltag von „der Politik“ und „den Politikern“ nicht mehr hinreichend verstanden, geschweige denn ausreichend repräsentiert fühlt. Der Protest der Bauern lässt sich deshalb noch sehr viel tiefergehender einordnen, denn er setzt sich ja in den nächsten Tagen unvermindert fort, obwohl größere Teile der Belastungen, die den Protest überhaupt erst ausgelöst haben, von der Bundesregierung schon längst zurückgezogen worden sind. Denn genau da liegt das Problem: Auch die deutlich reduzierten Subventionskürzungen werden als einseitig und ungerecht empfunden, sie stehen nicht in einem größeren Kontext einer umfassenden Anstrengung, die Staatsfinanzen wieder in Ordnung zu bringen. Mit dem Rechenschieber werden im Kanzleramt über Tage und Wochen kleinteilige Einzelmaßnahmen besprochen, nach der Beschlussfassung in der Bundesregierung selbst streitig gestellt und nach dem Protest der Betroffenen dann stückweise wieder zurückgenommen. Dieses Muster kennzeichnet die Regierungspolitik der Ampel von Anfang an. Mit anderen Worten: Der Bundesregierung fehlt offenbar ein Gesamtkonzept, wie sie denn mit den aufgetretenen Problemen umgehen soll. Stattdessen wird nach dem Muster der Echternacher Springprozession eine Maßnahme nach der anderen diskutiert, vorgeschlagen und wieder zurückgezogen. So verunsichert und verärgert man immer größere Teile der Bevölkerung, die zugleich mit einem Gefühl der Hilfslosigkeit mit ansehen muss, wieviel Geld für andere Aufgaben offenbar im Überfluss vorhanden ist, sei es für die weitere Aufblähung des Staatsapparates, sei es für Transferleistungen an illegale Migranten, sei es für Milliardensubventionen an große Unternehmen. Das Jahr 2024 wird ein Jahr größter außenpolitischer und sicherheitspolitischer Herausforderungen werden. Da wäre es gut, wenn es wenigstens in der Innenpolitik eine gewisse Beruhigung und Verstetigung des Regierungshandelns geben würde. Dies aber setzt Führungswille und Führungsfähigkeit desjenigen voraus, der der Regierung vorsteht. Wenn sich diese Hoffnung nicht erfüllt, und damit müssen wir rechnen, dann bleibt trotzdem der Appell an alle, die gegen die Bundesregierung und ihre Politik protestieren wollen, dies mit Augenmaß und vor allem ohne Gewalt zu tun. Vor allem: Landwirte, Spediteure oder wer auch immer dürfen sich nicht instrumentalisieren lassen von Leuten und Gruppierungen, die den legitimen Protest missbrauchen, um das ganze System unseres Landes in Frage zu stellen. Unsere Demokratie hat gewaltige Schwächen, und die werden im Augenblick sichtbarer denn je; aber alles andere, was an ihre Stelle träte, würde erst recht zu Wohlstandsverlusten und ganz anderen Verteilungskonflikten führen. Auch wenn es kein ruhiger Jahreswechsel war: Ich wünsche Ihnen trotzdem ein gutes Jahr 2024. Ihr Friedrich Merz |
30.12.2023 Liebe Leser, voller Trauer nehmen wir Abschied von Wolfgang Schäuble. Am Abend des zweiten Weihnachtstages erlosch das Leben eines Ausnahmepolitikers, wie wir ihn vermutlich so nicht wieder sehen werden. Allein die Zeitspanne von 51 Jahren ununterbrochener Zugehörigkeit zum Deutschen Bundestag, immer direkt gewählt in seinem Offenburger Wahlkreis, ist einzigartig. Hohe Staats- und Regierungsämter haben Wolfgang Schäuble zu einem der bekanntesten und einflussreichsten Politiker der deutschen Nachkriegsgeschichte gemacht. Diese Nachkriegsgeschichte war im Jahr seiner ersten Wahl in den Deutschen Bundestag noch nicht einmal 25 Jahre alt. Das Parlament war geprägt von Abgeordneten, die zu einem großen Teil vor dem Weltkrieg geboren waren, viele während des Krieges – wie Wolfgang Schäuble – und nur wenige danach. Was bleibt von Wolfgang Schäuble? Wolfgang Schäuble wird vor allem als der Baumeister der deutschen Einheit und als überzeugter Europäer in die Geschichte unseres Landes eingehen. Zusammen mit Günther Krause, dem damaligen Parlamentarischen Staatsekretär beim Ministerpräsidenten der DDR, hat er innerhalb von wenigen Monaten nach dem Mauerfall den Vertrag über die Herstellung der Einheit unseres Landes verfasst. Ein völkerrechtliches Vertragswerk, für das es keine Vorlage gab, und das innerhalb kürzester Zeit doch allumfassend die Aufnahme des Staatsgebietes der früheren DDR, vor allem aber der über 16 Millionen Bürger der DDR als Staatsbürger in die Bundesrepublik Deutschland regelte. Wenige Tage nach der Unterzeichnung geschah das Attentat in der Nähe seines Heimatortes, das ihn für mehr als 30 Jahre an den Rollstuhl fesseln sollte. Gezeichnet von diesem Attentat hielt er am 20. Juni 1991 die entscheidende Rede im Deutschen Bundestag, die die Mehrheit für Berlin als zukünftige Hauptstadt im vereinten Deutschland stimmen ließ. Allein diese Ereignisse und Entscheidungen waren historisch. Und trotzdem konnte zu diesem Zeitpunkt niemand ahnen, welche Aufgaben auf Wolfgang Schäuble noch warten sollten. „Wer in Deutschland in die Politik geht, und einigermaßen begabt ist, der muss Bundeskanzler werden wollen“ – so hat er es mir einmal vor vielen Jahren gesagt. Er wollte es, und die Fähigkeiten, es zu sein, hatte er ohne Zweifel. Aber man kann es heute auch so sagen: Ohne es zu werden, hat er in der deutschen und europäischen Politik in den letzten fünf Jahrzehnten mehr dauerhafte Spuren hinterlassen als mancher, der es wurde. Die Vertiefung der deutsch-französischen Freundschaft, die Asylrechtsreform im Jahr 1993, die erste Islamkonferenz in Deutschland, die Bewältigung der ersten großen Euro-Krise, die Deutsch-Französisch Parlamentarische Versammlung, immer wieder wichtige Anstöße als Bundestagspräsident zur Stärkung unserer Demokratie – die Liste der Themen ist schier unüberschaubar. 50 Jahre in der Politik, 50 Jahre Dienst an unserem Land, 50 Jahre Loyalität und Pflichterfüllung trotz mancher Rückschläge und Demütigungen, davon über 30 Jahre im Rollstuhl mit eiserner Disziplin und Präsenz. Wir verneigen uns vor dem deutschen Staatsmann und großen Europäer Wolfgang Schäuble. Wir nehmen sein Vermächtnis als Auftrag an zur Gestaltung der Zukunft unseres Landes. Und wir nehmen seine Zuversicht aus der Geschichte des Sisyphos von Albert Camus mit in das Jahr 2024. Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien ein gutes und gesundes neues Jahr. Mit herzlichen Grüßen Ihr Friedrich Merz |
23.12.2023 Liebe Leser, was für ein Jahr! Das Jahr 2023 wird als ein weiteres Jahr der Krisen, des Terrors und des fortdauernden russischen Angriffskrieges in der Ukraine in die Geschichte eingehen. 2023 wirft schon jetzt einen Schatten auf das nächste Jahr, denn es wird nicht plötzlich Frieden einkehren im Nahen und Mittleren Osten und in der Ukraine. Aber als Christen hoffen wir auf eine bessere Zeit, und wir wollen auch im nächsten Jahr hart dafür arbeiten. Immerhin scheinen sich die EU und einige Mitgliedstaaten der EU, darunter auch Deutschland und Frankreich, auf bessere Regeln zur Eindämmung der illegalen Einwanderung geeinigt zu haben. Die große Zahl der in Deutschland lebenden, aber nicht hinreichend integrierten Migranten ist und bleibt auf längere Zeit eine der größten Herausforderungen für unser Land. Die erneut äußerst schlechten Ergebnisse der letzten PISA-Studie über den Stand der Bildung zeigen überdeutlich, dass ein zu hoher Anteil von Schülerinnen und Schülern, die die deutsche Sprache nicht beherrschen, den Bildungserfolg aller in Mitleidenschaft zieht. Bildung, aber auch Leistungsbereitschaft in der Arbeitswelt bleiben die zentralen Erfolgsfaktoren für den Wohlstand unseres Landes. Denn nur ein Land mit hoher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit kann auch die Mittel bereithalten, die die Sicherheit des Landes nach innen und außen gewährleisten. In diesen Zusammenhängen versuchen wir auch als Partei und Bundestagsfraktion unsere Arbeit zu tun. Zum Ende des Jahres 2023 kann ich dankbar feststellen, dass die Wählerinnen und Wähler in Deutschland Schritt für Schritt wieder dabei sind, uns Vertrauen zu schenken. Die Umfragen zeigen, dass wir auf einem guten Weg sind. Aber wir dürfen nicht nachlassen, kontinuierlich an unseren politischen Antworten auf die großen Fragen unserer Zeit zu arbeiten. Und bei aller notwendigen Kritik an der Bundesregierung freuen wir uns nicht über deren Misserfolge. Auch wir sind Staatsbürger unseres Landes – die Bundesregierung, die wir nicht gewählt haben, ist auch unsere Bundesregierung. Deshalb möchte ich meinen Dank zum Jahreswechsel an alle diejenigen, die zum Erfolg der Union beigetragen haben, verbinden mit der aufrichtigen Hoffnung, dass Deutschland im nächsten Jahr besser regiert wird als in diesem Jahr. Meine guten Wünsche zum bevorstehenden Weihnachtsfest gehen deshalb an Sie alle, ganz unabhängig von Ihrer parteipolitischen Präferenz. Wir alle können einige Tage der Besinnung und der Ruhe gut gebrauchen, bevor wir in ein erneut herausforderndes Jahr 2024 gehen. Möge dieses Jahr vor allem den Menschen Frieden bringen, die in diesen Tagen um ihr Land und um die Zukunft ihres Volkes kämpfen. Mit herzlichen Grüßen Ihr Friedrich Merz |
16.12.2023 Liebe Leser, es gibt rund 250.000 landwirtschaftliche Betriebe in Deutschland. Vor 25 Jahren waren es noch doppelt so viele. Im Jahr 2022 gaben fast 1.000 Betriebe auf. Der Strukturwandel macht nicht halt vor der Landwirtschaft. Aber Landwirte produzieren nicht irgendein austauschbares Produkt, das wir morgen irgendwo anders her beziehen können. Die landwirtschaftlichen Betriebe produzieren unsere Lebensmittel, landwirtschaftlich genutzte Flächen prägen unser Landschaftsbild. Viele Betriebe werden seit Generationen geführt, die Familien sind oftmals überdurchschnittlich engagiert in unseren Dörfern und Gemeinden. Vor diesem Hintergrund muss es ganz besonders überraschen, dass die Ampel in dieser Woche beschlossen hat, zur Sanierung des Bundeshaushaltes ausgerechnet die Landwirtschaft ab dem nächsten Jahr mit erheblichen Steuererhöhungen zu konfrontieren. Auf Dieselkraftstoffe und auf landwirtschaftlich genutzte Fahrzeuge sollen knapp 1 Milliarde Euro Steuern erhoben werden. Im Durchschnitt wird dadurch jeder landwirtschaftliche Betrieb im Jahr mit 4.000 Euro zusätzlichen Steuern belastet. Das Beispiel zeigt, dass die Bundesregierung nicht sparen will, sondern vor allem nach neuen Einnahmequellen sucht. Die FDP hatte doch versprochen, die Steuern nicht zu erhöhen! Und welchen inneren Bezug hat die Bundesregierung überhaupt noch zu den ländlichen Räumen unseres Landes? Auch manche junge Familie wird es sich über den Jahreswechsel gut überlegen, ob sie den Hof ihrer Eltern angesichts dieser zusätzlichen Belastung, die im nächsten Jahr auf sie wartet, noch übernehmen soll. Wir werden uns deshalb mit großem Nachdruck dafür einsetzen, dass diese Steuererhöhungen nicht kommen werden. Die Landwirtschaft kann sich auf die Union verlassen. Wir vertreten auch in Zukunft die Interessen der ländlichen Räume und der Menschen, die dort leben. Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
10.12.2023 Liebe Leser, in der nächsten Woche findet in Brüssel der letzte Europäische Rat des Jahres statt, das Treffen der Staats- und Regierungschefs der 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Die Regierungskrise in Deutschland überschattet auch dieses wichtige Datum in Europa, denn wenn das größte Mitgliedsland der EU politisch nicht handlungsfähig ist, dann hat dies Auswirkungen auf alle. Dabei müssten gerade jetzt in Europa wichtige Weichen gestellt werden für das nächste Jahr. Immer noch im Vordergrund steht der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Die innenpolitisch motivierte Blockade in den USA gegen weitere Hilfen für die Ukraine müssen wir in Europa äußerst ernst nehmen. Denn zum selben Zeitpunkt, und dies ist gewiss kein Zufall, droht Putin offen gegen Lettland mit der Behauptung, dort würden russische Staatsbürger nicht korrekt behandelt. Wir erinnern uns: Das war genau die Begründung, mit der Putin vor fast zehn Jahren die Krim annektierte und in die Ostukraine einmarschierte. Wir müssen damit rechnen, dass Putin auch diesen Drohungen Taten folgen lässt. Vor einer direkten militärischen Intervention stehen in der Regel systematische Akte der Destabilisierung eines Landes wie Attacken auf die Datennetze und Desinformationen über die Medien. Die großrussischen Machtansprüche, die Putin in seinen Reden immer aggressiver zum Ausdruck bringt, die Gleichschaltung aller russischen Staatsorgane, die Unterdrückung jeder Opposition und die Beseitigung aller Kritiker durch die Geheimdienste können keinen Zweifel lassen an der Entschlossenheit des russischen Regimes. Gleichzeitig konnte die Ukraine in diesem Jahr keinen größeren militärischen Erfolg gegen die russische Armee auf dem eigenen Staatsgebiet erzielen. Im Gegenteil, die unzureichende Verteidigungsfähigkeit der Ukraine hat es ermöglicht, dass sich die russischen Truppen in gestaffelten Linien mit großräumiger Verminung festsetzen und ihre militärische Überlegenheit ausbauen konnten. In dieser Lage müsste Europa jetzt geschlossen handeln. Aber schon die grundsätzliche Weigerung von Viktor Orban, daran teilzunehmen, verhindert einstimmige Beschlüsse. Umso wichtiger wäre es, dass wenigstens eine größere Gruppe von Mitgliedstaaten der EU keinen Zweifel an ihrer Entschlossenheit zulässt, der Ukraine weiter zu helfen: politisch, humanitär und militärisch. Nach dem in der nächsten Woche bevorstehenden Regierungswechsel in Polen böte sich die Gelegenheit, zusammen mit Frankreich und eben Polen eine dahingehende Initiative zu ergreifen. Und was ist mit Großbritannien? Auch wenn die Briten leider nicht mehr in der EU sind, sie sind und bleiben ein wichtiger NATO-Partner in Europa und damit ein wichtiger Partner auch für uns. Wann gab es eigentlich die letzten Gespräche zwischen der Bundesregierung und der Regierung in London? Wenn die EU sich so schwer tut Entscheidungen zu treffen, dann müsste wenigstens eine Gruppe von Staaten in Europa eng und entschlossen zusammen handeln. Ohne Deutschland geht das in der Regel nicht, denn wir sind nun einmal das bevölkerungsreichste und wirtschaftlich stärkste Land in der Mitte Europas. Aber der Streit in der Ampel lähmt die deutsche Politik seit Wochen, die Enttäuschung über Deutschland kommt in allen Gesprächen in Europas Hauptstädten zur Sprache. Deutschland wird zum Totalausfall auf der internationalen Bühne. Die innenpolitischen Schäden, die die Bundesregierung hinterlässt, werden wir mit viel Mühe wohl eines Tages beseitigen können. Aber der Ansehensverlust und der Schaden, der gegenwärtig in Europa und in unseren auswärtigen Beziehungen entsteht, der ist möglicherweise auf sehr lange Zeit nicht mehr zu reparieren. Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
02.12.2023 Liebe Leser, das war eine denkwürdige Woche in Berlin. Eigentlich war sie vorgesehen als Haushaltswoche, der Bundeshaushalt 2024 sollte verabschiedet werden. Aber die von uns gegen den Willen der Ampelfraktionen durchgesetzte Anhörung von Sachverständigen im Haushaltsausschuss in der Woche zuvor hatte ein klares Ergebnis: Der Bundeshaushalt 2024 darf gar nicht verabschiedet werden, bevor nicht die Folgen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Schuldenbremse im Haushaltsplan für 2024 verarbeitet waren. Die Ampel wollte allen Ernstes so tun, als ob man das alles noch später erledigen kann. Jetzt kommt die Regierung – wieder einmal – unter Zeitdruck. Aber gerade bei den Staatsfinanzen gilt nun noch mehr als je zuvor: Gründlichkeit vor Schnelligkeit! Der Bundesfinanzminister scheint dies auch so zu sehen, SPD und Grüne dagegen drücken aufs Tempo und wollen noch in diesem Jahr die Baustelle Haushalt 2024 schließen. Aber das wird nicht gehen ohne eine Grundsatzentscheidung der Bundesregierung, ob sie denn nun die Schuldenbremse im Jahr 2024 endlich wieder einhalten will, oder nicht. Die Alternative, vor der die Bundesregierung steht, ist dabei ganz klar: Eine Überschreitung der Obergrenze der Neuverschuldung, die für das Jahr 2024 bei etwa 22 Milliarden Euro liegt, kommt nach unserer Verfassung nur in Betracht im Falle von „Naturkatastrophen oder außergewöhnliche(n) Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen“. Dies kann die Bundesregierung auch nicht einfach nur unterstellen, sie braucht dafür einen Bundestagsbeschluss mit der Mehrheit seiner Mitglieder (Kanzlermehrheit). Weder die zurückgehenden Auswirkungen von Corona, noch die Folgen des Krieges in der Ukraine dürften diese Voraussetzungen erfüllen. Die Flutkatastrophe an der Ahr, die vor allem von der SPD immer wieder herangezogen wird, war eine furchtbare Naturkatastrophe und vor allem eine menschliche Tragödie, aber sie rechtfertigt ebenfalls nicht die Überschreitung der Schuldengrenze des Grundgesetzes, schon weil sie von ihrer Dimension her – so schrecklich sie an Ort und Stelle war – für sich genommen die Finanzlage des Bundes nicht „erheblich beeinträchtigt“. Die Bundesregierung muss nun also erstmalig an anderer Stelle einsparen. Das war im Koalitionsvertrag nicht vorgesehen, ist aber die neue Realität. Und der Bundesfinanzminister hat recht, wenn er sagt, dass wir kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem haben. Man darf gespannt sein, was daraus für die nächsten Wochen folgt. Es dürfte weiterer Streit in der Luft liegen, zumal sich die Koalition in dieser Woche noch nicht einmal auf einen Zeitplan für die weiteren Beratungen im Bundestag einigen konnte. Bürger und Unternehmen im Land bleiben verunsichert, das europäische und weitere Ausland schaut mit zunehmender Fassungslosigkeit auf die Regierung der immer noch viertgrößten Volkswirtschaft der Welt. Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien trotzdem ein schönes erstes Adventwochenende! Ihr Friedrich Merz |
26.11.2023 Liebe Leser, nachdem die Ampel-Regierung vor gut einer Woche die wohl härteste Zurechtweisung durch das Bundesverfassungsgericht erfahren hat, die eine Bundesregierung in Karlsruhe jemals kassiert hat, beginnt jetzt Phase 3 der Aufarbeitung: Nach der Schockphase (Schweigen) folgte zunächst die Trotzphase („Vielen Dank, Friedrich Merz“) und in dieser Woche nun die Ausweichphase: Wie kommen wir nur um diese Entscheidung drumherum? Nach Schockstarre und Beschimpfung der Antragsteller (und ein bisschen klingt mit: „ignorantes Verfassungsgericht“) nun also Hektik in der Bundesregierung. Wie kann man den Bundeshaushalt 2023 noch retten und vor allem: Wie bekommen wir einen verfassungskonformen Bundeshaushalt für 2024 hin? Für 2023 zeichnet sich eine Lösung ab: Die bereits getätigten Ausgaben aus dem Klima- und Transformationsfonds KTF werden ebenso wie die Zahlungen aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds WSF nachträglich umgebucht in den regulären Haushalt. Der wiederum nimmt die Schulden auf, die eigentlich im KTF („Wumms“) und im WSF („Doppelwumms“) gebunkert waren und finanziert sie auf der Grundlage einer nachträglich festgestellten außergewöhnlichen Notlage. Die wiederum wird begründet mit den stark gestiegenen Energiepreisen nach dem Krieg in der Ukraine, die im Winter 2022 noch weit in das Jahr 2023 hinein fortgewirkt haben. Eine gewagte Konstruktion, sowohl im Verfahren als auch in der Begründung, aber die Sachverständigen aus der Anhörung des Haushaltsausschusses nach der Verfassungsgerichtsentscheidung halten ihn für gangbar. So einfach wird das für 2024 dagegen nicht. Die Energiepreise sind wieder stark gesunken, viele der verbleibenden Probleme des Landes sind hausgemacht und entziehen sich eben keineswegs dem Zugriff des Staates, was eine weitere Voraussetzung für die Aussetzung der Schuldenbremse wäre. Es gibt 2024 keine außergewöhnliche Notlage mehr – die gegenwärtige Lage ist schwierig, keine Frage, aber außergewöhnlich ist sie nicht, im Gegenteil: So, wie sie gegenwärtig ist, dürfte die Lage auf absehbare Zeit bleiben. Da die Ampel aber trotzdem Geld braucht, um ihre „Transformation“ zu bezahlen, jedenfalls die „Transformation“, die sich vor allem die Grünen vorstellen, werden die Einnahmen des Bundes nicht reichen, um einen Haushalt aufzustellen, der die Schuldenbremse einhält. Und weil ein Aussetzen der Schuldenbremse wegen einer Naturkatastrophe oder einer außergewöhnlichen Notlage nicht mehr in Betracht kommt, wird gleich die Schuldenbremse insgesamt ins Visier genommen: Sie passe nicht mehr in die Zeit, Notlage sei jetzt immer („Klimanotlage“) und sie sei überhaupt eine „Zukunftsbremse“, die man jetzt schleunigst überwinden müsse, denn das Land brauche dringend „Zukunftsinvestitionen“. Und Zukunftsinvestitionen sind so ziemlich alle Ausgaben, die die Grünen und die SPD jetzt und sofort so gerne hätten: Förderung für Industrieansiedlungen, Geld für die Infrastruktur, Geld für die Bildung, Geld für die Umstellung auf grüne Stahl-, Zement- und Papierproduktion, Förderprogramme für die Wärmepumpe in privaten Haushalten, höheres „Bürgergeld“ als Investition in den gesellschaftlichen Zusammenhalt, Kindergrundsicherung als Investitionen in die Familien und so weiter. So werden sukzessive alle Staatsausgaben zu „Investitionen“ erklärt. Diesen segensreichen Investitionen in unsere Zukunft stehe nun nur noch die antiquierte „Schuldenbremse“ des Grundgesetzes im Weg – und mit ihr einige Gestrige, die den Geist der neuen Zeit noch immer nicht verstanden haben. Der Furor gegen die Schuldenbremse missachtet dabei gern die Gründe, die vor 15 Jahren zu dieser Grundgesetzänderung geführt haben, nämlich genau die Umdeutung aller möglichen Staatsausgaben zu „Investitionen“, die nach der alten Regelung immer höher sein mussten als die aufgenommenen Schulden. Da die Schulden vor allem unter den SPD-geführten Regierungen auf immer neue Höchststände anstiegen, musste der Investitionsbegriff auch immer weiter ausgedehnt werden, genau wie heute wieder. Und deshalb wurde genau die Regelung in das Grundgesetz eingeführt, die wir heute haben, nämlich eine strikte Verschuldungsobergrenze in guten Zeiten und eine Ausnahme für schlechte Zeiten. Das Grundgesetz schützt damit die Staatsfinanzen vor dem allzu dreisten Zugriff der Regierenden, es schützt auch den Haushaltsgesetzgeber vor sich selbst, und es schützt die Spielräume in den öffentlichen Haushalten für zukünftige Generationen. „Nachhaltigkeit“ in den Staatsfinanzen könnte man das nennen, ein Begriff, den SPD und Grüne in jeder umweltpolitischen Debatte gern im Munde führen, in den Haushaltsberatungen dagegen nie. Damit zwingt die Schuldenbremse des Grundgesetzes die Bundesregierung nun zu dem, was sie eigentlich schon unmittelbar nach dem Beginn des Ukraine-Krieg hätte tun sollen, nämlich zu einer Neuordnung der Prioritäten der deutschen Politik. Man könnte es auch „Zeitenwende“ nennen, die mit fast zwei Jahren Verspätung von einer fast folgenlosen Floskel zum Imperativ der Bundesregierung wird. Wenn die selbst ernannte „Fortschritts-Koalition“ noch die Kraft dazu hätte, könnte dies sogar eine Chance zu einem grundlegenden Politikwechsel in Deutschland sein. Und den brauchen wir dringend – mit dieser Regierung oder spätestens nach ihr. Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
19.11.2023 Liebe Leser, das Bundesverfassungsgericht hat am letzten Mittwoch eine Entscheidung getroffen, die es in sich hat: Der Nachtragshaushalt für das Jahr 2021, der im Frühjahr des letzten Jahres rückwirkend verabschiedet wurde, ist nicht nur verfassungswidrig, sondern auch nichtig. Nichtigkeit bedeutet: Von Anfang an unwirksam. Damit fehlen der Ampelkoalition rund 60 Milliarden Euro für Projekte, die vor allem der Bundeswirtschaftsminister im Zuge des Strukturwandels hin zur klimaneutralen Wirtschaft einsetzen wollte. Trotzdem hat die Koalition in dieser Woche die Arbeiten am Haushaltsentwurf für das Jahr 2024 fortgesetzt, als ob es diese Entscheidung nicht gegeben hätte. Unsere Bitte, doch angesichts der sicher zu erwartenden Notwendigkeit, im nächsten Jahr gegebenenfalls einen Nachtragshaushalt aufstellen zu müssen, die Beratungen schon jetzt auf eine neue Grundlage zu stellen, hat die Koalition mit ihrer Mehrheit abgelehnt. Wenn aber zu dem Zeitpunkt, zu dem der Haushalt noch nicht verabschiedet ist, sicher zu erwarten ist, dass ein Nachtragshaushalt kommen muss, dann verstößt dieses Haushaltsverfahren gegen die Grundsätze der Haushaltsklarheit und der Haushaltswahrheit. Beides sind Grundsätze, die das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung in dieser Woche praktisch mit Verfassungsrang ausgestattet hat. Damit steht dem Bundeshaushalt 2024, wenn er denn so verabschiedet wird, vom ersten Tag an der Verdacht einer weiteren Verfassungswidrigkeit auf die Stirn geschrieben. Und gleichzeitig wird die Koalition nicht müde, unsere Bundestagsfraktion immer wieder aufzufordern, eigene Vorschläge zu unterbreiten und damit eine „staatspolitische Verantwortung“ in der Opposiotion zu übernehmen. Die Erfahrung der letzten zwei Jahre zeigt allerdings, dass der Umgang der Koalition mit uns vor allem darin besteht, sämtliche Vorschläge, die wir in den Deutschen Bundestag einbringen, ausnahmslos abzulehnen. Das kann die Regierung so machen, aber dann darf sie nicht erwarten, dass wir uns mit eigenen Anträgen auch noch an einem verfassungswidrigen Haushaltsverfahren beteiligen. Anders als in den letzten beiden Jahren haben wir daher in der letzten Sitzung des Haushaltsausschusses in dieser Woche keine eigenen Anträge gestellt und dafür alle Einzelpläne bis auf die der Verfassungsorgane abgelehnt. Die Ablehnung gilt selbstverständlich auch für den Gesamthaushalt. Wir sind und bleiben konstruktive Opposition. Angesichts des Verhaltens der Ampelfraktionen steht unsere staatspolitische Verantwortung gegenwärtig allerdings vor allem darin, die Bundesregierung auf dem einzigen Weg, den wir gehen können, zum Respekt vor unserer Verfassung zu zwingen. Dieser Weg führt leider nur über das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Wir behalten uns vor, dort auch den noch größeren Schattenhaushalt der Bundesregierung, nämlich den Wirtschaftsstabilisierungsfond WSF, zum Gegenstand einer Verfassungsklage zu machen. Alle Versuche, mit der Koalition ein gutes Einvernehmen in Einzelfragen im Deutschen Bundestag zu erreichen, sind in den letzten Jahren gescheitert. Allein beim Sondervermögen für die Bundeswehr konnten wir uns auf eine Verfassungsänderung mit der Koalition verständigen, aber dafür hat sie uns eben auch gebraucht. In den anderen Fragen, in denen es um die Zukunft unserer Staatsfinanzen geht, ist uns zur Zeit nur der Weg zum Bundesverfassungsgericht eröffnet. Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
12.11.2023 Liebe Leser, „zuerst schneiden wir den Juden die Kehle durch, dann den Schwulen und zum Schluss den Christen“ – so werden zwei Mitarbeiter der Jugendhilfeorganisation Arche aus Berlin in dieser Woche in einer Zeitung zitiert. Sie beschreiben, wie sie ihren Alltag erleben und was sie hören in den Schulen Berlins, in denen ein hoher Anteil der Kinder und Jugendlichen aus Migrantenfamilien stammt. „Wir stehen vor einer Katastrophe“ ist das bittere Fazit dieser Erzieher, die den Mut aufbringen, mit Gesicht und Namen in die Öffentlichkeit zu gehen. Diesen Mut hätte ich mir von vielen anderen auch gewünscht. Nicht nur von denen, die einen ähnlichen Alltag in Schulen und Universitäten erleben, auch von denjenigen, die in Kultur und Medien unterwegs sind. Rund 15.000 Teilnehmer kamen zusammen, als Parteien, Kirchen, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände und viele weitere gesellschaftliche Gruppen zu einer Solidaritätskundgebung mit Israel vor drei Wochen nach Berlin eingeladen hatten. Immerhin 15.000, aber es hätten durchaus einige mehr sein dürfen. Namhafte Vertreter aus Kultur und Medien waren so gut wie nicht zu sehen. Aber wenn es um Israel geht und um Antisemitismus in Deutschland, dann kann es keine vornehme Zurückhaltung geben, schon gar nicht gleiche Distanz zu beiden Seiten. Der Terror in Israel richtet sich auch gegen uns, er richtet sich gegen unsere Freiheit und unsere Lebensweise, er wird gefeiert auf deutschen Straßen und mit den verbalen Attacken, die nicht immer verbal bleiben, fortgesetzt. Wenn der Satz irgendwann richtig werden soll, dass Antisemitismus in Deutschland keinen Platz hat, dann muss diesem Treiben in Deutschland ein Ende gesetzt werden. Reden allein hilft nicht mehr, jetzt sind klare und unmissverständliche Entscheidungen gefragt. Ein Schwerpunkt müssen die Schulen und der Geschichtsunterricht sowie der Religionsunterricht dort sein. In keiner Schule darf der Besuch eines Konzentrationslagers vor dem Schulabschluss mehr fehlen, auch und gerade in den Schulen mit einem hohen Anteil von Schülern aus Migrantenfamilien. Die Einbürgerung in Deutschland muss verbunden werden mit dem klaren Bekenntnis zur Religions- und Glaubensfreiheit ebenso wie mit einem Bekenntnis zum Existenzrecht des Staates Israel. Wir haben das Ausmaß des Fremdenhasses und vor allem des Antisemitismus in Deutschland lange unterschätzt. Es wird ein langer und mühsamer Weg, diese Feindseligkeiten einzudämmen und zurückzudrängen. Aber es gibt auch ermutigende Zeichen. In dieser Woche habe ich mich mit einer Gruppe von überwiegend türkischstämmigen Unternehmern, Lehrern und Kulturschaffenden getroffen. Sie alle waren entsetzt über das Ausmaß des Hasses unter einem Teil – und es ist nur ein Teil, wenn auch ein viel zu großer – ihrer Landsleute. Aber sie sind entschlossen, jetzt noch mehr als zuvor für die Werte unserer offenen Gesellschaft einzustehen, in einem Land, das ihre Heimat ist. Und gerade eben habe ich auf dem Kurfürstendamm in Berlin zufällig einen Erzieher und einen Unternehmer getroffen, die von Geschäft zu Geschäft gegangen sind und Aufkleber für die Eingangstüren verschenkt haben mit dem Davidstern, einem Herzen in der Mitte und dem Wort WELCOME darunter. An vielen Türen war der Aufkleber schon zu sehen. Unsere Zivilgesellschaft meldet sich Wort, und das wurde auch Zeit. Die Botschaft ist ganz einfach und sehr klar: Wir überlassen den Feinden unserer Demokratie und unserer Freiheit nicht unser Land. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende! Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
28.10.2023 Liebe Leser, in dieser Woche hat der Bundeswirtschaftsminister eine neue „Industriestrategie“ vorgestellt. Es war nicht eine Strategie der gesamten Bundesregierung, sondern ausschließlich seine. Immerhin. Und der Bundeswirtschaftsminister bekennt sich zur Industrie, sonst bräuchte es ja auch keine dahingehende Strategie. Die Einordnung der Industrie in Deutschland als maßgeblicher Pfeiler unseres Wohlstands dürfte auf breite Zustimmung stoßen. Aber wie ist es um die Antworten bestellt in der Industriestrategie? Der Bundeswirtschaftsminister beklagt zu Recht die hohen Energiekosten als einen der Gründe, warum viele deutsche Industrieunternehmen nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Aber er verschweigt, dass er zusammen mit seinen Grünen selbst dafür gesorgt hat, dass das heute so ist. Der Ausstieg aus der Kernenergie vor einem halben Jahr war genauso falsch wie die anhaltende Verengung der Stromerzeugung auf Wind und Sonne. Zahlreiche weitere Kostentreiber werden so gut wie gar nicht angesprochen: Arbeits- und Bürokratiekosten steigen in Deutschland seit Jahren kontinuierlich an, die Steuern für die Unternehmen sind in Deutschland mit die höchsten in der gesamten OECD. Wie aber soll eine Volkswirtschaft wettbewerbsfähig bleiben, wenn die wesentlichen Kostenfaktoren beständig steigen oder zumindest auf hohem Niveau verharren? Das Heruntersubventionieren des Strompreises für ausgewählte Unternehmen der energieintensiven Industrie kann darauf nicht die richtige Antwort sein. Die Staatsfinanzen erlauben auf absehbare Zeit keine umfassenden Entlastungen. Dafür sind die eingegangenen Verpflichtungen einschließlich aller Transferleistungen einfach zu hoch. Die seit Jahren überfällige Änderung des Arbeitszeitgesetzes hin zu mehr Wochenarbeitszeit statt starrer Tagesarbeitszeit und vor allem ein striktes Bürokratiemoratorium hätten für Entlastung sorgen können. Aber die Bürokratiekosten steigen seit dem Amtsantritt der Ampelregierung beständig weiter an. Zu alledem schweigt der Bundeswirtschaftsminister, im Zweifel ist er mit Gesetzen aus dem eigenen Zuständigkeitsbereich selbst beteiligt an der weiter wachsenden Bürokratie in Deutschland. Wenn jedoch diese Kosten immer nur in die eine Richtung gehen, nämlich immer weiter nach oben, dann ist so eine Industriestrategie nicht viel wert – außer der Erkenntnis, dass wir für unseren Wohlstand auch in Zukunft Industrie brauchen, theoretisch jedenfalls. Beste Grüße Ihr Friedrich Merz |
22.10.2023 Liebe Leser, am kommenden Mittwoch wird der „Deutschland-Pakt“ des Bundeskanzlers 50 Tage alt. Alexander Dobrindt und ich haben am selben Tag, an dem der Bundeskanzler einen solchen Vorschlag unterbreitet hat – am 6. September 2023 – und am Tag danach noch einmal zugesagt, das Angebot anzunehmen und mit der Bundesregierung nach Wegen zu suchen, die illegale Migration nach Deutschland so schnell und so weit wie möglich zu stoppen. Zusammen mit dem hessischen Ministerpräsidenten Boris Rhein habe ich am vorletzten Freitagabend, also auch schon wieder sechs Wochen später, in denen nichts geschehen ist, beim Treffen mit dem Bundeskanzler ein umfassendes Maßnahmenpapier zur Begrenzung der illegalen Migration vorgelegt. Das Papier enthält eine Vielzahl an Vorschlägen, die auf nationaler und europäischer Ebene eine tatsächliche Wende in der Migrationspolitik einleiten würden. Und anders als von Vertretern der Ampel in den Medien behauptet wird, haben wir das Papier nicht „im Rausgehen“ mal ebenso dagelassen, sondern im Verlauf des Gesprächs ausgehändigt und erläutert. Nach einer weiteren Woche ohne Reaktion habe ich dem Bundeskanzler in Abstimmung mit den Ministerpräsidenten der Union an diesem Freitag einen Brief geschrieben und unser Gesprächsangebot erneuert. Zu diesem Zeitpunkt war uns bereits das Interview des Bundeskanzlers im SPIEGEL vom Wochenende bekannt, überschrieben mit den Worten: „Wir müssen endlich im großen Stil abschieben.“ Der Bundeskanzler hat offenbar verstanden, dass es in der Flüchtlingspolitik so nicht weitergehen kann. Aber die Jusos werfen dem Bundeskanzler nun vor, sich „direkt aus dem Vokabular des rechten Mobs“ zu bedienen. Ein Bundeskanzler, der einfach nur nach Recht und Gesetz handeln will, wird von seiner eigenen Partei mit dem „rechten Mob“ verglichen! Und dies geschieht, während wir Zeugen werden eines immer heftiger vorgetragenen und mit Gewalt gegen Polizeibeamte begleiteten Antisemitismus, der vor allem von Gruppen junger Migranten in vielen Städten gezeigt wird. Es ist deshalb an der Zeit, den Worten jetzt endlich Taten folgen zu lassen. Wenn die Reden über das Existenzrecht Israels und den Schutz der jüdischen Bevölkerung auch hier bei uns im Land glaubwürdig bleiben sollen, dann muss sich der Bundeskanzler über die Verharmloser und Beschwichtiger in der Ampel hinwegsetzen und gegebenenfalls nach Mehrheiten außerhalb seiner Koalition suchen. Das ist kein Angebot zu einer Koalition, sondern ein Angebot zur parteiübergreifenden Zusammenarbeit in der Sache und einfach nur Ausdruck unserer Sorge und der Verantwortung für unser Land, die wir in der der Opposition genauso tragen wie in der Regierung. Mit jedem Tag, der ungenutzt verstreicht, kommen bis zu 1.000 weitere Flüchtlinge nach Deutschland. Mit jedem Tag, der ungenutzt verstreicht, wird das Problem größer und irgendwann nicht mehr lösbar. Selten war ein Bundeskanzler in der Innen- und in der Außenpolitik so gefordert wie Olaf Scholz in diesen Wochen. Er vertritt unser Land nach außen würdig und angemessen. Aber das Schicksal seiner Regierung und seiner Kanzlerschaft entscheidet sich innenpolitisch, an der Bewältigung der Flüchtlingskrise. Ich wünsche Ihnen eine gute Woche! Ihr Friedrich Merz |
14.10.2023 Liebe Leser, seit dem letzten Samstag wird der Staat Israel von der Terrororganisation Hamas angegriffen. Weit über 1.000 Jüdinnen und Juden haben bisher ihr Leben verloren, darunter Kinder, Männer und Frauen jeden Alters und zahlreiche Polizisten und Soldaten. Der 7. Oktober 2023 wird als ein schwarzer Tag in die Geschichtsbücher des jüdischen Volkes eingehen. Auch wir nehmen diesen Tag auf in unsere Geschichtsbücher. Die Opfer in Israel sind in ihrer Trauer, aber auch in ihrer Entschlossenheit nicht allein. Jeder zivilisierte Mensch, egal woher er kommt oder an was er glaubt, und vor allem wir Deutsche stehen in diesen Tagen ganz besonders an der Seite Israels und gegen diese unfassbare Barbarei. Unser tiefempfundenes Mitgefühl gilt dem gesamten israelischen Volk, insbesondere den Familien der Toten, der Verletzten und der Geiseln. Die Bilder verzweifelter Mütter und Väter, Töchter und Söhne, Schwestern und Brüder erfüllen auch uns mit großer Trauer. Als Familienvater kann ich den unermesslichen Schmerz, den Familien in ganz Israel, aber auch bei uns in Deutschland, die nahe Angehörige oder Freunde verloren haben oder um deren Leben sie bangen, nur erahnen. Es gibt für diese feigen und abscheulichen Exzesse der Gewalt keine Rechtfertigung. Israel reagiert auf diese Barbarei im Rahmen seines völkerrechtlich verbrieften Rechts auf Selbstverteidigung. David Ben Gurion, Israels erster Premierminister, hat einmal gesagt: „Das Schicksal Israels hängt von zwei Dingen ab: seiner Stärke und seiner Gerechtigkeit.“ Wir wünschen dem Staat Israel, dass er sein Selbstverteidigungsrecht mit Stärke und Gerechtigkeit ausübt. Seit dem Menschheitsverbrechen der Shoa sind an keinem Tag so viele Jüdinnen und Juden gewaltsam um ihr Leben gebracht worden wie an diesem schicksalhaften 7. Oktober 2023. Gerade für uns Deutsche gilt daher: Wo immer jüdisches Leben bedroht, gefährdet oder gar vernichtet wird, stehen wir für Schutz und Freiheit in ganz besonders herausgehobener Verantwortung. Und deshalb schämen wir uns, dass auf deutschen Straßen der Tod von Jüdinnen und Juden gefeiert wird. Unser demokratischer Staat darf solche Zustände nicht dulden, und er muss mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln unseres Rechtsstaates sicherstellen, dass jede Form antisemitischer Gewaltverherrlichung unterbunden wird – ohne Wenn und Aber. Doch damit ist es nicht getan. Wir müssen den Kampf gegen Antisemitismus in unserem Land jetzt noch entschlossener fortsetzen. Dazu zählt, dass Vereine und Organisationen, die die Hamas oder andere islamistisch-militante Organisationen unterstützen, verboten werden. Wer für Terroristen Geld sammelt oder offen mit ihnen sympathisiert, kann sich nicht auf die Meinungsfreiheit berufen; es sind Straftaten, die wir nicht dulden dürfen. Dazu zählt, dass als Kunst getarnter Antisemitismus etwa auf der Kasseler documenta als das bezeichnet und unterbunden wird, was er tatsächlich ist: widerlicher und abscheulicher Judenhass. Dazu zählt auch, dass wir unsere Iran-Politik endlich von allen Illusionen befreien. Das Mullah-Regime in Teheran ist eine existenzielle Bedrohung nicht nur für Menschenrechte und Freiheit im eigenen Land, sondern auch für das Leben der Menschen in Israel und den Fortbestand ihres ganzen Staates. Und dazu zählt auch, dass wir alle Zahlungen an die palästinensischen Gebiete und Organisationen auf den Prüfstand stellen. Unser Maßstab muss sein: Wer Israel vernichten will oder den Holocaust verharmlost, der darf auch kein deutsches Steuergeld mehr erhalten. Zu dieser Entschlossenheit gegen Antisemitismus zählt schließlich auch, dass wir keine rechtsfreien Räume in Deutschland dulden, in denen der Hass gegen Israel gepredigt wird. Deshalb muss das Islamische Zentrum in Hamburg endlich geschlossen werden! Vor einem halben Jahr, am 12. Mai 2023, haben wir im Deutschen Bundestag den Jahrestag der Gründung des Staates Israel gewürdigt. Wir haben gemeinsam die Zusage erneuert, dass die Sicherheit und das Existenzrecht des Staates Israel Teil der deutschen Staatsräson sind. Wir hätten uns vermutlich alle nicht vorstellen können, dass es mit dieser Zusage nun ernst wird. Wie ernst es werden könnte, wissen wir noch nicht. Aber neben dem Krieg in der Ukraine wissen wir seit dem vergangenen Samstag, dass an einem nächsten Ort in unserer weiteren Nachbarschaft die Freiheit und der Friede verteidigt werden müssen. Der Jom-Kippur-Krieg begann an einem 6. Oktober. Der Krieg dauerte 20 Tage und endete mit dem Sieg Israels über die angreifenden arabischen Staaten. Wie lange dieser Krieg nun dauern wird, vermag niemand von uns zu sagen. Doch eines ist schon jetzt klar: Unsere Solidarität darf keine Risse bekommen – auch dann nicht, wenn Israel das Notwendige tut, um seine Sicherheit wiederherzustellen. Vom früheren israelischen Premierminister Yitzhak Rabin stammt der Satz: „Wir feiern den Tod unserer Gegner nicht.“ Gerade in einem solchen Satz zeigt sich der Unterschied zwischen einer zivilisierten Demokratie und einer hasserfüllten Terrorgruppe. Ich wünsche Ihnen trotz der furchtbaren Bilder, die wir aus Israel sehen, ein gutes Wochenende Ihr Friedrich Merz Der Text entspricht in gekürzter Fassung meiner Rede im Deutschen Bundestag vom 12. Oktober in der Aussprache über die Regierungserklärung des Bundeskanzlers |
30.09.2023 Liebe Leser, in der nächsten Woche jährt sich zum 33. Mal der Tag, an dem die deutsche Einheit vollzogen wurde: der 3. Oktober. Wir werden den Tag wie in jedem Jahr feiern, in diesem Jahr in Hamburg. Wir werden dankbar zurück und zuversichtlich nach vorn blicken. Und doch liegt immer noch ein Schatten über diesem Jahrestag. Ist die deutsche Einheit wirklich vollendet, nicht nur im staatlichen Sinne, sondern auch im Sinne unseres gesellschaftlichen Zusammenhalts? Haben wir gleichwertige Lebensverhältnisse erreicht in Ost und West? Sind wir auch emotional „ein Volk“? Darüber wurde in den letzten Monaten erneut viel geschrieben, nun vor allem von jungen Autorinnen und Autoren, die die Zeit vor der Einheit gar nicht oder nur als kleine Kinder miterlebt haben. „Der Osten: eine westdeutsche Erfindung – Wie die Konstruktion des Ostens unsere Gesellschaft spaltet“ lautet der Titel eines der Bücher, das seit Wochen in den Bestsellerlisten zu finden ist. Und in der Tat: Die deutsche Einheit ist ohne Zweifel im staatsrechtlichen Sinne vollzogen. Aber ein echtes Zusammengehörigkeitsgefühl mag sich bis heute nicht so richtig einzustellen. Der Osten weist signifikante Unterschiede auf zum Westen, im Lebensstandard, im Altersdurchschnitt, nicht zuletzt in der politischen Grundstimmung. Viele Menschen im Osten fühlen sich abgehängt, die Zweifel an der Demokratie sind größer, viele sehen Europa und die Westbindung kritischer und Russland unkritischer als der Westen. Was also ist zu tun? Zunächst: Der Osten unseres Landes braucht Hinwendung und Anerkennung. Die Menschen im Osten haben viel erreicht, und sie haben in den letzten Jahren trotz aller Widrigkeiten Enormes geleistet. Kein anderer Teil des früheren Ostblocks in Europa hat es besser geschafft als der Osten unseres Landes. Aber es steht uns Westdeutschen gut an, zuzugeben, dass im Zuge der deutschen Einheit manches hätte anders gemacht werden können. Die Arbeit der Treuhand war unverzichtbar, aber das notwendige Einfühlungsvermögen in die Welt derer, die ihren Arbeitsplatz verloren haben, hätte besser sein können. Die Marktwirtschaft wurde übergestülpt, aber nicht erklärt. Der materielle Wohlstand ist gekommen, aber Nähe und Vertrautheit im Alltag sind vielerorts verloren gegangen. Ohne Zweifel sind „blühende Landschaften“ entstanden, aber vor allem im äußeren Erscheinungsbild der kleinen und großen Städte, nicht so sehr in den zurückgebliebenen ländlichen Räumen ohne gute Infrastruktur. Leitungspositionen in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft sind immer noch sehr ungleich verteilt. Und mehr als 30 Jahre deutsche Einheit haben nicht ausgereicht, um den Menschen eine wenigstens kleine Vermögensbildung zu eröffnen. Die Erbschaftsteuerstatistik zeigt ein besonders krasses Bild, wie unterschiedlich Privat- und Betriebsvermögen in West und Ost verteilt sind. Eine „Erfindung des Westens“ ist der Osten gewiss nicht. Die Freiheit und die Öffnung hin zur deutschen Einheit sind zuallererst das Verdienst der Menschen im Osten. Aber für uns alle bleibt auch nach 33 Jahren immer noch viel zu tun, um die Einheit in Freiheit im Ganzen zu verwirklichen. Nach wie vor gibt es viele Gründe zum Feiern, aber mindestens ebenso viele Gründe für Gespräche, gegenseitiges Zuhören und ein beständiges aufeinander Zugehen. Der 3. Oktober ist und bleibt ein Feiertag, aber er bleibt auch ein Auftrag an uns alle, in Ost und West. Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
10.09.2023 Liebe Leser, in der Haushaltsdebatte des Deutschen Bundestages hat der Bundeskanzler den Vorschlag unterbreitet, einen neuen „Deutschland-Pakt“ zu schließen. Bund, Länder, Kommunen und die „demokratische Opposition“ sollten bei Planungsbeschleunigung, Digitalisierung, Wachstumsförderung und Migration enger zusammenzuarbeiten, damit es mehr Tempo gibt bei der Umsetzung notwendiger Reformen. Das klingt alles nach einem großen Plan, aber bei Licht betrachtet wirft der Vorschlag mehr Fragen auf, als er Antworten gibt. Zunächst: An wen richtet sich der Plan denn nun? Interessant ist, dass der Bundeskanzler den Vorschlag nicht im Namen der Bundesregierung, sondern ganz allein unterbreitet hat. Wie schon mehrfach in der Vergangenheit, waren die Ampelfraktionen nicht informiert und dementsprechend überrascht. Richtet sich der Vorschlag also vor allem an die eigene Regierung und die Bundestagsfraktionen von SPD, Grünen und FDP? Dann ist er mehr ein Ausdruck der Verzweiflung, denn die Zusammenarbeit in der Ampel funktioniert auch nach der Sommerpause nicht besser als vorher, trotz einer erneuten Therapiesitzung auf Schloss Meseberg. Richtet er sich an die Länder? Mit den Ministerpräsidenten berät der Bundeskanzler seit mehr als einem Jahr genau über die Themen, die er jetzt zum Gegenstand des „Deutschland-Pakt“ machen will. Entsprechend verstimmt sind die Ministerpräsidenten, denn die Beschlüsse der letzten Treffen sind zwar einstimmig getroffen worden, aber es hakt in der Bundesregierung, die mit der Umsetzung nicht vorankommt – weil die Ampelfraktionen untereinander fast überall streiten. Oder richtet er sich an uns, die Opposition im Deutschen Bundestag? Das wäre nun in mehrfacher Hinsicht überraschend, denn bisher hat die Koalition ausnahmslos alle Vorschläge von uns zu gemeinsamen Entscheidungen abgelehnt – selbst da, wo es in guter Tradition des Parlaments geradezu geboten wäre, zum Beispiel beim Wahlrecht. Aber auch die Vorschläge, die der Bundeskanzler mit den Ministerpräsidenten längst vereinbart hat, und die wir wortgleich in den Bundestag eingebracht haben, wie zum Beispiel die Verlängerung des Abschiebegewahrsams, haben die Ampelkoalitionen abgelehnt. Da stellt sich die Frage, ob der Bundeskanzler denn für seine Vorhaben überhaupt noch eine Mehrheit im Bundestag hat. Somit kommt wenigstens etwas Licht ins Dunkel: Wenn die Bundesregierung vernünftige Vorschläge macht, etwa um die Zahl der illegalen Grenzübertritte schnell und wirksam zu reduzieren, kann sie auf unsere Unterstützung zählen, so wie bisher auch. Wenn sie aber weiter streitet, dann bleibt der „Deutschland-Pakt“ genauso wie der „Doppel-Wumms“ und das „Deutschland-Tempo“ ein mehr oder weniger gut gelungener PR-Gag. Der Bundeskanzler führt nicht, er simuliert Führung. Für ein paar Überschriften in den Medien reicht das, für die Herausforderungen, vor denen unser Land steht, gewiss nicht. Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
03.09.2023 Liebe Leser, private Haushalte und Unternehmen leiden seit langem unter hohen Energiekosten. Kostentreiber waren schon in der Vergangenheit die hohen staatlichen Abgaben, die vor allem auf die Stromkosten erhoben wurden. Seit dem Krieg in der Ukraine hat es noch einmal einen Kostenschub gegeben, ausgelöst vor allem durch die hohen Kosten für die Gasversorgung der Kraftwerke. Besonders belastend wirken die hohen Stromkosten für Industrieunternehmen, vor allem für die, die energieintensiv produzieren: Die Stahlindustrie, die chemische Industrie, die Papierindustrie, die Zementindustrie, die Glasindustrie und viele andere. In der Ampelkoalition wird über die Lösung dieses Problems – wie sollte es auch anders sein – heftig gestritten. Der Bundeswirtschaftsminister will den Industriestrompreis auf mehrere Jahre heruntersubventionieren, der Bundesfinanzminister ist dagegen, die SPD-Bundestagsfraktion dafür, der Bundeskanzler dagegen und so weiter. Eine Lösung ist nicht in Sicht. Welche Lösung außer einer umfassenden Subvention der Strompreise für bestimmte Unternehmen könnte es geben? Jede Preisbildung am Markt ist zunächst einmal eine Reaktion auf Angebot und Nachfrage. Ist die Nachfrage höher als das Angebot, steigen die Preise und umgekehrt. Deshalb war es ein schwerer politischer Fehler, im April die drei letzten Atomkraftwerke in Deutschland stillzulegen. Das war ein Akt beispielloser Ignoranz und ein schwerer Schlag für die Stromversorgung in Deutschland, von den Auswirkungen auf den CO2-Ausstoß ganz zu schweigen. Zumindest diese drei Kernkraftwerke sollte man rasch wieder ans Netz gehen lassen, die Wiederaufnahme des Betriebs geht jedenfalls sehr viel schneller als der – ohnehin notwendige – Bau neuer Gaskraftwerke. Es wäre auch das Ende wenigstens eines Teils der deutschen Geisterfahrt in der Energiepolitik. Zudem müssten sofort alle weiteren Stromerzeugungskapazitäten genutzt werden, die wir haben: Natürlich Wind und Sonne, aber auch Solar- und Geothermie, jede Form der Verstromung von Biomasse und die Wasserkraft. Bevor wir dann immer noch weiter über die Subventionierung des Strompreises für die Industrie diskutieren, müssen die staatlichen Abgaben auf den Strom deutlich reduziert werden: Die Stromsteuer kann auf das europäische Minimum von 0,05 Cent pro KWH gesenkt werden, die Netzentgelte könnten halbiert werden. Davon würden auch alle profitieren, Mittelstand, Handwerk und Industrie ebenso wie alle privaten Haushalte. Wenn die Bundesregierung dann irgendwann zu der gemeinsamen Auffassung käme, dass immer noch eine Subvention auf den Industriestrompreis notwendig wäre, dann sollte sie diese einbetten in eine Industriestrategie, die strukturell und insgesamt bessere Rahmenbedingungen für die gesamte Industrie in Deutschland schafft, vor allem mit einem sofortigen Stopp neuer belastender Regulierungen auf europäischer und auf nationale Ebene. Einem durchgerechneten Konzept für einen zeitlich begrenzten, auch für den industriellen Mittelstand wirksamen Brückenstrompreis werden wir uns dann nicht verschließen. Deutschland muss auch in Zukunft ein Land mit produzierender Industrie bleiben, vom großen Industrieunternehmen bis zum eigentümergeführten Mittelstand und Handwerk. Dieser Teil unserer Volkswirtschaft braucht aber nicht in erster Linie Subventionen, sondern Freiräume und insgesamt niedrigere Steuern und Abgaben. Staatliche Hilfen können, wenn überhaupt, immer erst am Ende einer solchen Strategie stehen, nicht am Anfang. Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
27.08.2023 Liebe Leser, er sei „fassungslos“ – so sagt der Parteivorsitzende der SPD über die erneuten Streitereien in der Koalition. Fassungslos ist in erster Linie die Bevölkerung, die mit ansehen muss, wie die Ampel nunmehr seit Monaten miteinander umgeht und vor allem, wie sie zielsicher an den wichtigen Aufgaben unseres Landes vorbeiredet. SPD und FDP sprechen von einem „Führungsversagen“ bei den Grünen und meinen damit offenbar den Vizekanzler, der nicht in der Lage ist, die grünen Bundesminister auf eine einheitliche Meinung im Bundeskabinett zu bringen. Die Grünen hadern mit mehr oder weniger allem, was aus dem Finanzministerium kommt und drücken regelmäßig auf die Stopp-Taste, wie beim „Wachstumschancengesetz“. Dieses Gesetz hätte eigentlich vom Wirtschaftsminister kommen müssen, wenn er denn neben Klima- auch wenigstens ein bisschen Wirtschaftsminister wäre. Ein hochrangiges Ampel-Mitglied lässt sich zitieren, nun sei er „gedemütigt und ein wirtschaftspolitischer Bettvorleger“. Aus der FDP wiederum wird die Familienministerin zum „personifizierten Standortrisiko“ erklärt, die Grünen insgesamt zu „Fortschrittsblockierern“. Frau Paus wiederum spricht vom „Versagen des Sozialstaats“, wenn ihre Kindergrundsicherung nicht kommt, ein Sozialstaat, der auch von sozialdemokratischen Sozialministern über Jahrzehnte aufgebaut wurde und der heute Tag für Tag rund drei Milliarden Euro für Sozialleistungen einschließlich der Altersversorgung unserer Bevölkerung zur Verfügung stellt. Und wenn allein der zutreffende und von der Präsidentin der Bundesanstalt für Arbeit bestätigte Hinweis des Bundesfinanzministers auf die seit 2015 abnehmende Kinderarmut der deutschen Bevölkerung und die allein wegen der hohen Zahl der Flüchtlinge trotzdem auf hohem Niveau bleibt, schon für den Vorwurf der Fremdenfeindlichkeit aus den Reihen der SPD und der Grünen ausreicht, dann fragt man sich: Wie lange kann das eigentlich noch gutgehen? In der kommenden Woche wird sich die Koalition in Meseberg nun zu erneuten Friedensgesprächen einfinden. Vielleicht wird es auch eine Art Paartherapie. Die Ruhe dürfte aber nur von kurzer Dauer sein. Die Gräben und vor allem die gegenseitig zugefügten Verletzungen sind mittlerweile einfach zu tief. Und es stimmt ja auch: Es sind nicht nur die Details des Alltags, die SPD, Grüne und FDP voneinander trennen. Es sind offensichtlich ganz grundlegende Meinungsverschiedenheiten über die richtigen Antworten vor allem auf die wirtschaftliche Flaute, die uns wohl noch eine längere Zeit begleiten dürfte. Und der Bundeskanzler steht daneben, schweigt, beschönigt, beschwichtigt und ermahnt, aber er hat keine Autorität (mehr), um die Fliehkräfte der Koalition einzufangen. Die Koalition wird trotzdem vorerst zusammenbleiben. Der Kitt des Machterhalts ist halt zäh. Aber man kennt es aus dem privaten Leben: Ist eine Beziehung erst einmal im Innern zerrüttet, dann fällt sie irgendwann auch auseinander. Für unser Land bedeutet das nichts Gutes. Es geht wertvolle Zeit verloren, die wir eigentlich brauchen, um für die drängenden Herausforderungen unserer Zeit Lösungen zu finden. Und deshalb werden wir, die CDU und die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, in der nächsten Woche noch einmal ganz konkret unsere Vorschläge vor allem zur Wirtschaftspolitik vorstellen. Mit dabei sein wird ein ganzes Bündel an Maßnahmen zum Bürokratieabbau. Denn darin sind sich die Ampelfraktionen im Zweifel immer einig: Der Staatsapparat und mit ihm die Bürokratie wächst und wächst immer weiter. Diese Einigkeit treibt Betriebe und private Haushalte aber erst recht in die Verzweiflung. Ich wünsche Ihnen trotzdem ein schönes Wochenende! Ihr Friedrich Merz |
18.08.2023 Liebe Leser, in dieser Woche hat sich erneut im Bundeskabinett ein Bild der Zerstrittenheit gezeigt: Das über Wochen vorbereitete „Wachstumschancengesetz“ des Bundesfinanzministers, das eigentlich vom Bundeswirtschaftsminister hätte kommen müssen, ist am Einspruch der grünen Bundesfamilienministerin gescheitert. Sie habe einen „Leitungsvorbehalt“ eingelegt, und damit habe der Gesetzentwurf des Bundesfinanzministers nicht verabschiedet werden können. In der Bundesregierung wird nach ihrer Geschäftsordnung mit Stimmenmehrheit entschieden. Ein Widerspruchsrecht gegen Entscheidungen der Bundesregierung steht nach der Geschäftsordnung der Bundesregierung dem Bundesfinanzminister bei Fragen von finanzieller Bedeutung zu. Justiz- und Innenminister können Widerspruch gegen Entscheidungen des Kabinetts einlegen, die nach ihrer Auffassung unvereinbar sind mit geltendem Recht, vor allem unvereinbar sind mit dem Grundgesetz. Aber die Familienministerin? In der Tat, auch sie hat besondere Rechte aus der Geschäftsordnung der Bundesregierung. Sie kann die Absetzung einer Kabinettsvorlage von der Tagesordnung verlangen, „wenn es sich um eine frauenpolitische Angelegenheit von besonderer Tragweite handelt und sie bei der Vorbereitung der Kabinettsvorlage nicht hinreichend beteiligt worden ist, (…).“ Das „Wachstumschancengesetz“ also als „frauenpolitische Angelegenheit von besonderer Tragweite“? Das glaubt nicht mal die Familienministerin. Sie will schlicht mehr Geld für ein in der Regierung hochumstrittenes Projekt vom Finanzminister erzwingen: die sogenannte „Kindergrundsicherung“. Es bleibt trotzdem eine sachfremde Erpressung des Bundeskabinetts, insbesondere des Bundesfinanzministers und eine offene Brüskierung des Vizekanzlers. Aber der Vorgang wird noch aufschlussreicher, wenn man den ganzen Satz aus der Geschäftsordnung liest. Dort heißt es nämlich weiter: „(…) es sei denn, dass der Bundeskanzler die sofortige Beratung für notwendig hält.“ Damit kommt der Bundeskanzler ins Spiel. Er hätte am Mittwoch das Wachstumschancengesetz auch gegen den Willen der Bundesfamilienministerin beschließen lassen können, wenn, ja wenn er denn die sofortige Beratung für notwendig befunden hätte. Das war aber offenkundig nicht der Fall. Und damit reiht sich der offene Streit in der Koalition und die Führungsverweigerung des Bundeskanzlers ein in dessen Fehleinschätzung der wirtschaftlichen Lage unseres Landes. Trotz steigender Insolvenzen, steigender Arbeitslosigkeit und hoher Kapitalabflüsse aus Deutschland gibt es für den Bundeskanzler offenbar keinen Grund zur Sorge. Im Gegenteil, Woche für Woche kommen neue Vorschläge aus seiner Koalition mit weiteren Regulierungen, Verboten und bürokratischen Auflagen für Betriebe und private Haushalte. Die ohnehin geringen steuerlichen Entlastungen, die der Bundesfinanzminister vorschlägt, müssen warten. „Wer Führung bestellt, bekommt Führung!“ – so hatte sich der Bundeskanzler zu Beginn seiner Amtszeit einmal eingelassen. Er macht stattdessen noch nicht einmal von den einfachsten Möglichkeiten Gebrauch, die ihm die Geschäftsordnung gibt, um sein Bundeskabinett arbeitsfähig zu erhalten. Zaudern, zögern, Streit auf offener Bühne, verschieben und vertagen – das sind die Merkmale der Bundesregierung. So kann man die viertgrößte Volkswirtschaft nicht führen. Aber eine Entscheidung hat das Kabinett in dieser Woche dann immerhin doch getroffen: Cannabis darf in Zukunft angebaut werden und wird frei erhältlich sein. Wenn schon keine Wirtschaftspolitik, dann doch wenigstens Drogen für alle. Die Ampel lässt herzlich grüßen! Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende Ihr Friedrich Merz |
11.08.2023 Liebe Leser, höhere Steuern für „Reiche“, Wiedereinführung der Vermögensteuer, Abschaffung des Ehegattensplittings und dann auch noch die Abschaffung der Schuldenbremse: SPD und Grüne lassen keinen Zweifel daran zu, wie sie sich das Verhältnis von Staat und Bürgern vorstellen. Doch die Schuldenbremse steht im Grundgesetz, und das lässt sich nur mit einer Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat ändern. Die Schuldenbremse soll vor allem die strukturelle Verschuldung des Bundeshaushaltes begrenzen, also die Verschuldung, die unabhängig von der Konjunktur und von außergewöhnlichen Ereignissen die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen sicherstellen soll. Von der Normallage abweichende konjunkturelle Entwicklungen sowie Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notlagen lassen Abweichungen von der ansonsten einzuhaltenden Regel zu, dass die Einnahmen des Bundes bis maximal 0,35 Prozent des BIP aus Krediten finanziert werden dürfen. Diesen Rahmen schöpft der Bundesfinanzminister für den Bundeshaushalt 2024 vollständig aus, und zugleich bedient er sich aus schuldenfinanzierten „Sondervermögen“, die in den letzten Jahren angelegt wurden, als die Normalregelung der Schuldenbremse nach Corona und dem Kriegsausbruch in der Ukraine außer Kraft gesetzt war. Unbeeindruckt von der vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe verhandelten Klage gegen die Umwidmung von rund 60 Milliarden Euro aus Coronakreditermächtigungen in einen Klima- und Transformationsfonds, planen SPD und Grüne nun eine weitere Umwidmung, dieses Mal aus dem Wirtschafts- und Stabilisierungsfonds in umfangreiche Fördertöpfe für neue Heizungen und die Gebäudesanierung. Der Koalition fehlt das Geld für ihre vielen Versprechungen. Und da ist es keine Überraschung, dass neben diesen Umbuchungen aus bereits bestehenden Schuldentöpfen erneut die Schuldenbremse ins Visier der Ampelkoalition gerät. Aber nach mehr als 500 Milliarden Euro neuen Schulden, die allein der Bund seit 2022 angehäuft hat, muss jetzt Schluss sein mit dieser hemmungslosen Staatsverschuldung. Der Kapitaldienst für die bestehende Verschuldung des Bundes beläuft sich schon heute auf 40 Milliarden Euro. Und diejenigen, die in der Umwelt- und Klimapolitik so gern über Nachhaltigkeit sprechen, haben offenbar überhaupt kein Problem damit, den nächsten Generationen in Deutschland einen Schuldenberg zu hinterlassen, den sie ohne Wohlstands- und Einkommensverluste kaum noch abtragen können. Gut also, dass das Grundgesetz wenigstens an dieser Stelle die junge Generation vor noch höheren Schulden schützt. Beste Grüße Ihr Friedrich Merz |
29.07.2023 Liebe Leser, Deutschlands Wohlstand ist sehr weitgehend ein Wohlstand des Außenhandels. Seit Jahrzehnten exportiert die deutsche Wirtschaft mehr Waren als sie importiert. Unsere Exportüberschüsse waren immer auch ein Streitpunkt mit unseren wichtigsten Handelspartnern, auch und vor allem innerhalb der EU. Seit der Einführung des Euro vor gut zwanzig Jahren fehlt den großen Mitgliedstaaten, die ebenfalls sehr stark auf den Export setzen, zudem ein Instrument, mit denen sie gegen die starke D-Mark immer wieder (kurzfristige) Vorteile erringen konnten, nämlich die Abwertung ihrer Währung gegen die D-Mark. Die deutsche Wirtschaft hat es verstanden, aus den Abwertungen der Wettbewerber und der Stärke der D-Mark immer wieder Vorteile für sich zu gewinnen: durch beständige Innovationen und durch eine beständige Verbesserung ihrer Produktivität. Damit blieben die Exporte trotz und sogar wegen der starken Währung immer ein wesentlicher Treiber unserer Wettbewerbsfähigkeit. Innovationen und Produktivität bestimmten damit über Jahrzehnte den Umfang unseres Wohlstandes. Obwohl Länder wie Frankreich, Italien und Spanien im gemeinsamen Währungsraum des Euro gegen uns nicht mehr abwerten können, stagniert die deutsche Wirtschaft und fällt im Aufholprozess nach Corona hinter diese großen Länder in Europa zurück. Die hohen Energiepreise machen der deutschen Wirtschaft schwer zu schaffen, vor allem die energieintensive Industrie verliert an Wettbewerbsfähigkeit. Da mag eine ambitionierte Wasserstoffstrategie Besserung in Aussicht stellen, aber die Energiekosten, vor allem die Stromkosten, werden in Deutschland auf viele Jahre sehr hoch bleiben: Die zusätzlichen Anlagen für Wind- und Sonnenenergie müssen erst einmal gebaut werden, bevor daraus billiger Strom entsteht. Und bis zur Fertigstellung der benötigten Netzinfrastruktur und dem Bau der Gaskraftwerke in der Reserve, die kein Energiewirtschaftsunternehmen ohne Abnahmegarantien bauen wird, ist es ein langer Weg. Ein heruntersubventionierter Industriestrompreis stößt dagegen zu Recht auf große Skepsis, denn die Abgrenzung zu den weniger energieintensiven Unternehmen ist genauso fragwürdig wie eine Genehmigung dieser Subvention durch die EU-Kommission. Allein die Absenkung der Stromsteuer auf den europäischen Mindestsatz, die Übernahme der Netzentgelte durch den Bund und die Genehmigung von Direktverträgen zwischen Erzeugern und Verbrauchern könnten den Strompreis in Deutschland wirkungsvoll senken. Damit wäre zwar ein Kostenproblem wenigstens teilweise gelöst, aber nicht unser Rückstand bei Innovationen und Produktivität. Zur Zeit kommt praktisch keine neue Idee einer industriellen Innovation aus Deutschland. Vor allem die Gasförderung und die Abscheide- und Verwertungstechnologien für CO2 bleiben in Deutschland verboten. Wir importieren dafür lieber Gas, auch wenn es aus Fracking kommt, und wir bewundern die CO2-Technologien in anderen Ländern wie in Norwegen, erlauben sie aber im eigenen Land nicht. Auch die Nutzung biotechnologischer Verfahren, die die EU-Kommission nun umfassend auch für die Nahrungsmittelproduktion genehmigen will, stößt auf den Widerstand der deutschen Bundesregierung und könnte an ihr scheitern. Die Energieversorgung und die Energiekosten bleiben ebenso ein Problem für Deutschland wie der größer werdende Rückstand in Forschung und Entwicklung bestimmter Technologien. Dahinter steht eine ganz grundsätzliche Frage: Wollen wir eigentlich ein Land mit industrieller Erzeugung und positiver Handelsbilanz bleiben? Oder müssen wir uns auf eine schleichende Deindustrialisierung und mit ihr auf größere Wohlstandsverluste einstellen? Auf diese Frage sollte irgendwann einmal die Bundesregierung eine glaubwürdige Antwort geben – und vielleicht sogar der Bundeskanzler selbst. Die Zeit drängt, und die Welt wartet nicht auf Deutschland. Beste Grüße Ihr Friedrich Merz |
21.07.2023 Liebe Leser, die Stimmen aus der Wirtschaft und den Gewerkschaften werden immer lauter, die Industrie- und Handelskammern äußern sich besorgt, selbst die rot-grüne Landesregierung in Niedersachsen schreibt der Bundesregierung zusammen mit Gewerkschaften und Arbeitgebern einen Brief: Deutschland verliert Arbeitsplätze in der Industrie. Die Zahl der Insolvenzen steigt, mitten im Sommer zeigt die Arbeitslosigkeit nach oben, im europäischen Vergleich fällt Deutschland immer weiter zurück. Es gibt Grund zur Sorge um den Wohlstand in unserem Land. Wo liegen die Gründe und was könnten wir jetzt tun? Der hohe Industrieanteil an unserer Wertschöpfung war einmal der große Vorteil für die deutsche Volkswirtschaft. Dieser Vorteil wird in dem Augenblick zum Nachteil, wo sich die Rahmenbedingungen für die Industrie zum Schlechteren wenden. Und genau dies geschieht seit etwa eineinhalb Jahren, seitdem wir die Folgen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine zu spüren bekommen. Vor allem die Energiepreise, die in Deutschland immer schon höher waren als in anderen Ländern, sind nach wie vor so hoch, dass sie viele Unternehmen in sehr ernsthafte Schwierigkeiten bringen. Auch laufen viele Absicherungen von Energiepreisen mit den Banken aus und werden nicht erneuert, sodass die Probleme jetzt durchschlagen. Und da – anders als die Bundesregierung annimmt – die niedrigen Energiekosten aus Wind und Sonne noch viele Jahre auf sich warten lassen werden und auch die Reservekapazitäten aus Gaskraftwerken erst noch gebaut werden müssen, besteht hier und heute akuter Handlungsbedarf. Wenn also die Energiepreise selbst auf absehbare Zeit hoch bleiben, dann müssen jetzt alle zusätzlichen Kosten, die allein der Staat zu verantworten hat, auf den Prüfstand, also vor allem die Stromsteuer, die Netzentgelte und die Mehrwertsteuer auf Strom. Richtigerweise hat die Bundesregierung zum Jahresbeginn bereits die EEG-Umlage abgeschafft. Jetzt ist es an der Zeit, auch die übrigen Abgaben zu senken oder am besten ganz abzuschaffen, um den Unternehmen und privaten Haushalten Luft zu verschaffen. Ja, das kostet Steuereinnahmen, aber es würde unvergleichbar teurer für uns alle, wenn im Kleinen wie im Großen die produzierende Industrie in die Knie ginge. Damit würde Deutschland einen seiner größten Wohlstandstreiber verlieren – und danach auch nicht wieder zurückbekommen. Während die Bundesregierung abwartet, wird das Problem jeden Monat größer. Die Bundesregierung sollte die warnenden Stimmen aus der Politik, den Gewerkschaften und den Arbeitgeberverbänden sehr ernst nehmen. Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
15.07.2023 Liebe Leser, nach den Sommerferien treten wir in der Bundespartei der CDU in eine entscheidende Phase unserer Arbeit: Wir werden unser neues Grundsatzprogramm auf der Grundlage der bisher erarbeiteten Antworten ausformulieren und die Beschlussfassung im CDU-Bundesvorstand vorbereiten. Die vier letzten Monate des Jahres 2023 werden außergewöhnlich arbeitsintensive Monate für die Partei, vor allem für die Grundsatzprogramm-Kommission. Deren Vorsitzender Carsten Linnemann ist seit dieser Woche nun auch Generalsekretär der CDU Deutschlands, und auf seinen Schultern liegt damit eine doppelte Verantwortung: Er muss die Arbeit am Grundsatzprogramm weiter vorantreiben, er muss aber auch verstärkt ins Rampenlicht der Tagespolitik treten. Genau diese doppelte Aufgabenstellung traue ich ihm zu. Tagespolitik und Grundsatzprogramm müssen Hand in Hand greifen. Wir können heute zur Wirtschaftspolitik, zur Sozialpolitik, zur Außenpolitik und zur Innenpolitik im Einzelnen nichts anderes sagen als morgen im Kontext unseres neuen Grundsatzprogramms. Es dürfen zumindest keine Gegensätze daraus werden, denn unsere Politik lebt von Glaubwürdigkeit und Grundsatztreue zugleich. Und angesichts der zahlreichen Herausforderungen, vor denen Deutschland steht, werden wir gebraucht. Auf unsere Meinung und unsere Haltung kommt es an. Das gilt ganz besonders für die Wirtschafts- und Sozialpolitik. Natürlich müssen wir alle eine Antwort auf die Frage geben, wie wir denn morgen angesichts der spürbaren und sichtbaren Veränderungen unseres Klimas leben wollen. Die ausschließliche Fokussierung der Ampel auf den Klimawandel vernachlässigt aber immer mehr die Frage, wovon wir denn in Zukunft eigentlich leben wollen. Am Horizont sind immer deutlicher die Folgen der Rezession und der hohen Inflation zu sehen. Es drohen uns Monate, wenn nicht Jahre der Stagnation und der Inflation. Die Welt um uns herum aber steht nicht still, im Gegenteil, zahlreiche Regionen wachsen schnell und dynamisch. Das gilt nicht nur für die USA, sondern auch für Teile Europas. Deutschland droht wieder einmal zum kranken Mann Europas zu werden. Viele Unternehmen reduzieren ihre Produktion in Deutschland, fast die Hälfte denkt an Verlagerungen oder gar Schließungen. Eine hochsubventionierte Ansiedlung einer Chipfabrik in Sachsen-Anhalt ist eine gute Sache für Sachsen-Anhalt; aber diese Investition sagt ziemlich wenig darüber aus, wie die Standortbedingungen insgesamt in Deutschland sind. Wir haben zur Mitte des Jahres 2023 schon wieder 2,5 Millionen Arbeitslose, 192.000 mehr als im Vorjahr. Selbst im Sommer und bei hohem Fachkräftemangel steigt bei uns die Arbeitslosigkeit. Wenn gleichzeitig zwei Millionen offene Stellen gemeldet sind, scheinen die Mechanismen unseres Arbeits-„Marktes“ nicht richtig zu funktionieren. Kann es sein, dass mit dem sogenannten Bürgergeld einfach die falschen Signale gesetzt werden? Stimmt das Lohnabstandsgebot noch, dass also das Nettoeinkommen mit Arbeit höher sein muss als die Transferzahlungen in der Arbeitslosigkeit? Warum sind so wenige Menschen in Deutschland bereit, Überstunden zu machen und gehen stattdessen in einen zusätzlichen Minijob? Und warum lohnt es sich für Rentner und Pensionäre so wenig, noch ein paar Stunden in der Woche zu arbeiten? Auf alle diese Fragen wollen wir in der CDU neue Antworten geben. Carsten Linnemann hat mit der „Aktivrente“ und mit der Steuerfreiheit von Überstunden bereits Diskussionen angestoßen. Er war zwei Wahlperioden lang Mitglied im Sozialausschuss des Deutschen Bundestages und zugleich viele Jahre Vorsitzender der Mittelstandsunion. Carsten Linnemann kann „Soziale Marktwirtschaft“, und genau die gehört zum engsten Markenkern der CDU. Deshalb freue ich mich, dass er zugesagt hat, eine der spannendsten, zugleich aber auch herausforderndsten Aufgaben in der CDU zusätzlich zu übernehmen. Mit Carsten Linnemann und der Mannschaft im Adenauerhaus werden wir in den nächsten Wochen und Monaten zeigen, welches Potential und welche Kreativität in der CDU steckt. Die streitende und kraftlose Ampel verdient eine Alternative mit Substanz. Die CDU wird liefern! Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende. Ihr Friedrich Merz |
09.07.2023 Liebe Leser, die letzte Sitzungswoche des Deutschen Bundestages vor der parlamentarischen Sommerpause war gekennzeichnet von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die die Tagesordnung ordentlich durcheinandergebracht hat. Erstmalig in der Parlamentsgeschichte hat das oberste deutsche Gericht untersagt, dass ein Gesetz in zweiter und dritter Lesung an dem Tag verabschiedet wird, den die Regierungsmehrheit dafür vorgesehen hatte. Die umfangreichen Änderungen am Gebäudeenergiegesetz der Ampel waren so spät in die Beratungen eingebracht worden, dass das Gericht die Möglichkeiten der einzelnen Abgeordneten in verfassungswidriger Weise beeinträchtigt sah, sich ausreichend mit den Gesetzestexten zu befassen. Vordergründig hat die Ampel die Entscheidung akzeptiert. Aber ohne eine weitere Beratung des Gesetzes im dafür zuständigen Parlamentsausschuss vorzusehen, hatte die Regierungsmehrheit am Tag nach der Entscheidung nichts Besseres zu tun, als die unveränderten Texte sofort auf die Tagesordnung des Bundestages für die erste Sitzungswoche nach der Sommerpause zu setzen. Mit anderen Worten: Weitere Beratungen unerwünscht, Änderungen nicht vorgesehen. Dabei hätte die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht nur die Gelegenheit gegeben, zum Beispiel die Vorschläge der erst am Montag dieser Woche angehörten Sachverständigen zu berücksichtigen und noch einmal in eine sorgfältige Beratung aufzunehmen. Auch die Sachverständigen waren befremdet über die Eile, die die Koalition mit diesem Gesetz an den Tag gelegt hatte („Einer parlamentarischen Demokratie unwürdig“). Aber nichts dergleichen: Die Koalition drückt das Gesetz mit ihrer Mehrheit durch, jetzt eben im September. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Bundestag aber auch eine ganz grundsätzliche Botschaft mit auf den Weg gegeben: Die Verkürzung der gesetzlich vorgeschriebenen Fristen in den Beratungen von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat muss die Ausnahme bleiben und darf nicht zum Regelfall werden. Genau das ist aber in den letzten Monaten passiert. Während im langjährigen Durchschnitt etwa jedes sechste Gesetz aufgrund der Eilbedürftigkeit mit Fristverkürzungen beraten und beschlossen wurde, war es im letzten Jahr – coronabedingt und als Reaktion auf Putins Krieg in der Ukraine sicher gerechtfertigt – schon jedes zweite. In diesem Jahr wurden die Fristverkürzungen aber zur täglichen Routine, nur noch eines von vier Gesetzen wurde von der Ampel im Rahmen der normalen Fristen beraten und beschlossen. Und diese Hektik lässt sich mit Krieg und Krisen nun nicht mehr erklären. Gründlichkeit vor Schnelligkeit sollte daher das Leitmotiv in der Gesetzgebung der Ampel werden. Denn Fristen haben ihren Sinn, sie sind keine bloße Formalie. Sie dienen der Gelegenheit, ein Gesetzgebungsverfahren in Ruhe und mit Bedacht durchzuführen, Änderungen zu diskutieren und aufzunehmen, handwerkliche Fehler zu vermeiden. Es liegt jetzt auch an der Präsidentin des Deutschen Bundestages, dieses Recht des Parlaments durchzusetzen. Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
30.06.2023 Liebe Leser, Deutschland befindet sich in einer „technischen Rezession“. So nennt man die Lage einer Volkswirtschaft, die zwei Quartale hintereinander schrumpft. Dieser Befund bezieht sich auf das letzte Quartal 2022 und das erste Quartal 2023. Trotzdem übt sich die Bundesregierung in Optimismus für das laufende Jahr, es werde auf jeden Fall wieder ein – wenn auch geringes – Wachstum geben. Die Menschen im Land bemerken von dieser „technischen Rezession“ weniger als von anderen Ereignissen. So sind im ersten Halbjahr 2023 die Unternehmensinsolvenzen steil in die Höhe gegangen, plus 16 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Und noch etwas bemerken die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Betrieben: Es wird weniger investiert als in den Jahren zuvor, und diese Zahlen sind in der Tat erschreckend: Im Jahr 2022 sind aus Deutschland 135 Milliarden Euro Kapital abgeflossen, aber nur zehn Milliarden Euro sind aus dem Ausland in Deutschland investiert worden. Dieser Kapitalabfluss ist der höchste seit 20 Jahren, der Abstand zu den Auslandsinvestitionen in Deutschland ebenfalls der höchste seit zwei Jahrzehnten. Die unmittelbare Folge daraus ist: Wir verlieren den Anschluss selbst in Europa, wir sind beim Wachstum unserer Volkswirtschaft jetzt schon im letzten Drittel der Eurozone angekommen. Deutschland ist auf dem besten Weg, wieder der kranke Mann Europas zu werden. Aber „Wachstum“ will ja ein beachtlicher Teil der Bundesregierung gar nicht mehr, „Degrowth“ ist vor allem bei den Grünen die bevorzugte Variante der Transformation ins klimaneutrale Zeitalter. Wenn aber in Deutschland nicht mehr investiert wird und im Gegenteil die deutschen Unternehmen bevorzugt im Ausland investieren, dann werden wir unseren Wohlstand nicht erhalten können und die Klimaziele verfehlen. In unserem jährlichen Treffen der beiden Parteipräsidien von CDU und CSU haben wir daher heute in München unsere „Agenda für Deutschland“ beschlossen, zehn Punkte, wie wir aus der Schwäche unserer Volkswirtschaft herauskommen und welche Antworten wir auf die Herausforderungen unserer Zeit geben. Den Text können Sie hier abrufen: Agenda für Deutschland. Sie sehen, wir kritisieren die Bundesregierung nicht nur, wir machen ganz konkrete Gegenvorschläge. Und überall dort, wo wir in den Ländern regieren, setzen wir diese Vorschläge auch um, sofern die Länder dies unabhängig vom Bund tun können. Dort, wo die Union regiert, geht es den Menschen besser. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende! Ihr Friedrich Merz |
23.06.2023 Liebe Leser, Gesetzgebungsarbeit ist vor allem Textarbeit. Die Details verstecken sich oftmals in umfangreichen Dokumenten, die nur Fachleute verstehen und nachvollziehen können. Aber manchmal ist es auch ganz einfach, dann erschließt sich die Absicht des Gesetzgebers in nur ganz wenigen Worten – auch in Worten, die dazugeschrieben oder gestrichen werden. Diese Woche hat die Ampel zwei Worte gestrichen, und diese Gesetzesänderung hat es in sich. Worum geht es? Wesentliche Vorstellungen der Ampel zur Einwanderung von Arbeitskräften nach Deutschland finden sich im bestehenden Fachkräfteeinwanderungsgesetz und im Aufenthaltsgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Das Aufenthaltsgesetz regelt alle Bedingungen der Zuwanderung nach Deutschland, also der Einreise, des Aufenthalts, der Erwerbstätigkeit und der Integration von Ausländern, und es soll zugleich der Erfüllung der humanitären Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland dienen. § 1 Absatz 1 Satz 1, also die erste Bestimmung des Aufenthaltsgesetzes, lautete bisher: „Das Gesetz dient der Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern in die Bundesrepublik Deutschland.“ Über viele Details der sehr grundlegenden Änderungen dieses Aufenthaltsgesetzes ist in den letzten Wochen und Monaten intensiv diskutiert worden. Die zuständigen Ausschüsse haben getagt, Fachleute sind angehört worden, wir haben seitens der Unionsfraktion unsere Änderungsvorschläge eingebracht. Am Dienstagabend um 18.18 Uhr erreichte den zuständigen Innenausschuss des Deutschen Bundestages dann eine bisher gar nicht vorgesehene weitere Änderung des Aufenthaltsgesetzes, nämlich die ersatzlose Streichung der Worte „und Begrenzung“ in § 1 des Gesetzes. Genau so wurde das Gesetz heute, nur drei Tage später, im Bundestag von der Ampel-Mehrheit verabschiedet. Die Begrenzung des Zuzugs von Ausländern in die Bundesrepublik Deutschland ist zukünftig nicht mehr der Zweck des Aufenthaltsgesetzes. Damit ändert sich das Ausländerrecht in Deutschland fundamental: Vor allem im Verwaltungsvollzug werden die Ausländerbehörden in Zukunft noch weniger Möglichkeiten haben, einen Aufenthalt in Deutschland zu beenden, denn die Begrenzung des Zuzugs ist nicht länger ihre Aufgabe. Last-Minute-Änderungen eines Gesetzes gehören zum Markenzeichen der Ampel. Wir erleben das regelmäßig, beim Wahlrecht war es ähnlich. Nur wenige Abgeordnete bekommen solche Manöver überhaupt mit, eine geordnete Beratung ist nicht mehr möglich und auch gar nicht gewollt. Von den Ministerien und ihren Helfern im Parlament werden grundlegende Änderungen unseres Rechtssystems im letzten Augenblick durchgezogen. Es sind Änderungen, die auch von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt bleiben und bleiben sollen. Vermutlich wird noch nicht einmal die Mehrheit der Abgeordneten der Regierungsfraktionen diese letzte Änderung im Aufenthaltsgesetz bemerkt haben. Aber die Rechtsfolgen für unser Land werden erheblich sein. Erst in einigen Jahren wird sich herausstellen, wie weit die Konsequenzen einer solchen Rechtsänderung reichen, und es werden vermutlich auch die Gerichte entscheiden müssen, was es für das Aufenthaltsrecht in Deutschland bedeutet, dass die Begrenzung der Zuwanderung kein Gesetzeszweck mehr ist. Wer aufmerksam zugehört hat, wird im Übrigen festgestellt haben, dass vor allem die Grünen im Bundestag in der Debatte um die Zuwanderung nach Deutschland schon in den letzten Monaten jede Festlegung auf die Notwendigkeit einer Begrenzung dieser Zuwanderung vermieden haben. Für die Grünen darf es keine Begrenzung der Migration geben, ganz gleich aus welchem Land und aus welchem Grund die Zuwanderung nach Deutschland erfolgt. Die Grünen haben mit der unauffälligen, aber wirkungsvollen Streichung der beiden Worte im § 1 des Aufenthaltsgesetzes heute einen großen Erfolg erzielt. Die Umgestaltung des Landes durch die Ampel schreitet munter voran. Ob die Mehrheit der Bevölkerung das auch so gut findet wie die Grünen? Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende Ihr Friedrich Merz |
17.06.2023 Liebe Leser, in dieser Woche hat die Bundesregierung nach langem Ringen und viel internem Streit eine neue „Nationale Sicherheitsstrategie“ vorgelegt. Aus der lange angekündigten „Strategie“ ist doch wohl eher eine lückenhafte Aufzählung geworden, was wir so alles brauchen in Zukunft, wenn wir über „Sicherheit“ sprechen. Von „Strategie“ ist da nicht viel zu lesen. Die „Zeitenwende“ des russischen Angriffskrieges in der Ukraine war ohne Zweifel der richtige Anlass, auch in Deutschland strategische Fragen nach unserer zukünftigen Sicherheitsarchitektur zu stellen. Der Auflistung der Bundesregierung merkt man allerdings an, dass eine Vielzahl von Fragen offengeblieben ist. Einige davon, wie die nach einem Nationalen Sicherheitsrat, werden wohl auch auf Dauer von der Ampel nicht beantwortet werden. Einig ist sich die Ampel darin, dass Russland „auf absehbare Zeit die größte Bedrohung für Frieden und Freiheit im euroatlantischen Raum“ bleiben werde. Aber schon mit der Umsetzung der Ankündigung des Bundeskanzlers aus dem letzten Jahr, „ab sofort mehr als zwei Prozent des BIP in unsere Verteidigung zu investieren“ tut sich die Koalition schwer, deutlicher noch: Sie hält die Zusage nicht ein. Noch schwerer wiegt, dass eine Analyse unseres gegenwärtigen und zukünftigen Verhältnisses zu China in der Strategie fehlt. Außer der mittlerweile zur Floskel gewordenen Formulierung vom „Partner, Wettbewerber und systemischen Rivalen“ liest man nichts Neues, eine „China-Strategie“ soll später folgen. Und schließlich: Der Prozess der erstmaligen Erstellung einer umfassenden Sicherheitsstrategie weist schwerwiegende Mängel auf. Große Teile des Bevölkerungsschutzes liegen in der Verantwortung der Länder, die an der Erarbeitung aber gar nicht beteiligt waren. Unsere Sicherheitsstrategie ist auch nicht denkbar ohne einen Bezug zur EU und zur NATO. Aber EU und NATO waren nicht einbezogen. Dass dies auch besser geht, hat Frankreich vor zehn Jahren gezeigt, als in der Sicherheits-Kommission der französischen Regierung unter anderem ein hochrangiger deutscher Diplomat von Anfang an dabei war. Die deutsche Bundesregierung blieb dagegen ganz unter sich. Frankreich wird immerhin einige Male erwähnt, unser östlicher Nachbar Polen aber mit keinem Wort, ebenso wenig die baltischen Staaten, die auch zu unseren wichtigen Nachbarn im Osten gehören. Man merkt: Deutschland tut sich sehr schwer mit strategischen Fragen und ihrer Beantwortung. Wenn die Bundesregierung die Erarbeitung der Texte dann bis zum Schluss als Verschlusssache behandelt und bei der Diskussion über den Text im Bundestag der Bundeskanzler, der Bundesverteidigungsminister und die Bundesinnenministerin fehlen, dann muss man sagen: Die „Zeitenwende“ ist für die Ampel noch ein sehr langer Weg. Und der kleinste gemeinsame Nenner einer streitenden Koalition bleibt ziemlich weit hinter dem zurück, was Deutschland als größtes Mitglied der EU und als größter europäischer Partner in der NATO jetzt eigentlich leisten müsste. Beste Grüße Ihr Friedrich Merz |
10.06.2023 Liebe Leser, ein Anfang ist gemacht, aber wirklich nur ein allererster Anfang: Frühestens im Laufe des Jahres 2024 kann es an den Außengrenzen der EU Zentren für die Aufnahme und Registrierung von Asylbewerbern geben. Eine anschließende verpflichtende Verteilung derer, die Aussicht auf einen Schutzstatus haben, bleibt ebenso umstritten wie die Behandlung der Mitgliedstaaten, die sich weigern, an der Verteilung teilzunehmen. Und das ganze Paket muss noch mit dem Europäischen Rat, der EU-Kommission und dem Europaparlament abgestimmt werden. Wir kennen Brüssel: Das wird dauern. Aber selbst dieser bescheidene Schritt wird von den Ampelparteien vollkommen unterschiedlich bewertet. Selbst innerhalb der grünen Partei gehen die Meinungen diametral auseinander. Die Grünen im Europaparlament haben ihre Ablehnung schon angekündigt, aber das Europaparlament muss den Neuregelungen zustimmen. Die Bundesinnenministerin wollte den Familiennachzug großzügig ausnehmen von den Grenzverfahren, das haben die übrigen Europäer abgelehnt. Zurück bleibt ein erhebliches Durcheinander. Eine Einigung ist nicht in Sicht. Die Zahl der Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, bleibt also auf absehbare Zeit hoch und droht im Sommer weiter zu steigen. Seit Jahren diskutiert die EU über eine Lösung des Problems und schafft es einfach nicht, einen Konsens zu finden. Deshalbmüssendie Mitgliedstaaten ihrerseits Schutzvorkehrungen treffen, damit die Zahlen heruntergehen. Wenn der Schutz der Außengrenzen der EU bis auf weiteres nicht hinreichend möglich ist, müssen die Binnengrenzen besser geschützt werden. Jedes Land hat das Recht und auch die Pflicht, den Zuzug in das eigene Territorium zu kontrollieren. Die Freizügigkeit innerhalb Europas steht dazu nicht im Widerspruch. Alle EU-Staatsangehörigen und Inhaber gültiger Papiere haben und behalten selbstverständlich das Recht, sich innerhalb der EU frei zu bewegen, Sie können weiterhin leben und arbeiten in Europa, wo sie wollen. Kontrollen an den Binnengrenzen der EU behindern diese Freizügigkeit nicht, im Gegenteil. Kontrollen dienen einzig dem Zweck zu unterscheiden, wer die Freizügigkeit in Anspruch nehmen darf und wer eben nicht. Wer in den USA mit dem Auto unterwegs ist, muss akzeptieren, dass er an verschiedenen innerstaatlichen Grenzen von einem US-Staat zum nächsten kontrolliert wird. Niemand in den USA regt sich darüber auf, alle haben Verständnis. Wie wäre es auch in Europa einmal mit etwas mehr Konsequenz und etwas weniger Aufregung, wenn es um etwas ganz Selbstverständliches geht: dass wir nämlich wissen wollen, wer sich auf unserem Staatsgebiet aufhält und ob er darauf auch einen Anspruch hat, sei es als Staatsbürger, sei es als EU-Staatsangehöriger oder sei es mit einer Aufenthaltsgenehmigung oder einer Duldung. Wer eine solche Selbstverständlichkeit in Abrede stellt, wärmt vielleicht das Herz seiner Basis, aber missachtet die elementaren Voraussetzungen für ein gedeihliches Zusammenleben in unserem Land. Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
03.06.2023 Liebe Leser, auf einmal sind alle ganz besorgt, bestürzt und natürlich wieder einmal überrascht: Die AfD liegt in den Umfragen bei 18 Prozent, gleichauf mit SPD und vor den Grünen. Noch schlimmer: Bis zu 50 Prozent der Wählerinnen und Wähler in Deutschland können sich grundsätzlich vorstellen, die AfD zu wählen. Kommt das alles wirklich so überraschend? Wirklich? Bei näherer Betrachtung sind die Ursachen doch seit langem ziemlich klar: Eine schwache und beständig streitende Regierung löst Gegenreaktionen aus. Mit der AfD können die Bürgerinnen und Bürger heftige Denkzettel verpassen. Diese Denkzettel treffen derzeit vor allem die Grünen, die mittlerweile nur noch das eigene Klientel erreichen, aber außerhalb davon mit ihrer penetrant vorgetragenen Volkserziehungsattitüde auf besonders starken Widerstand stoßen. Im normalen Leben beschäftigen sich die Menschen nicht mit „Indianern“ und „Mohrenstraßen“, sondern mit Inflation und Wohnungsnot. Und wenn die ganz normalen Bürgerinnen und Bürger bei den Regierungsparteien kein Gehör mehr finden, dann wenden sie sich eben denen zu, die ganz besonders scharf dagegen sind, egal ob ganz rechts oder ganz links. Sarah Wagenknecht lässt herzlich grüßen! Das Land wird von vielen Menschen ganz anders wahrgenommen als im Justemilieu der Regierungsparteien. Der objektive Befund von Inflation und Rezession geht bei vielen Bürgern einher mit dem Blick auf eine marode Infrastruktur, auf die chronisch unpünktliche Bahn, auf Unterrichtsausfall und Ärztemangel. Sie sehen gleichzeitig, wie die Regierung hemmungslos und in noch nie dagewesener Weise den Staatsapparat aufbläht und die eigene Klientel bis hin zu Trauzeugen und Familienangehörigen bedient. Im Lebensalltag der Städte und Dörfer dagegen ist die Flüchtlingskrise wieder präsent, verbunden mit dem unguten Gefühl, für Flüchtlinge sei immer genug Geld vorhanden, für Kindergärten, Schulen und Krankenhäuser dagegen immer weniger. So stecken nicht nur die Regierungsparteien in der Krise, sondern sie droht überzugehen auf „die Politik“ und auch „die Medien“. Mit jeder gegenderten Nachrichtensendung gehen ein paar hundert Stimmen mehr zur AfD. Gegenderte Sprache und identitäre Ideologie werden von einer großen Mehrheit der Bevölkerung nicht mehr nur im Stillen abgelehnt. Sie werden als übergriffig empfunden – und wieder hat die AfD ihre klammheimliche Freude daran. Nun mag man einwenden: Aber warum um alles in der Welt profitiert nicht wenigstens die Union noch mehr von dieser Regierung und dem diffusen Unwohlsein im Land? Die Frage ist mehr als berechtigt, und sie beschäftigt uns natürlich. Wir liegen mit rund 30 Prozent stabil auf Platz 1 aller Umfragen, müssten aber in der Tat noch besser sein. Doch auch wir werden mitverantwortlich gemacht für den Zustand des Landes – und das Mantra der Ampel, sie müsse nun endlich mal aufräumen, was da 16 Jahre lang liegen geblieben ist, verfängt eben bei vielen Wählerinnen und Wählern. Die Tatsache, dass auch SPD und FDP an diesen Regierungen beteiligt waren, wird dabei großzügig unterschlagen. Und zugleich wird die angeblich alleinige Verantwortung der Union für alle Versäumnisse der Vergangenheit von vielen Medien als Stereotyp einfach übernommen. Nimmt die Union dann Gegenpositionen zur Ampel ein, wie wir es oft genug sehr klar und deutlich tun, dann sind dieselben, die von uns ständig Alternativen verlangen, in Windeseile mit der Rassismuskeule und dem „Rechtsruck“-Vorwurf bei der Hand. Zu besichtigen war das etwa vorletzte Woche, als der schlichte Wunsch des neuen Regierenden Bürgermeisters, Kai Wegner, nach sauberen Parks in seiner Stadt von den Berliner Grünen als „Kulturkampf von rechts“, „Kriminalisierung“ und „entmenschlichende Sprache“ kritisiert wurde. Eine solche Verengung des Meinungsklimas zahlt wieder nur bei der AfD ein, und so nährt die Ampel diese Partei gleich doppelt. Können wir etwas dagegen tun? Ja, das können und werden wir. Die Union wird die politische Kultur unseres Landes wieder vom Kopf auf die Füße stellen. Wir lassen uns nicht verängstigen von einer engstirnigen Meinungselite. Wir werden denen, die anpacken wollen, die eine Zukunft in unserem Land suchen, die nicht abhängig werden wollen von staatlichen Transfers und die zugleich einen fördernden und fordernden Sozialstaat wollen, noch klarer und deutlicher eine Stimme geben. Und allen Pessimisten der angeblich „letzten“ Generation, allen selbsternannten Experten und Aktivisten in der öffentlichen und veröffentlichten Meinung sei gesagt: Wir nehmen die Herausforderung an und werden für ein liberales, offenes, tolerantes Land kämpfen, das auch in Zukunft Frieden, Freiheit, Wohlstand, soziale Gerechtigkeit und erfolgreichen Klimaschutz ermöglicht. Das Erstarken der AfD nehmen wir nicht einfach hin. Wir stehen ein für unsere Überzeugungen mit Freude, Optimismus und der Bereitschaft, jederzeit allen die Stirn zu bieten, die aus Deutschland ein anderes Land machen wollen, sei es von ganz links oder ganz rechts. Dieser Weg ist nicht einfach, und es werden uns weiter viele Fallen gestellt werden. Aber wir sind unterwegs, und wir gehen weiter voran! Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende! Ihr Friedrich Merz |
27.05.2023 Liebe Leser, es sind nicht viele große Persönlichkeiten, die die zweite Hälfte des 20. und das beginnende 21. Jahrhundert auf der Welt wirklich geprägt haben. Nur einer unter ihnen war nie Präsident oder Regierungschef: Henry Kissinger. Als Heinz Alfred Kissinger im Alter von 15 Jahren im Jahr 1938 in die USA emigrierte, konnte niemand ahnen, dass aus ihm einmal einer der einflussreichsten Wissenschaftler, Beater, Diplomaten und Politiker der Vereinigten Staaten von Amerika werden sollte. Der ebenfalls aus Deutschland in die USA ausgewanderte Jurist und Politikwissenschaftler Fritz Cramer beeinflusste die Wahl seines Studiums ebenso wie sein politisches und strategisches Denken. Mit der Ernennung zum Nationalen Sicherheitsberater von Präsident Richard Nixon betrat Kissinger 1968 die politische Bühne in Washington, und er hat sie seit dem Ausscheiden aus dem Amt des Außenministers knapp 10 Jahre später auch ohne formale Ämter nie mehr verlassen. „Realpolitik“ ist vielleicht das wichtigste Schlüsselwort seines politischen Denkens. Der harte Einsatz militärischer Gewalt gehört für ihn bis heute ebenso dazu wie die unermüdliche Diplomatie, selbst in aussichtslos erscheinenden Lagen. Die Entspannungspolitik zwischen der Sowjetunion und den USA mit dem Abschluss weitreichender Abkommen zur Begrenzung atomwaffenfähiger, weitreichender Raketen trägt seine Handschrift. Für seine Bemühungen um die Beendigung des Vietnam-Krieges erhielt er 1973 den Friedensnobelpreis. Seine Vermittlungsbemühungen im Nahen Osten zwischen Israel und den arabischen Staaten bestimmen bis heute die politische Landkarte dieser Krisenregion. Und vermutlich gibt es auf der Welt bis heute keinen besseren Kenner der chinesischen Politik als Henry Kissinger. Heute, am 27. Mai 2023, wird Henry Kissinger 100 Jahre alt. Wir gratulieren ihm von ganzem Herzen zu diesem großen Geburtstag und verneigen uns in großem Respekt vor seinem Lebenswerk. Ihr Friedrich Merz |
21.05.2023 Liebe Leser, im Dezember 2007 hat die CDU ihr letztes Grundsatzprogramm verabschiedet, „Freiheit und Sicherheit“ war der Titel. Worte wie „Digitalisierung“, „Künstliche Intelligenz“, „Internet“ oder gar „Social Media“ kamen darin gar nicht vor. Zu China steht ein Satz im Text der gut 100 Seiten: „Aufgrund ihrer wachsenden Bedeutung wollen wir China und Indien dabei unterstützen, verantwortungsbewusste Teilhaber an und Gestalter der internationalen Ordnung zu werden.“ Allein anhand dieser Beispiele wird deutlich: Es ist Zeit für ein neues Grundsatzprogramm der CDU. Die Arbeiten am Text eines neuen Grundsatzprogramms sind weit vorangeschritten. Am Wochenende hat die Grundsatzprogramm-Kommission unter der Leitung unseres stellvertretenden Parteivorsitzenden Carsten Linnemann in Cadenabbia, dem Feriendomizil von Konrad Adenauer am Comer See, wichtige Weichen gestellt. Wir wollen die Arbeiten im Mai nächsten Jahres auf dem nächsten Bundesparteitag der CDU in Berlin abschließen. Und bis dahin werden die Parteimitglieder vielfältige Gelegenheiten haben, an dieser Arbeit teilzunehmen und sie zu begleiten. Es wird vor allem darum gehen, unser Bild von Deutschland für die nächsten fünf bis zehn Jahre zu zeichnen. Wo stehen wir heute, und wo wollen wir hin? Wie sehen wir Deutschlands Rolle in Europa und in der Welt? Welche Antworten geben wir auf die Herausforderungen des Klimawandels? Was müssen wir tun, um die großen Systeme unserer sozialen Absicherung zukunftsfest zu machen? Was können wir leisten, um im Zeitalter der Digitalisierung im internationalen Wettbewerb zu bestehen? Und was hält unsere diverser werdende Gesellschaft im Inneren zusammen? Gerade die letzte Frage erfordert von uns differenzierte, aber auch klare Antworten. Die Zahl der Einwanderer nach Deutschland steigt steil an, aber es fehlt uns an einer konsequenten Steuerung. Die Integrationsprobleme in unseren Städten und Gemeinden nehmen rasant zu, das Bildungssystem hat gravierende Schwächen. Die Diskussion der letzten Tage jedenfalls zeigt uns: Wir stehen vor der unabwendbaren Notwendigkeit, die Prioritäten der Staatsaufgaben und für unsere Gesellschaft neu zu ordnen. Das wird nicht ohne Abstriche bei lieb gewonnenen Gewohnheiten gehen. Aber das gibt der CDU auch die Möglichkeit, wieder die Partei in Deutschland zu werden, der die Menschen mehrheitlich die Lösung der großen Aufgaben unserer Zeit zutrauen. Nach diesem Wochenende in Cadenabbia kann ich jedenfalls sagen: Wir sind im Geiste einer sehr guten und vertrauensvollen Zusammenarbeit in unseren Führungsgremien und in der Grundsatzprogramm-Kommission auf einem sehr guten Weg. Die Politik der Ampel macht zudem überdeutlich: Die CDU wird gebraucht. Gerade, wenn es schwierig ist. Herzliche Grüße und ein schönes Wochenende Mit besten Grüßen |
13.05.2023 Liebe Leser, in jedem Unternehmen und auch in den meisten Behörden hätte spätestens die Compliance-Abteilung ein klares Votum abgegeben: Ein solches Verhalten darf nicht geduldet werden, es muss Folgen haben, auch und vor allem für denjenigen, dem die Verstöße zur Last gelegt werden. Nicht so im Bundeswirtschaftsministerium, nicht so bei Robert Habeck und seinem Staatssekretär Patrick Graichen. Der Bundeswirtschaftsminister hält fest an dem Mann, der nicht nur seinen Trauzeugen auf den Stuhl des Geschäftsführers der Deutschen Energieagentur setzen wollte; er hält fest am geistigen Vater der „Energiewende“, der „Verkehrswende“, der „Wärmewende“, kurzum an dem, der die vollständige Elektrifizierung unserer Energieversorgung betreibt, koste es, was es wolle. Und diese Stromfraktion in der Bundesregierung fährt einen Konfrontationskurs gegen Unternehmen und private Haushalte, wie er wohl einzigartig ist in der Geschichte der Wirtschafts- und Energiepolitik unseres Landes. Die Folgen sind noch gar nicht richtig absehbar, aber sie dürften gravierend sein, auch für den Wohlstand unseres Landes. Die Einseitigkeit und Rigorosität, mit der diese Politik der Elektrifizierung aller Arbeits- und Lebensbereiche vorangetrieben wird, hat mittlerweile einen autoritären Anstrich, trägt Züge eines Obrigkeitsstaates, den wir eigentlich überwunden geglaubt hatten. Beachtliche Teile der Grünen sind auf einem geradezu missionarischen Weg der „Transformation“, begleitet von der Musik einer unmittelbar bevorstehenden Katastrophe für die ganze Menschheit, in Bilder gefasst von sogenannten Klimaklebern, Instinction Rebellion und selbsternannter letzter Generation, die vor allem eines eint: Der Hass auf die marktwirtschaftliche Ordnung, die Art, wie wir leben und arbeiten und der Frust über die mangelnde Bereitschaft großer Teile der Bevölkerung, dem eigenen kruden Weltbild zu folgen. Deshalb müssen die Methoden immer rabiater werden, deshalb ist es „scheißegal“, was die Mehrheit denkt, und deshalb setzt sich Habeck auch über alle Regeln hinweg, die in „normalen“ Fällen seinen Staatssekretär binnen Stunden aus dem Amt gefegt hätten. Hier geht es nicht um Recht oder Unrecht, sondern um die höhere Einsicht und die überlegene Moral, denen zu folgen das gemeine Volk in der Vorstellung dieser Leute einfach zu simpel und zu ignorant ist. Dieses Verhalten mag empörend und anstößig zugleich zu sein. Aber die gute Nachricht ist: Unsere Demokratie ist immer wieder mit solchen Exzessen fertig geworden. Und am Ende werden sogar die richtigen Entscheidungen in der Sache getroffen, möglicherweise nicht von denselben Amtsträgern, aber die Herausforderungen, vor denen wir stehen, die haben auch andere schon erkannt, und vor allem: Sie können sie im demokratischen Rechtsstaat richtig einordnen und mit demokratischen Mehrheiten am Ende auch durchsetzen. Herzliche Grüße und ein schönes Wochenende Ihr Friedrich Merz |
05.05.2023 Liebe Leser, Ludwig Erhard würde sich mit Grauen abwenden, wenn er das Treiben seines amtierenden Nachfolgers im Bundeswirtschaftsministerium noch beobachten könnte. Erhard brachte nicht nur selbst profunde Kenntnisse der Volkswirtschaftslehre mit ins Amt. Er hatte mit Alfred Müller-Armack einen geradezu kongenialen Staatssekretär in seinem Haus, der – wie er selbst – das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft auch intellektuell durchdrungen und für die Praxis tauglich gemacht hatte. Erhard und Müller-Armack wären im Traum nicht auf den Gedanken gekommen, um sich herum ein ganzes Geflecht von Verwandten, Bekannten. Lobbyisten und Aktivisten entweder mit Berateraufträgen zu versehen oder gleich in das Ministerium einzuschleusen. Genau das erleben wir aber seit dem Regierungswechsel 2021 nicht nur im Bundeswirtschaftsministerium. Nicht Qualifikation zählt, sondern Parteibuch. Das Bauministerium heißt in Berlin mittlerweile „Willy Brandt Haus 2“ und die Filz- und Vetternwirtschaft im Bundeswirtschaftsministerium, die seit der Amtsübernahme von Robert Habeck allseits bekannt war, bekommt erst mit der Trauzeugenaffäre um seinen engsten Wegbegleiter eine größere Beachtung in der Öffentlichkeit. Aber schon seit viel längerer Zeit ist klar: Von den vier beamteten und drei parlamentarischen Staatssekretären im Bundeswirtschaftsministerium verfügt nicht einer über besondere volkswirtschaftliche Kenntnisse. Aber alle sieben eint die geradezu missionarische Absicht, die Energieversorgung unseres Landes binnen kürzester Frist vollständig auf Strom aus erneuerbaren Energien umzustellen, koste es, was es wolle. Die privaten Haushalte und die ganze Volkswirtschaft der Bundesrepublik Deutschland werden damit dem härtesten Stresstest ausgesetzt, den wir je gesehen haben. Diese Politik gefährdet den Wohlstand und die Zukunft unseres Landes. Ämterpatronage und Nepotismus kann man vielleicht irgendwann wieder korrigieren, den Schaden an unserem Land werden wir angesichts der globalen Herausforderungen, vor denen wir seit geraumer Zeit stehen, so schnell nicht wieder beseitigen können, wenn überhaupt. Die Regierung wird nicht müde, sich selbst für das Krisenmanagement des letzten Jahres zu loben. In Wahrheit ist Deutschland sehr viel schlechter durch diese Krise gekommen als die meisten Länder in Europa, von den USA und auch von Japan ganz zu schweigen. Wir verlieren beständig an internationaler Wettbewerbsfähigkeit, der Anteil der Industrieproduktion an unserem Wohlstand liegt im Jahr 2022 erstmalig unter 20 Prozent. Aber das schert die Klimaaktivisten im Bundeswirtschaftsministerium herzlich wenig, der Minister selbst scheint eingekeilt und festgemauert in den selbst geschaffenen Führungsstrukturen seines Hauses. Die Affäre um seinen Staatssekretär muss er deshalb nutzen, um diese Strukturen zu zerstören und einen Neuanfang mit wirklichen Fachleuten zu wagen. Wenn er nicht tut, was offenbar auch immer größere Teile seiner eigenen Partei von ihm erwarten („Der Robert ist nicht mehr von dieser Welt“!), dann stehen dem Land wirtschaftlich schwere Zeiten bevor. Und den größten Schaden nimmt der gute Wille der Bevölkerung, wirklich etwas für den Klimaschutz zu tun. Beste Grüße Ihr Friedrich Merz |
30.04.2023 Liebe Leser, die Energiepreise in Deutschland sind unverändert viel zu hoch – für private Haushalte genauso wie für die Unternehmen. In Europa gibt es wenige Länder, die noch höhere Strompreise haben als wir. In den USA zahlen private Verbraucher weniger als die Hälfte, die Unternehmen sogar nur rund ein Drittel dessen, was der Strom in Deutschland kostet. Zusammen mit dem Inflation Reduction Act (IRA) der Biden-Administration, der vor allem aus Steuervergünstigungen für Investitionen in den USA besteht, sind die Standortbedingungen in den USA heute um ein Vielfaches besser als in Deutschland. Dies scheint so langsam auch die Bundesregierung zu bemerken, denn viele Unternehmen aus Deutschland müssen in diesen Wochen und Monaten ihre Investitionsentscheidungen treffen, und die Energiepreise bekommen neben den steuerlichen Belastungen eine immer größere Bedeutung. Also verspricht der Bundeswirtschaftsminister einen Industriestromtarif, der aus Steuermitteln heruntersubventioniert werden soll. Ein solches Versprechen hat auch der Bundeskanzler im Wahlkampf 2021 abgegeben, aber nicht erst seit dem Krieg in der Ukraine wartet die deutsche Wirtschaft auf die Einlösung dieses Versprechens. Wie realistisch ist ein solcher „Industriestrompreis“? In Deutschland werden zurzeit rund 600 Terawattstunden Strom im Jahr erzeugt, das sind 600 Milliarden Kilowattstunden. Nimmt man sehr grob geschätzt an, dass davon etwas weniger als die Hälfte in der Industrie benötigt wird, dann kommen wir auf etwa 250 Milliarden Kilowattstunden Stromverbrauch in der Industrie. Ein Cent wengier am Strompreis für die Industrie wären in Summe also – immer noch sehr grob geschätzt – gut zwei Milliarden Euro. Wenn der Strompreis wirklich spürbar gesenkt werden sollte, müssten schon zehn Cent pro Kilowattstunde aufgewendet werden. Unter 20 Milliarden Euro im Jahr wäre also für die Unternehmen keine wirksame Entlastung auf die Strompreise möglich. Wir wären dann immer noch weit entfernt von dem Industriestrompreis, den der Bundeskanzler – zugegeben: vor dem Ukrainekrieg – der deutschen Industrie versprochen hat. An den Zahlen lässt sich ablesen, welche Mittel aus öffentlichen Kassen notwendig wären, um die Wirkungen der Politik der Ampelkoalition für die Wirtschaft zu korrigieren. Diese Politik treibt die Strompreise nämlich gleich von zwei Seiten nach oben: Zum einen wird mit der Stilllegung der Kernkraftwerke und den Beschränkungen bei Wasserkraft und Biomasse das Angebot künstlich verknappt. Auch dauert der Ausbau von Wind- und Sonnenenergie deutlich länger als die Ampel in ihren Planungen zugrunde legt. Zum anderen wird die Nachfrage nach Strom durch die einseitige Festlegung auf E-Mobilität im Verkehr und auf die Wärmepumpe in den privaten Haushalten künstlich erhöht. Kein Wunder also, dass wir in Deutschland so hohe Stromkosten haben. Statt aber mit Subventionen aus dem Steuerhaushalt, die in Brüssel im Übrigen noch längst nicht genehmigt sind, die Verwerfungen im Strommarkt mühsam zu korrigieren, wäre es besser, das Angebot aus allen verfügbaren Quellen auszuweiten und die Nachfrage zu dämpfen, zum Beispiel durch Technologieoffenheit im Verkehrs- und Gebäudesektor. Aber das widerspricht nun einmal den ideologischen Festlegungen der Ampel auf die Elektrifizierung unserer gesamten Volkswirtschaft. Mit anderen Worten: Wer der Marktwirtschaft misstraut und die Unternehmen wie die privaten Haushalte einseitig auf eine bestimmte Technologie festlegen will, der verstrickt sich immer tiefer in Subventionen und sozialen Ausgleichsmechanismen für die Folgen seiner eigenen Politik. Auch so kann man eine Volkswirtschaft massiv beschädigen und die öffentlichen Haushalte gleich mit dazu. Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
21.04.2023 Liebe Leser, „In Deutschland müssen wir jeden Tag vier bis fünf Windräder, mehr als 40 Fußballfelder Photovoltaik-Anlagen, 1.600 Wärmepumpen und vier Kilometer Übertragungsnetze bauen. (…) So sieht der Weg aus, und diesen Weg gehen wir gemeinsam.“ Das waren die Worte des Bundeskanzlers am vergangenen Sontag bei der Eröffnung der Hannover-Messe – am ersten Tag, an dem Deutschland seit über 60 Jahren ohne Energie aus Kernkraftwerken auskommen musste. Aber die Wirklichkeit sieht anders aus: Im ersten Jahr der Ampel, 2022, gingen genau 551 neue Windkraftanlagen an Land ans Netz. Und jetzt vier bis fünf Anlagen am Tag? 1.600 und mehr im Jahr? Man kann es nicht anders sagen: Die Regierung lebt mehr und mehr in einer Scheinwelt, im Phantasialand der Energie- und Wirtschaftspolitik. In einer der schwersten Energiekrisen der letzten Jahrzehnte steigt sie aus der Kernenergie aus und geht ohne Not ein gewaltiges Risiko ein bei der Energieversorgung unseres Landes. Gleichzeitig kündigt sie Ausbauziele für Wind- und Solarenergie an, die fern jeder Realisierbarkeit sind. Es fehlen so gut wie alle Voraussetzungen, um in diesem Umfang Windkraftanlagen, Solarflächen, Wärmepumpen und Übertragungsnetze zu errichten. Es fehlen die Flächen, es fehlen die Genehmigungen, es fehlen die Produktionskapazitäten und vor allem: Es fehlt die Akzeptanz der Bevölkerung. Die unrealistische Einschätzung von Ausbauzielen kann man dann immer noch ablegen im Ordner Wunschdenken einer Regierung. Zum Ärgernis wird eine solche Politik, wenn sie übergeht in die autoritäre Attitüde eines Obrigkeitsstaates. Und genau dies ist am Mittwoch dieser Woche erneut geschehen mit der Verabschiedung des „Gebäudeenergiegesetzes“ im Bundeskabinett. Es bleibt nicht nur dabei, dass ab 2024 der Einbau von neuen Gasheizungen de facto verboten wird, auch von solchen, die wasserstofffähig sind. Diejenigen, die nicht rechtzeitig umstellen auf Wärmepumpen werden auch noch mit drakonischen Strafandrohungen bis zu 50.000 Euro konfrontiert. Ist der Bundesregierung eigentlich klar, welche Verunsicherungen eine solche Politik in der Bevölkerung auslöst? Haben die Ampelkoalitionäre noch ein Gefühl dafür, wie solche Ankündigungen bei durchschnittlich verdienenden Menschen in den privaten Haushalten, bei Familien mit Kindern und insbesondere älteren Menschen ankommen? Es wäre besser gewesen, die Umstellung der privaten Haushalte auf klimaschonende Heizungen so zu belassen, wie dies von der letzten Bundesregierung beschlossen worden war: Mit einer angemessenen Förderung der privaten Haushalte und festem Vertrauen in die Wirkungsmechanismen der gerade in dieser Woche ebenfalls beschlossenen europäischen Regelungen für die zukünftige Bepreisung von CO2-Emissionen. Mit einer CO2-Bepreisung werden ab dem Jahr 2026 die Kosten für Öl und Gas sukzessive teurer, und der Einbau alternativer, CO2-freier Heizungen wird für die privaten Haushalte wirtschaftlich immer attraktiver. Der Staat würde den Eigentümern damit allerdings auch die Freiheit einräumen, für welche Technologie sie sich entscheiden, und Raum lassen für neueste technologische Entwicklungen. Aber dieses Vertrauen in die Wirkungsmechanismen einer marktwirtschaftlichen Ordnung und gleichzeitig in die Vernunft der Bürger unseres Landes hat die Ampelregierung einfach nicht. Sie reguliert lieber bis ins kleinste Detail, sie macht kleinteilige Vorschriften und droht mit Strafzahlungen für den Fall des Ungehorsams. Der Frust in der Bevölkerung steigt, die Akzeptanz für den Klimaschutz sinkt – und die FDP macht alles mit. Die politischen Entscheidungen dieser Woche zeigen: Wir werden die Auseinandersetzungen mit der Ampelregierung jetzt noch einmal verschärfen müssen. Und wir werden die Diskussionen nicht mehr allein im Parlament miteinander austragen. CDU und CSU bereiten in allen Wahlkreisen Bürgerdiskussionen und Proteste gegen die Politik der Ampel vor. Wir sind konstruktive Opposition. Aber genug ist genug. Mit freundlichen Grüßen Ihr Friedrich Merz |
14.04.2023 Liebe Leser, als Shakespeare vor über 400 Jahren seinen Hamlet geschrieben hat, kannte er die deutschen Grünen natürlich nicht. Aber Shakespeares Drama weist zumindest in seiner Komplexität und in der Undurchschaubarkeit seiner Akteure durchaus Parallelen auf zur gegenwärtigen deutschen Energiepolitik. Ein wesentlicher Teil der energiepolitischen Irrationalität wird an diesem Wochenende in Deutschland vollzogen: In der größten Energiekrise seit Jahrzehnten werden in Deutschland die letzten drei Kernkraftwerke abgeschaltet. Dies geschieht nicht etwa aus sicherheitstechnischen Gründen, oder weil wir sonst Strom im Überfluss hätten. Es sind allein ideologische Vorbehalte und der Gründungsmythos der grünen Partei, die über jede Vernunft triumphieren. Wir werden bizarre Bilder sehen von Umweltschützern, wie sie das Ende der Kernenergie feiern – und zugleich müssen für 10 Millionen Haushalte alte Gas- und Kohlekraftwerke hochgefahren werden, damit die Stromversorgung aufrechterhalten werden kann. So ein Szenario hätte selbst Shakespeares Fantasie und Vorstellungskraft über den menschlichen Irrsinn übertroffen. Aber sein berühmtes Zitat aus dem Hamlet beschreibt die deutsche Energiepolitik der Ampel nicht erst seit heute unverändert zutreffend: „Ist dies schon Wahnsinn, so hat es doch Methode“. Das deutsche Aus für die Kernkraft am 15. April 2023 steht im Kontext einer Energiepolitik, die von einer geradezu fanatischen Einseitigkeit getrieben wird, und die dem Land innerhalb kürzester Zeit einen Anpassungsschock zumutet, gegen den sich zu Recht der Widerstand eines zunehmenden Teils der Bevölkerung artikuliert. Zwei Beispiele mögen illustrieren, wie normal die Bevölkerung bei uns und anderswo mit dem Thema umgeht: In Berlin ist in dieser Woche das amtliche Endergebnis der Volksabstimmung über ein klimaneutrales Berlin bis 2030 festgestellt worden. Die Initiatoren haben nicht nur das notwendige Quorum von 600.000 Stimmen deutlich verfehlt; es haben fast genauso viele Berlinerinnen und Berliner mit NEIN wie mit JA gestimmt. Mit anderen Worten: Da sind über 400.000 Wahlberechtigte aktiv zur Wahl gegangen, und haben gesagt: Diesen Unsinn machen wir nicht mit. Und in Paris haben sogar fast 90 Prozent der Wähler bei einer Volksabstimmung gegen den Wildwuchs der E-Scooter im Straßenbild votiert. Aus diesen beiden Abstimmungen sollte die Koalition in Berlin eigentlich eine Lehre ziehen: Man kann Klima- und Umweltschutz nur mit und nicht gegen die Bevölkerung durchsetzen. Eine Demokratie ist kein Volkserziehungsheim. Und wer meint, seine politischen Ziele gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung durchsetzen zu müssen, womöglich weil er sich im Besitz einer höheren Moral dazu legitimiert sieht, der gefährdet nicht nur seine eigene Mehrheitsfähigkeit. Er gefährdet die Akzeptanz der Klimapolitik schlechthin. Ob die Grünen das gerade an diesem Wochenende verstehen? Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
07.04.2023 Liebe Leser, 30 Stunden Verhandlungen zwischen den zerstrittenen Ampelfraktionen haben nicht einmal im Ansatz ausgereicht, um überhaupt nur einen wesentlichen Streitpunkt auszuräumen. Der am letzten Freitagabend hektisch verbreitete Referentenentwurf des Bundeswirtschaftsministers über das zukünftige Schicksal der Öl- und Gasheizungen lässt mehr Fragen offen als er beantwortet, Widerspruch aus den eigenen Reihen inklusive. Über einen viel weiterreichenden Streit der Ampel wurde in der vergangenen Woche angeblich überhaupt nicht gesprochen, nämlich über die sogenannte „Kindergrundsicherung“, das von den Ampelparteien selbst so bezeichnete wichtigste sozialpolitische Projekt der laufenden Wahlperiode. Aber was ist diese „Kindergrundsicherung“ eigentlich? Und was soll sie tatsächlich kosten? Auch über diese Fragen gehen die Meinungen in der Ampel fröhlich durcheinander. In den Augen der Sozialpolitiker, allen voran der Familienministerin und des Sozialministers, ist die „Kindergrundsicherung“ ein weiterer Baustein auf dem Weg hin zu einem bedingungslosen Grundeinkommen. Die „Grundrente“ gibt es bereits, das „Bürgergeld“ in abgespeckter Form, und jetzt eben die „Kindergrundsicherung“. Bezeichnend ist, dass die Ampel bisher jede detaillierte Auskunft darüber verweigert, wie denn die Berechnungen zustande kommen, die zu einem Bedarf von angeblich 12 Milliarden Euro zusätzlich für eine solche neue Grundsicherung führen. Nach der bereits vollzogenen Anhebung des Kindergeldes auf einheitlich 250 Euro pro Monat und pro Kind sollen die Transferleistungen also noch einmal kräftig angehoben werden. Welche Einkommensgrenzen der Eltern gelten sollen, woran sich der zusätzliche Bedarf bemisst – alle Fragen in diese Richtung bleiben offen. Kinder aus einkommensschwachen Familien brauchen ohne Zweifel mehr Hilfe und Unterstützung. Aber schon die von großen Teilen der Öffentlichkeit geglaubte Annahme, dass es den Kindern in unserem Land beständig schlechter geht, hält einer Überprüfung nicht stand. Die Zahl der deutschen Kinder, die von Hartz IV und nunmehr „Bürgergeld“ leben, ist seit 2015 um rund 500.000 Kinder zurückgegangen. Die trotzdem steigende Zahl der Leistungsempfänger geht vorrangig auf Kinder von Asylbewerbern und seit letztem Jahr auf die Kinder aus der Ukraine zurück. Aber die SPD und die Grünen haben an dieser Differenzierung keinerlei Interesse, denn ansonsten ließe sich ihre Erzählung von der zunehmenden Verarmung der Kinder nicht aufrechterhalten, und sie müssten zugleich zugeben, dass ihre eigene Migrationspolitik samt aller Folgewirkungen das eigentliche sozialpolitische Problem unseres Landes ist und nicht die behauptete Kinderarmut. Hilfe und Unterstützung für Kinder aus prekären familiären Familien darf sich daher nicht an immer höheren Transferleistungen orientieren. Wir brauchen bessere Betreuungsmöglichkeiten, Sprachunterricht, gezielte Förderung von leistungsgeminderten Kindern, zuverlässigen Schulunterricht, Hausaufgabenbetreuung und ganzheitliche Förderkonzepte. Das alles kostet sehr viel Geld, vermutlich sogar mehr als die behaupteten 12 Milliarden für die Kindergrundsicherung. Aber die Investitionen in die Bildung und die damit einhergehende Infrastruktur leisten schon von Beginn an mehr als jede zusätzliche finanzielle Förderung der Familien. Und eine bessere Bildung hilft auch, dass Kinder nicht da bleiben, wo Eltern schon zu lange sind, nämlich in der Abhängigkeit von staatlichen Sozialleistungen. Daran müssen wir arbeiten, und diese Kraftanstrengung setzt mehr voraus als nur mehr Geld. Unser Land braucht einen Mentalitätswandel im Hinblick auf Bildung, Leistungsbereitschaft und Eigenverantwortung. Die „Kindergrundsicherung“ zielt deshalb unabhängig von ihrer Höhe und Ausgestaltung in die falsche Richtung. Aber über diese Richtung streitet die Koalition erst gar nicht, sie streitet eben „nur“ ums Geld. Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie trotzdem ein frohes Osterfest! Ihr Friedrich Merz |
01.04.2023 Liebe Leser, das war keine gute Woche für die Koalition. Ein 30-stündiger Verhandlungsmarathon und ein 16 Seiten umfassendes Beschlusspapier zu Öl- und Gasheizungen zeigen: SPD, Grüne und FDP sind sich in wesentlichen Fragen des Klimaschutzes nicht einig. Hinzu kommt: Das Interesse der Öffentlichkeit am Thema Klima lässt deutlich nach. Die Menschen im Land haben ganz andere Sorgen als tagein tagaus über Klimaschutz nachzudenken. Die Volksabstimmung in Berlin am vergangenen Sonntag, ob die Stadt denn schon 2030 klimaneutral sein soll, ist auch deshalb für die Initiatoren gründlich daneben gegangen. Nur in der Berliner Innenstadt gab es dafür eine Mehrheit. Je weiter es nach außen in die Wohnbezirke ging, desto größer war die Ablehnung. Am höchsten war sie dort, wo die Menschen mit den niedrigsten Einkommen wohnen. Wenn die Akzeptanz der Bevölkerung für den Klimaschutz auf Dauer erhalten bleiben soll, dann müssen zwei Bedingungen erfüllt sein: Die Politik darf den Klimaschutz nicht allein durch die nationale Brille sehen. Natürlich muss Deutschland vorangehen, aber die Instrumente müssen allesamt das Potential haben, auch außerhalb Deutschlands die technologische Entwicklung hin zur umfassenden Nachhaltigkeit zu fördern. Nur wenn Deutschland Schrittmacher wird in allen Technologien, die zur Klimaneutralität beitragen können, seien es Stromerzeugungstechnologien, synthetische Kraftstoffe, CO2-Speicherung und CO2-Wiederverwertung und vieles mehr, wird daraus auch eine Chance für den Industriestandort Deutschland. Und damit lässt sich die zweite Bedingung erfüllen, nämlich die dauerhafte Zustimmung der Bevölkerung, diesen Weg auch mitzugehen. Die Grünen stellen oft genug die richtigen Fragen. Aber sie sind immer noch auf dem Weg, den Klimaschutz zu einem Projekt der innerstädtischen Eliten und der staatlichen Anordnung zu machen. Und deshalb verlieren sie in ihrer verbissenen Humorlosigkeit auch an Zustimmung unter den Wählerinnen und Wählern. Klimaschutz geht auch anders, und mit Technologieoffenheit sogar wirtschaftlich erfolgreich. Eine erfolgreiche Volkswirtschaft mit einem hohen Anteil an industrieller Wertschöpfung aber ist die Voraussetzung für Wohlstand und Arbeitsplätze, für die Zukunft unseres Landes und auch die Voraussetzung für erfolgreichen Klimaschutz. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende Ihr Friedrich Merz |
24.03.2023 Liebe Leser, die Städte und Gemeinden in Deutschland kommen bei der Aufnahme von Flüchtlingen zunehmend an ihre Belastungsgrenzen. Hilferufe an die Bundesregierung verhallen weitgehend ungehört. Die Bundesinnenministerin hat bereits zweimal zu Gesprächen eingeladen, beide Male ohne in der Sache auch nur einen Schritt voranzukommen. Briefe an den Bundeskanzler von Bürgermeistern, Oberbürgermeistern und Landräten bleiben einfach unbeantwortet. Dabei hätte allein ein Blick auf die Zahlen ausreichen müssen, um der Bundesregierung das Ausmaß des Problems zu verdeutlichen: Im Durchschnitt kommen gegenwärtig rund 30.000 Asylbewerber pro Monat nach Deutschland. Die Ampel streitet auch bei diesem Thema, wie sie denn darauf reagieren soll. Wenn aber die Bundesregierung auch zu diesem Thema keine einvernehmliche Meinung hat, und der Bundeskanzler sich nicht veranlasst sieht, der vielfältigen Forderung der Kommunen nachzukommen und sich selbst darum zu kümmern, dann laden wir als Oppositionsfraktion die Landräte und Oberbürgermeister aus Deutschland nach Berlin ein, um mit den Betroffenen das Gespräch zu suchen. Am nächsten Donnerstag findet der parteiübergreifende Kommunalgipfel der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zur Asyl- und Flüchtlingspolitik im Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestages in Berlin statt. Alle deutschen Oberbürgermeister und Landräte sowie die Bezirksbürgermeister der Stadtstaaten sind dazu eingeladen. Wir werden den Vertretern der Städte und Kreise zunächst unsere Gedanken zu „Humanität und Ordnung in der Asyl- und Einwanderungspolitik“ vorstellen. Dazu hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion in der letzten Woche einstimmig ein detailliertes Positionspapier vorgestellt (PDF: Positionspapier „Für Humanität und Ordnung in der Asyl- und Flüchtlingspolitik“). Wir geben unterschiedliche Antworten auf die beiden Fragen: „Wer braucht uns?“ und „Wen brauchen wir?“. Wir müssen vor allem unsere Interessen, die Interessen unseres Landes und unserer Gesellschaft, neben den humanitären Verpflichtungen, die wir nicht bestreiten, stärker zum Ausdruck bringen. Neben verschiedenen Vorschlägen zur Begrenzung der irregulären Zuwanderung und zur Reform der Asylverfahren schlagen wir daher eine strikte administrative Trennung zwischen den Asylverfahren und der Einwanderung in unseren Arbeitsmarkt vor. Unter dem Titel „work and stay“ soll nach unseren Vorstellungen eine Einwanderungsagentur sämtliche Verfahren übernehmen, die zurzeit bei den deutschen Auslandsvertretungen und den kommunalen Ausländerbehörden anhängig sind, und die nicht Asylverfahren, sondern Einwanderungsanträge zum Zweck der Arbeitsaufnahme in Deutschland sind. Diese Agentur ist ausdrücklich keine neue Bürokratie, sondern soll eine vom ersten Tag an ausschließlich digital arbeitende Einrichtung sein, die für alle Entscheidungen des Aufenthaltsrechtes und der Arbeitserlaubnis („one stop shop“) zuständig ist. Über unsere Vorschläge wollen wir mit den Vertretern der Städte und Kreise diskutieren. Wir wollen deren Anregungen und Vorschläge aufnehmen und nach Ostern die Schlussfolgerungen aus unseren Begegnungen in Form eines Antrags in den Deutschen Bundestag einbringen. Dort haben wir haben zwar im Augenblick keine parlamentarische Mehrheit. Aber wir kritisieren die Bundesregierung auch nicht nur. Wir bringen konkrete Gedanken und Ideen in die politische Diskussion unseres Landes ein, vor allem zu den Themen, die die Menschen in Deutschland in besonderer Weise beschäftigen. Die wieder stark ansteigende Zahl von Flüchtlingen nach Deutschland ist sicher eines davon. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende Ihr Friedrich Merz |
17.03.2023 Liebe Leser, die Ampelfraktionen haben heute mit ihrer Mehrheit ein neues Wahlgesetz für die Wahlen zum Deutschen Bundestag durchgesetzt. Alle Versuche, mit der Ampel einen Kompromiss zu erzielen, sind gescheitert. Das Wahlrecht ist der Maschinenraum der Demokratie. Das Wahlrecht muss parlamentarische Mehrheiten nach dem Willen des Volkes ermöglichen und zugleich die unterlegenen Minderheiten ausreichend schützen. Im Respekt vor der Minderheit erst beweist sich die Qualität eines Wahlrechts. Es war deshalb über Jahrzehnte gute Tradition, Wahlrechtsänderungen immer mit breiten Mehrheiten im Deutschen Bundestag zu verabschieden. Die heutige Entscheidung verletzt in besonders rücksichtsloser Weise diese bisherige Übung, denn die Ampel verbindet mit ihrem Wahlgesetz einen besonders tiefen Einschnitt in den Kernbestand unseres bisherigen Wahlrechts. Wir waren uns über alle Fraktionen im Deutschen Bundestag hinweg immer einig, dass der Bundestag zur nächsten Bundestagswahl deutlich kleiner sein muss. Das war und bleibt nicht ganz einfach umzusetzen, wenn wir bei einem deutlich veränderten Wählerverhalten gegenüber der Zeit, in der das Bundeswahlgesetz erstmalig formuliert wurde, bei einem personalisierten Verhältniswahlrecht bleiben wollen. Bei einem Wahlrecht also, mit dem zunächst die Wahlkreisabgeordneten gewählt werden und dann mit der Zweitstimme über die Zusammensetzung des Deutschen Bundestages insgesamt entschieden wird. Die in den Wahlkreisen gewählten Abgeordneten sind nach dem Willen der Ampel in Zukunft von einer „Zweitstimmendeckung“ abhängig, also einer ausreichenden Zahl von Stimmen für die Partei, der die Kandidaten angehören. Das war für sich genommen schon eine substanzielle Veränderung unseres Wahlrechts, weg von der Erststimme, hin zur Zweitstimme. In dieser Woche nun, wenige Tage vor der Abstimmung, hat die Koalition dann einen weiteren Änderungsantrag in die Beschlussfassung eingebracht, oder „hingerotzt“, wie es der Fraktionsvorsitzende der Linkspartei formulierte. Er sieht vor, dass den gewählten Wahlkreisabgeordneten nur dann das Mandat „zugeteilt“ wird, wenn ihre Partei bundesweit mindestens 5 Prozent der Zweitstimmen erreicht. Für Parteien also, die nur in Teilen der Bundesrepublik Deutschland, also in bestimmten Regionen oder Bundesländern, Kandidaten aufstellen und auch nur dort als Parteien kandidieren, wird der Sitz im Deutschen Bundestag von einem bundesweiten Ergebnis abhängig gemacht, auf das diese Parteien außerhalb ihres Bundeslandes oder ihrer Region keinen Einfluss haben. Für regional stark verankerte Parteien -und dies muss ja nun beileibe nicht nur die CSU in Bayern sein- wird ein Mandat im Deutschen Bundestag selbst bei überragenden Wahlergebnissen in den Wahlkreisen ein nur sehr schwer erreichbares Ziel werden. Es werden Millionen von Erststimmen ohne Auswirkung auf das Wahlergebnis unter den Tisch fallen. Wir bekommen ein Wahlrecht der betrogenen Wähler. Diese Mechanik haben in der Kürze der Zeit fast alle Sachverständigen aus der Wahlrechtskommission sehr kritisch bewertet. Trotzdem hat die Ampel das neue Wahlrecht heute durchgesetzt. Meine Bitte um eine Atempause von zwei Wochen, um vielleicht doch noch einen Kompromiss zu erreichen, hat die Ampel ebenfalls abgelehnt. Die in den Fragen der Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie früher besonders empfindsame FDP hat die heutige Wahlrechtsänderung besonders lautstark befürwortet. Wir werden dieses Wahlrecht natürlich vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe überprüfen lassen. Aber der Schaden für unsere Demokratie und die Verletzung des Vertrauens der Wählerinnen und Wähler in die Institutionen unseres Staates sind mit dem heutigen Tag längst eingetreten. Willkürliche und von der Mehrheit rücksichtslos durchgesetzte Wahlrechtsänderungen kannten wir in Deutschland bisher nicht. Der Bundeskanzler spricht immer wieder von „Respekt“, und davon, dass wir alle uns „unterhaken“ sollten. Wenn es um die eigenen parteipolitischen Interessen geht, dann gelten solche Worte offenbar ziemlich wenig. Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
10.03.2023 Lieber Leser, in der nächsten Woche wollte der Bundesfinanzminister die Eckpunkte für den Bundeshaushalt 2024 vorlegen. Dieser Termin ist verschoben. Die Ampel streitet über fast alles, und jetzt auch auf offener Bühne über den nächsten Bundeshaushalt. Es war absehbar, dass dieser Streit kommt und die Bundesregierung in wesentlichen Fragen der Haushaltsplanung keine Einigung findet. Es sind auch nicht allein die zusätzlichen Ausgabenwünsche der Ampelminister, die um 70 Milliarden Euro höher liegen als die in der Finanzplanung vorgesehenen Ausgaben. Auch die Zinslasten steigen deutlich an, sie sind die unmittelbare Folge der geradezu hemmungslosen Verschuldung des letzten Jahres. Schon im laufenden Jahr muss der Finanzminister rund 40 Milliarden Euro Zinsen auf die Bundesschuld zahlen, nach 4 Milliarden im vorletzten Jahr. Im nächsten Jahr wird es noch einmal mehr sein, je nach der weiteren Zinsentwicklung. Und ganz salopp verkündet der Bundeswirtschaftsminister in diesen Tagen ein weiteres milliardenschweres Förderprogramm für die privaten Haushalte, nachdem er bemerkt hat, welchen Protest seine Ankündigung eines Verbotes der Gas- und Ölheizungen bereits ab dem nächsten Jahr ausgelöst hat. Nach 15 Monaten ist die Bundesregierung in den wesentlichen Fragen ihrer Politik vollkommen zerstritten. Es gibt kaum noch ein Thema, bei dem sich die Ampelkoalition einig ist. In der Haushaltsplanung wird sich der Streit zuspitzen, denn der Bundeshaushalt ist eben das Kursbuch der Nation. Aber wenn der Kurs nicht stimmt, dann kann auch der Haushalt nicht mehr ausgeglichen werden. Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
03.03.2023 Lieber Leser, das Bundeskabinett hat in dieser Woche auf Initiative der beiden Bundesministerinnen des Auswärtigen und für wirtschaftliche Zusammenarbeit Leitlinien für eine feministische Außenpolitik beschlossen. Kern dieser Leitlinien sind die echte Gleichberechtigung von Frauen sowie ihre bessere Beteiligung von Frauen und ihre gleichberechtigte Einbeziehung in alle politischen Prozesse – bei der Bekämpfung von Hunger und Armut ebenso wie bei der Friedenssicherung, der Entwicklungshilfe und nicht zuletzt bei Bildung und Ausbildung. Die Idee der feministischen Außenpolitik wird seit mehr als 100 Jahren diskutiert, der Internationale Frauenkongress in Den Haag im Jahr 1915 war der erste wichtige Meilenstein. Ohne eine bessere Einbeziehung von Frauen werden wir die Probleme unserer Zeit sicher nicht lösen. Und bis hinunter in unseren Alltag wissen wir: Männer und Frauen haben oft einen unterschiedlichen Blick auf die Dinge, gemischte Teams arbeiten besser. Und wo Frauen in führender Verantwortung mit dabei sind, kommen Entscheidungsprozesse zu besseren Ergebnissen. Eine feministische Außenpolitik bringt uns allerdings auch zu der Frage, an welchen Maßstäben sich Außenpolitik denn ganz grundsätzlich orientieren soll. Ist es eher eine werteorientierte Außenpolitik, die sich nicht nur, aber auch und besonders den Rechten und der Mitwirkung von allen gesellschaftlichen Gruppen zuwenden soll, oder ist es eher eine interessengeleitete Außenpolitik, die sich vor allem an unseren nationalen Interessen, den Sicherheitsinteressen und den ökonomischen Interessen unseres Landes ausrichtet? Ich meine, eine werteorientierte Außenpolitik und eine interessengeleitete Außenpolitik dürfen nicht in einen Widerspruch zueinander gesetzt werden. Unsere Interessen können sehr wohl auf die Gleichberechtigung, die Anerkennung der Menschenrechte, auf Demokratie und Rechtsstaat ausgerichtet sein. Unsere nationalen Interessen liegen in der gegenwärtigen Zeit auch und vor allem in der Gewährleistung einer im umfassenden Sinne verstandenen Sicherheit: die unseres Landes und unserer Bürger vor physischen Bedrohungen, aber auch die Sicherheit unserer Energieversorgung und der Infrastruktur. Alles zusammen muss einfließen in eine Nationale Sicherheitsstrategie, die laufend fortentwickelt und den aktuellen Herausforderungen angepasst wird. Über eine solche Nationale Sicherheitsstrategie diskutiert – und streitet – die Bundesregierung nun seit über einem Jahr. Ohne eine umfassende Nationale Sicherheitsstrategie werden auch die Erfolge einer werteorientierten Außenpolitik und damit auch die einer feministischen Außenpolitik eher bescheiden bleiben. Mit anderen Worten: Der größere Teil der Aufgabe, die Außen- und Sicherheitspolitik unseres Landes neu auszurichten, liegt auch ein Jahr nach der „Zeitenwende“ immer noch unerledigt auf dem Schreibtisch der Bundesregierung. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende Ihr Friedrich Merz |
24.02.2023 Lieber Leser, zwei Drittel der Anhänger der beiden Parteien Die Linke und AfD unterstützen das von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht veröffentlichte sogenannte „Manifest für den Frieden“, das die beiden unter anderem über die Zeitschrift Emma publizierten. Am Wochenende laden die Initiatoren zu einer großen Demonstration ein. Von deutschem Boden soll also Frieden ausgehen für die Ukraine. Ein Jahr nach dem Beginn dieses Krieges ist der Wunsch nach Frieden nur allzu verständlich. Wir wollen uns eben nicht gewöhnen an die täglichen Bilder und Nachrichten aus der Ukraine, dieser Krieg ist – wie jeder Krieg – etwas Schreckliches. Er bedroht nicht nur die territoriale Integrität des zweitgrößten Landes Europas; es sterben täglich Menschen in diesem Krieg, viele ukrainische Soldaten und Zivilisten, aber auch zehntausende russische Soldaten sind diesem Verbrechen des Putin-Regimes bisher zum Opfer gefallen. Jeder auch nur einigermaßen mitfühlende Mensch muss den Wunsch nach Frieden teilen. Und so hat in der Woche vor dem ersten Jahrestag dieses Krieges die Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York erneut mit überwältigend großer Mehrheit das Ende der Kampfhandlungen verlangt und Putin zum Rückzug seiner russischen Truppen aus der Ukraine aufgefordert. Aber was wissen Alice Schwarzer und Sarah Wagenknecht und mit den beiden die Mehrheit der Anhänger der Partei Die Linke und der AfD besser als die Vollversammlung der Vereinten Nationen? In der Konsequenz ist deren sogenanntes „Manifest für den Frieden“ eine Kapitulation vor der puren militärischen Gewalt von Putin und seinem Regime. Wie weit diese geschichtslose Haltung geht, lässt sich an einem kleinen Detail der Äußerungen von Sarah Wagenknecht ablesen: Nach dem Frieden könne man doch in einer Volksabstimmung die Ukrainer selbst darüber befinden lassen, welchem Land sie sich zugehörig fühlen sollten, so wie dem Saarland 10 Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkrieges die Entscheidung zwischen Deutschland und Frankreich ermöglicht worden sei. Kennt Frau Wagenknecht die Umstände nicht, unter denen es im letzten Jahr bereits sogenannte „Volksreferenden“ in vier ukrainischen Gebieten gab? Und kann sie auch nur ein Beispiel nennen, wo ein autoritärer Staat wie Russland jemals der Bevölkerung eine echte Wahlfreiheit gegeben hat über ihre Zugehörigkeit zu diesem oder jenem Land? Gewollt oder ungewollt: Sahra Wagenknecht, Alice Schwarzer und mit ihnen die Unterstützer vor allem aus der Partei Die Linke und der AfD spielen Putin und der blanken Gewalt in die Hände. Und sie missachten zugleich in beschämender Weise das Recht auf Eigenständigkeit und Selbstverteidigung der Ukraine und ihrer Bevölkerung. Das einzig richtige Manifest für den Frieden haben die Vereinten Nationen in dieser Woche ausgesprochen. Weiterer sogenannter „Manifeste“ bedarf es nicht, schon gar nicht aus Deutschland. Mit freundlichen Grüßen Ihr Friedrich Merz |
17.02.2023 Lieber Leser, am Abend des 27. Januar, dem Tag des Gedenkens an die Befreiung des Konzentrationslagers Ausschwitz, war ich von der Berliner CDU zu einer Wahlkampfveranstaltung in Neukölln eingeladen. Ich stand am Abend dieses Tages noch sehr unter dem Eindruck der Gedenkstunde, die am Morgen im Plenum des Deutschen Bundestages stattgefunden hatte. Ich habe darüber ausführlich gesprochen, da brüllte plötzlich aus dem Halbdunkel des gut gefüllten Saales im Gemeinschaftshaus der Berliner Gropiusstadt irgendein Teilnehmer die Worte „Scheiß Rassismus“ in den Saal, und im selben Augenblick stand eine halbe Reihe von Zuschauern auf und verließ die Veranstaltung. Ich war einigermaßen überrascht über diesen Vorfall, habe meine Rede aber fortgesetzt ohne den Hintergrund der Aktion zu kennen. Erst nach der Veranstaltung berichteten mir meine Mitarbeiter, was da abgelaufen war. Es handelte sich offenbar um eine gezielte Aktion einiger Bezirksvertreter und Funktionäre der örtlichen SPD. Ein Redakteur des Berliner Tagesspiegels twitterte unmittelbar nach der Aktion und offenbar ohne weitere Recherche, etliche „junge Neuköllner“ hätten nach „unklaren“ Aussagen von mir unter Protest die CDU-Wahlkampfveranstaltung verlassen. Nur der sofortigen Gegenreaktion aus meinem Team heraus war es zu verdanken, dass nicht eine größere Zahl von Medien die erste Berichterstattung ohne weitere Prüfung des tatsächlichen Sachverhaltes übernommen hatten. Den Wahlkreis Rudow im Bezirk Neukölln gewann am letzten Sonntag bei der Wiederholungswahl in Berlin der CDU-Kandidat Olaf Schenk mit 45,3 Prozent der Stimmen, Berlins Regierende Bürgermeisterin blieb mit 29,6 Prozent der Stimmen in ihrem bisherigen Wahlkreis weit abgeschlagen. Eben diese bisherige Regierende Bürgermeisterin hatte besonders heftig auf meine Kritik an den Silvesterausschreitungen in „ihrem“ Neukölln reagiert. Von „Rassismus“ bis „Nazi“ war in der SPD und weiter links alles dabei. Die Quittung hat die gesamte SPD am letzten Sonntag in Berlin bekommen. Sie teilt sich jetzt mit den Grünen – so würde man es im Sport sagen – den zweiten Platz. Die CDU hat nicht nur 28,2 Prozent der Stimmen und damit fast 10 Prozentpunkte mehr erreicht als SPD und Grüne. Sie hat in Berlin auch 48 von 78 Wahlkreisen gewonnen, die SPD noch ganze vier. Rechnerisch kommt Rot-Grün-Rot in Berlin immer noch auf eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus, aber politisch ist diese Koalition und vor allem die SPD abgewählt worden. Und trotzdem versucht die SPD aus diesem Wahlergebnis immer noch einen Wählerauftrag für eine Regierungsbildung herauszulesen. Zur Erinnerung: Bei der letzten Bundestagswahl lag die SPD ganze 1,6 Prozentpunkte vor der Union, die ihrerseits fast die Hälfte der Wahlkreise gewonnen hatte, 22 mehr als die SPD und mehr als die gesamte heutige Regierungskoalition zusammen. Trotzdem hat die SPD kein gutes Haar gelassen an den Sondierungsgesprächen, die Union, Grüne und FDP in den Tagen nach der Bundestagswahl geführt hatten und der Union jede Legitimation für eine Regierungsbildung abgesprochen. Wie geht es in Berlin jetzt weiter? Die Berliner CDU braucht gewiss keine guten Ratschläge von außen. Aber sie hat als die mit großem Abstand stärkste politische Kraft in Berlin zunächst einmal den Auftrag, mit der SPD und den Grünen über das zu sprechen, was möglich sein könnte. Und offensichtlich scheint bei vielen Grünen vor allem auf kommunaler Ebene die Einsicht zuzunehmen, dass es zum Beispiel mit der großen Zahl der Flüchtlinge und mit den Integrationsproblemen so nicht weitergehen kann. Als der grüne Landrat aus dem Landkreis Miltenberg vor einigen Tagen bestätigte, es sei eigentlich noch viel schlimmer als von mir beschrieben, da blieben wenigstens die Rassismus-Vorwürfe aus. Und auch Frau Giffey meldete sich schon gar nicht mehr zu Wort. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende! Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, an diesem Sonntag wird in Berlin ein neues Abgeordnetenhaus gewählt. Es ist eine Wiederholungswahl, da der Berliner Senat im September 2021 nicht in der Lage war, eine ordnungsgemäße Wahl durchzuführen. Das Berliner Landesverfassungsgericht hat die Wiederholung der gesamten Wahl angeordnet, da so viele Fehler in dieser letzten Wahl passiert waren, dass die heutige Zusammensetzung des Berliner Abgeordnetenhauses nicht den Grundsätzen entspricht, die in einer Demokratie als Mindestvoraussetzung gelten. So ein vernichtendes Urteil hat es bisher in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland über eine Landtagswahl noch nie gegeben. Eine politische Verantwortung für das Wahlchaos im vorletzten Jahr hat bisher niemand übernommen. Im Gegenteil, der damalige Innensenator ist immer noch Mitglied im Senat, die Regierende Bürgermeisterin bewirbt sich um die Wiederwahl. So haben jetzt die Berlinerinnen und Berliner erneut die Wahl, dieses Mal von internationalen Wahlbeobachtern auf die Rechtmäßigkeit der Wahl kontrolliert. Auch das hat es in Deutschland nach dem Ende der Besatzungszeit noch nie gegeben. Die CDU hat mit Kai Wegner an der Spitze einen richtigen guten Wahlkampf gemacht, mit guten neuen Ideen, mit witzigen und eingängigen Wahlkampfslogans. Die Umfragen sehen die CDU in Berlin klar an der Spitze, auch wenn einige Hauptstadtmedien von einer „Kopf-an-Kopf-Wahl“ sprechen. Die Wahlbeteiligung bei den Briefwahlen ist bisher eher niedrig, was auf eine gewisse Wahlmüdigkeit vor allem der Wählerinnen und Wähler schließen lässt, die bisher SPD. Grün und ganz Links gewählt haben. Das ist jetzt die Chance für die CDU. Wenn die CDU in der Hauptstadt ihr eigenes Wählerpotenzial ausschöpft, dann kann sie am Sonntag sogar sehr deutlich vor der SPD und den Grünen liegen. Wenn Sie also in Berlin wohnen, dann gehen Sie am Sonntag in jedem Fall wählen – diese Wahl ist eine Chance zu zeigen, dass die CDU auch Großstadt kann! Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende, und vor allem der CDU einen weiteren guten Wahltag! Herzlich, Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, in diesen Tagen veröffentlichen viele deutsche Unternehmen ihre Zahlen für das Jahr 2022. In Kürze beginnen die Hauptversammlungen der börsennotierten Gesellschaften, und schon jetzt ist absehbar: Viele deutsche Unternehmen haben im Jahr 2022 so viel Geld verdient wie schon seit vielen Jahren nicht mehr. Diese Nachricht steht nur auf den ersten Blick im Widerspruch zu den vielen schlechten Nachrichten aus manchen Handwerksbetrieben und Unternehmen, die von der Energiepreiskrise ganz besonders hart betroffen waren. Insgesamt war das Jahr 2022 für die deutsche Wirtschaft ein sehr viel besseres Jahr als wir noch zu Beginn des Krieges in der Ukraine befürchten mussten. Die Aktiengesellschaften werden ihren Aktionären im Durchschnitt folglich sehr hohe Dividenden auszahlen. Allein die im deutschen Aktienindex DAX gelisteten Unternehmen dürften für das Jahr 2022 voraussichtlich über 50 Milliarden Euro an ihre Aktionäre ausschütten. Aber wer sind diese Aktionäre, die sich in den nächsten Wochen über so viel Geld freuen können? Anders als in vielen anderen Ländern Europas gibt es schon seit vielen Jahren in Deutschland fast kein börsennotiertes Unternehmen mehr, das sich mehrheitlich im Besitz deutscher Aktionäre befindet. Ausnahmen sind nur einige wenige Unternehmen, die traditionell deutsche Unternehmerfamilien unter ihren Aktionären haben. Ganz überwiegend aber sind die Eigentümer der klangvollen deutschen Aktiengesellschaften Aktionäre aus der ganzen Welt, die nun den Ertrag der erfolgreichen Arbeit der deutschen Unternehmen ausgezahlt bekommen. Man kann es auch so formulieren: Millionen von deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern arbeiten im Jahr nicht nur für das eigene Gehalt, sondern auch für die Dividenden von Millionen ausländischer Aktionäre. Die gute Nachricht ist: Diesen Zusammenhang haben mittlerweile viele jüngere Menschen erkannt. Die Zahl der Aktienbesitzer ist in Deutschland im letzten Jahr erneut leicht gestiegen. Immerhin haben jetzt gut 12 Millionen Bundesbürger Aktien oder Aktienfonds in ihren Depots liegen. Aber die schlechte Nachricht folgt daraus: An 4 von 5 Bundesbürgern gehen die hohen Dividendenauszahlungen der deutschen Unternehmen einfach vorbei. Darunter sind sicherlich viele, die nicht sparen können. Aber die Mehrzahl der Bundesbürger spart einfach falsch. Das Geldvermögen der Deutschen liegt nach wie vor und ganz überwiegend auf Spar- und Girokonten. Dabei wird dieses Geld in doppelter Hinsicht so dringend gebraucht wie nie zuvor: In den nächsten Jahren müssen die deutschen Unternehmen verstärkt in die Dekarbonisierung und die Digitalisierung investieren, damit sie wettbewerbsfähig bleiben. Das können sie aber nur mit einer ausreichenden Kapitalausstattung. Und die Erträge aus den Erfolgen der nächsten Jahre werden vor allem zur Sicherung der Alterseinkommen in Deutschland gebraucht. Länder wie die Niederlande, Dänemark, Schweden und viele andere sind uns in dieser Hinsicht um Jahrzehnte voraus. Wer also in den nächsten Tagen und Wochen weitere gute Meldungen von deutschen Unternehmen über ihre Zahlen aus dem Jahr 2022 liest, der sollte darüber nachdenken, ob sie oder er in der Zukunft daran nicht auch persönlich ein wenig mehr Freude haben könnte. Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, die Bundesaußenministerin erfreut sich einiger Beliebtheit in der deutschen Bevölkerung. Das ist für den oder die Bundesaußenminister/in nicht ungewöhnlich, die FDP hat lange davon gezehrt. Aber in Zeiten eines Krieges in Europa kommt es gerade in der Außenpolitik auf jedes Wort an, auch und vor allem dann, wenn man sich in einer fremden Sprache äußert. Und da ist der Bundesaußenministerin in dieser Woche ein schwerer Fauxpas unterlaufen, der in einer gut vorbereiteten Rede nicht passieren darf. Vor der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, dem 46 Mitgliedstaaten aus ganz Europa und darunter alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union angehören, beschreibt Annalena Baerbock den Krieg in der Ukraine mit den Worten „We are fighting a war against Russia.“ Wir führen einen Krieg gegen Russland? „Wir“? Das ist genau die Kreml-Propaganda, die in Moskau nur zu gern gehört wird, und die von dort aus über alle verfügbaren Kanäle dann auch verbreitet wird. Nun kann sich jeder von uns einmal schlecht ausdrücken, aber im Kontext dessen, was in dieser Woche sonst noch geschah, bleibt der Eindruck einer schlecht koordinierten und noch schlechter erklärten Außen- und Sicherheitspolitik dieser Bundesregierung zurück. Am Sonntag äußert die Bundesaußenministerin in Paris, Deutschland werde in Zukunft Exportgenehmigungen für den Leopard-Panzer erteilen. Der Kanzler schweigt dazu. Am Dienstagabend dringen Meldungen aus der Bundesregierung in die Medien, man werde jetzt doch auch selbst Panzer an die Ukraine liefern. Und am Mittwoch gibt der Bundeskanzler nicht etwa eine Regierungserklärung dazu ab, sondern verkündet diese Entscheidung in der Regierungsbefragung durch den Bundestag. Zur Begründung, warum dies nun jetzt doch geschehe, verweist der Bundeskanzler allein auf die USA, die jetzt auch Panzer liefern würden. Wir haben über die Notwendigkeit, der Ukraine angesichts der gesteigerten Angriffe auf zivile Ziele mit vielen Toten und Verletzten, militärisch noch besser zu helfen, in den letzten Wochen und Monaten häufig diskutiert. Im Vordergrund der Argumentation der Bundesregierung stand immer nur und ausschließlich die Frage, ob die Amerikaner diesen Weg auch mitgehen. Die militärische Lage in der Ukraine und die Befürchtung, dass die russische Armee eine nächste größere Offensive plant, waren zu keinem Zeitpunkt Teil der Begründung für oder vielleicht auch gegen weitere Waffenlieferungen an die ukrainische Armee. So bleibt die Bundesregierung wichtige Antworten schuldig auf Fragen, die in der Bevölkerung gestellt werden. Und die Bundesaußenministerin bedient sprachlich nachlässig ein Narrativ, das die Gegner unserer Hilfe für die Ukraine nur zu gern aufnehmen. Außen- und Sicherheitspolitik, die um die Zustimmung der Bevölkerung in schwierigen Zeiten ringt, kann so nicht gelingen. Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, „vertraulich und exklusiv“ haben mir die Vorsitzenden der Ampelfraktionen von SPD, Grünen und FDP am vergangenen Sonntagnachmittag den Gesetzentwurf der Koalition über ein neues Wahlrecht zugeschickt. Bereits eine Stunde später konnten wir in der FAZ einen ausführlichen Bericht über diesen Gesetzentwurf lesen, am Abend wurde in allen Medien über den Vorschlag der Koalition breit berichtet. Die Koalition plant einen Systemwechsel in unserem Wahlrecht, hin zu einem Verhältniswahlrecht, in dem die Wahlkreise nicht mehr automatisch vom Erstplatzierten gewonnen werden, sondern eine endgültige „Zuteilung“ des Mandats davon abhängig gemacht wird, ob die Partei, der der Wahlkreisgewinner angehört, auch genug Zweitstimmen erlangt hat. Mit anderen Worten: ein gewonnener Wahlkreis ist noch längst kein gewonnener Wahlkreis. Wenn eine Partei in einem Bundesland mehr Direktmandate gewinnt als ihr nach den Zweitstimmen zustehen würde („Überhangmandate“), dann gelten die Wahlkreisbewerber mit den wenigsten Stimmen als nicht gewählt. Als CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist unsere Position klar: Der Deutsche Bundestag ist mit gegenwärtig 736 Abgeordneten viel zu groß. Er muss deutlich verkleinert werden, und zwar rechtzeitig vor der nächsten Bundestagswahl. Eine Zielgröße von 600 Abgeordneten wäre angemessen für unser Parlament. Aber lässt sich eine solche Verkleinerung wirklich nur erreichen, wenn gewonnene Wahlkreismandate nicht mehr „zugeteilt“ werden? Oder gibt es nicht doch einen besseren Weg, um dasselbe Ziel zu erreichen, nämlich die signifikante Verkleinerung des Bundestages auf rund 600, ohne in die Ergebnisse der Wahlkreise so tief einzugreifen? Um diese Frage angemessen beantworten zu können, muss man ein wenig in die Details unseres Wahlrechtes eintauchen. Wir haben gegenwärtig 299 Wahlkreise in Deutschland, in denen die- oder derjenige Bewerber(in) als gewählt gilt, die oder der die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen („Erststimme“ bzw. die Bürgerstimme) in einem Wahlkreis erreicht hat. Zusätzlich werden weitere 299 Abgeordnete über die Landeslisten der Parteien gewählt. Erzielt eine Partei in einem Bundesland mehr Wahlkreismandate als ihr nach dem prozentualen Ergebnis der „Zweitstimme“ zustehen würden, entstehen „Überhangmandate“. Diese Überhangmandate müssen ausgeglichen werden, und zwar bis die Verteilung der Sitze auf alle Fraktionen wieder so ist, wie sie dem prozentualen Wahlergebnis aller Parteien in allen Bundesländern entspricht („Ausgleichsmandate“). So wird der Bundestag je nach Wahlergebnis deutlich größer als 598. Der Vorschlag der Ampel irritiert in mehrfacher Hinsicht. Sie erkennen die Überhangmandate einfach nicht mehr an, und damit entfällt auch die Notwendigkeit der Ausgleichsmandate. Wenn eine Partei schwächer ist als es der Zahl der gewonnenen Wahlkreismandate entspricht, fällt das Ergebnis der Bürgerstimme, der Stimme also, mit der die Wählerinnen und Wähler in einem Wahlkreis ihren Abgeordneten wählen, einfach unter den Tisch. Pech gehabt, soll man dann sagen, Wahlkreis gewonnen, aber den Sitz im Bundestag gibt es nicht. Einen solchen tiefen Eingriff in unser Wahlrecht und in das Demokratieprinzip unseres Grundgesetzes hat es bisher noch nicht gegeben. Aber es gibt einen Weg, diese für uns nicht hinnehmbare Missachtung des Wählerwillens in den Wahlkreisen entgegenzutreten, und den Bundestag trotzdem auf rund 600 Abgeordnete zu verkleinern! Wir unterbreiten der Ampel fünf Vorschläge:
Wenn es 270 Wahlkreise werden und 320 Mandate über die Listen der Parteien, dann läge die Zielgröße des Bundestages nach unserem Vorschlag sogar noch unter der Zielgröße der Koalition. Überhang- und Ausgleichsmandate, die dann noch dazukommen könnten, würden in ihrer Zahl durch unsere Vorschläge so klein ausfallen, dass bei vollem Erhalt der Bürgerstimme in den Wahlkreisen der Bundestag deutlich verkleinert und auf rund 600 Mandate reduziert werden würde. Dieses Wahlrecht wären wir bereit in einem großen politischen Konsens schnell im Deutschen Bundestag zu entscheiden. Die Ampel sollte diesen Weg mit uns ernsthaft prüfen! Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende. Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, seit zwei Tagen verdichten sich die Hinweise darauf, dass die Verteidigungsministerin zurücktritt. Nun soll in der kommenden Woche bekannt gegeben werden, ob sie tatsächlich aus dem Amt scheidet und wer ihr nachfolgen soll. Der Umgang mit dieser Personalfrage zeigt das ganze Dilemma der deutschen Außen- und Verteidigungspolitik wie in einem Brennglas: Zögern, abwarten, das Versteckspiel hinter den Partnern in der EU und der NATO sind der Wesenskern der Politik der Bundesregierung. Kurz nach dem Jahreswechsel wurde die Bundesregierung überrascht vom Vorstoß des französischen Präsidenten, nun doch Transport- und Kampfpanzer an die Ukraine zu liefern. Ganz eilig wurde erklärt, das werde die Bundesregierung jetzt auch tun, und dies sei alles gut abgestimmt mit Frankreich. Tatsächlich haben längst die Amerikaner und die Franzosen die Initiative an sich gezogen, darüber zu befinden, wie in NATO und EU denn mit dem seit fast einem Jahr andauernden Krieg in der Ukraine umgegangen werden soll und welche Auswirkungen dieser Krieg denn auf die Verteidigungspolitik insgesamt haben muss. Ein ähnliches Muster zeigt sich in der angekündigten und für das Jahresende 2022 vorgesehenen Veröffentlichung einer nationalen Sicherheitsstrategie der Bundesregierung. Zwischen Kanzleramt, Auswärtigem Amt und Verteidigungsministerium gibt es offenbar erhebliche Meinungsunterschiede über den Inhalt und vor allem die Zuständigkeit. So kann die Bundesaußenministerin viele Besuche in der Welt und zuletzt einen durchaus mutigen Besuch in der Ostukraine machen: Die Bilder bleiben folgenlos, wenn dahinter nicht eine Sicherheitsstrategie steht, die Deutschland darauf vorbereitet, womit wir in den nächsten Jahren rechnen müssen, nämlich eine anhaltende Gefährdung unserer Freiheit und unserer Sicherheit auf vielen Ebenen, durch Naturkatastrophen ebenso wie durch Ausspähung unserer staatlichen Institutionen, durch militärische Gewalt in unserer Nachbarschaft wie durch zunehmende Cyberangriffe auf Unternehmen und kritische Infrastruktur. Wir sind auf die vielfältigen Gefährdungen unserer Sicherheit nicht ausreichend gut vorbereitet. Vor diesem Hintergrund bekommt die Personalfrage um das Amt der Bundesverteidigungsministerin noch einmal eine ganz andere Dimension: Hat die SPD, die dieses Amt nach dem Koalitionsvertrag ja wieder besetzen soll, überhaupt eine ausreichende Personalreserve, um den Anforderungen der führenden Regierungspartei an unsere Sicherheit gerecht zu werden? Oder wird der parteiinterne Personalproporz wieder einmal die wichtigere Rolle spielen? Am Donnerstag kommt der amerikanische Verteidigungsminister nach Deutschland, um die nächste Unterstützungskonferenz für die Ukraine zu leiten. Er wüsste vermutlich schon ganz gern, ob aus Deutschland ein Verteidigungsminister daran teilnimmt, der etwas von Verteidigungspolitik versteht. Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, „Wir dürfen nicht abwarten, bis uns die Umstände zum Handeln zwingen, sondern müssen handeln, um die Umstände zu prägen“ – so lautet ein zentraler Satz im Buch „HOFFNUNGSLAND – Eine neue deutsche Wirklichkeit“, das der heutige Bundeskanzler vor vier Jahren veröffentlichte. Auch das Wort „Zeitenwende“ findet sich in diesem Buch zahlreich, fast ausschließlich im Kontext einer neuen Einwanderungspolitik, die Olaf Scholz nach den Erfahrungen der Jahre 2015 und 2016 für notwendig hielt. Legt man den Maßstab der „Zeitenwende“ und den Anspruch eines vorausschauenden Handelns auf die aktuelle Lage in der Ukraine an, so muss man sagen: Diesem Anspruch wird der Bundeskanzler nicht gerecht. Im Gegenteil, er wurde in dieser Woche ganz offensichtlich von der Initiative des französischen Präsidenten, der eng abgestimmt war mit dem amerikanischen Präsidenten, überrascht, der Ukraine jetzt doch Panzer westlicher Bauart zu liefern. Mit eintägiger Verspätung schloss sich der Bundeskanzler der Initiative an und lässt erklären, aus Deutschland könnten jetzt auch etwa 40 Schützenpanzer Marder geliefert werden. Der französische Staatspräsident zeigt sich wieder einmal als derjenige, der politische Führung in Europa übernimmt. Man darf vermuten: So war es zwischen Frankreich und den USA beim letzten Besuch in Washington abgesprochen, ohne deutsche Beteiligung. Die Umstände haben die Bundesregierung zum Handeln gezwungen, die Umstände prägen nun andere. So verliert Deutschland beides: Respekt im Osten Europas und Einfluss im Westen. Die zögerliche Haltung wird Folgen haben für die Zeit nach dem Krieg. Die osteuropäischen Staaten werden den USA mehr Vertrauen entgegenbringen als Deutschland, innerhalb der EU wird Frankreich ein immer größeres Gewicht erhalten. Das ist beides für sich genommen keine Tragödie, aber es relativiert die strategischen Einwirkungsmöglichkeiten unseres Landes auf die zukünftige Ausrichtung der NATO und der EU. Beide Institutionen stehen angesichts des russischen Angriffskrieges vor einer grundlegenden Neuausrichtung ihrer Prioritäten. Es wäre dabei durchaus wünschenswert, dass ein Land wie Deutschland, immerhin größtes europäisches Mitgliedsland in der NATO und größter Nettozahler in der EU, einen seiner Größe und Leistungskraft entsprechenden Einfluss nehmen könnte auf diese längst begonnenen Diskussionen. Stattdessen beschreibt die Verteidigungsministerin in ihrem Silvestervideo, wie viele interessante Menschen sie im Kriegsjahr 2022 voller Freude kennengelernt habe. Kann man sich ein vergleichbares Video von einem amerikanischen oder einem französischen Verteidigungsminister vorstellen? Aber die Außenpolitik und die Sicherheitspolitik waren ja auch nicht das Thema im Buch vom „Hoffnungsland“. Die Worte „Bundeswehr“, „Verteidigungspolitik“ oder gar „NATO“ sucht man darin vergebens. Ich wünsche Ihnen trotzdem weiterhin einen guten Start in das neue Jahr! Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, in wenigen Stunden endet das Jahr 2022, und die Rückblicke auf das zu Ende gehende Jahr fallen nicht besonders gut aus. Es war ja auch ein schwieriges Jahr, vor allem überschattet von dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und allen Folgen dieses Krieges. Es besteht wenig Hoffnung, dass dieser Krieg im nächsten Jahr schnell endet, im Gegenteil. Putins Russland entwickelt sich mehr zum Terrorstaat, der ohne Rücksicht auf menschliches Leid ein ganzes Land und seine Bevölkerung zu vernichten sucht. Aber was bedeutet das alles für uns, vor allem: Wie wird es wirtschaftlich im nächsten Jahr weitergehen? Zwei Wortmeldungen dieser Tage verdienen besondere Aufmerksamkeit: Der Bundesfinanzmister und FDP-Vorsitzende Christian Lindner legt ein wirtschaftspolitisches Strategiepapier vor, das so ziemlich genau das Gegenteil in der Wirtschaftspolitik für richtig hält, was die Ampel seit gut einem Jahr praktiziert. Und die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi kritisiert das Verbot von Dividenden und Bonuszahlungen in Unternehmen, die staatliche Energiehilfen bekommen. „Jetzt ist nicht die Zeit für kapitalismuskritische Grundsatzdebatten“ – so lässt sie sich zitieren. Offenbar werden wenigstens von Teilen der Regierung und der Gewerkschaften die Warnungen vor einer schleichenden Deindustrialisierung unseres Landes zunehmend ernst genommen. Und dazu gibt es allen Anlass. Vorläufige Daten zeigen, dass der Anteil der Industrieproduktion an unserer volkswirtschaftlichen Leistung im Jahr 2022 erstmalig seit langer Zeit auf unter 20 Prozent abgesunken ist. Das ist ein sehr ernsthaftes Warnzeichen für unser Land! Deutschland muss ein Land mit produzierender Industrie bleiben, im Mittelstand, aber auch in den großen Industrieunternehmen. Wenn uns dieser Teil unserer Wirtschaft in größeren Teilen verloren geht, dann steht der Wohlstand unseres Landes vor einem deutlichen Niedergang. Dann werden wir auch keine Möglichkeit mehr finden, die dringend notwendige Transformation hin zur Klimaneutralität zu finanzieren, denn die wird so oder so sehr teuer. Wir werden uns in der CDU deshalb im neuen Jahr mit der Frage befassen, wie wir Wirtschaftspolitik, Energiepolitik und Klimapolitik in ein vernünftiges Gleichgewicht bringen können, vor allem: Wie wir Wirtschaft, Energie und Klima als die eine große Herausforderung für unser Land verstehen können, die es nur im Gleichklang, die nur als einheitliche und in sich widerspruchsfreie Politik konzipiert werden kann. Wir werden Wege aufzeigen, dass nicht gegen oder ohne die Marktwirtschaft, sondern nur mit der Marktwirtschaft Lösungen möglich sind, die beiden Ansprüchen gerecht werden können, nämlich der Sicherung unseres Wohlstandes und der Beherrschung des Klimawandels. Eine solche Antwort sind wir der deutschen Öffentlichkeit und unserem Land insgesamt als die Partei von Ludwig Erhard schuldig. Und wir werden uns nicht von denen leiten lassen, die aus ihrem erreichten Wohlstand heraus jetzt das „Ende des Kapitalismus“ oder gar den Übergang zu einer Art Kriegswirtschaft herbeireden und -schreiben. Das Potential unseres Landes ist größer als wir es zurzeit sehen, aber die Menschen müssen es auch mit Mut und Zuversicht nutzen wollen. Mut und Zuversicht wünsche ich Ihnen aber zunächst einmal für den Übergang vom alten in das neue Jahr. Ihnen und Ihren Familien auch persönlich alles erdenklich Gute. Mit sehr herzlichen Grüßen Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, was war das für ein Jahr! Vor zwölf Monaten hätte niemand gewagt vorauszusagen, welche Ereignisse dieses Jahr 2022 bestimmen sollten. Mitten in der schwierigen Diskussion um eine Impfpflicht gegen das Coronavirus begann der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, und seitdem ist fast alles anders. Auch in einigen Jahren noch werden wir die Ereignisse einteilen in die Zeit vor dem Krieg und die Zeit seitdem. Es bleibt zu hoffen, dass es bald eine Zeit nach dem Krieg gibt, aber niemand weiß, wann sie beginnt. Bis dahin werden wir mit dem Krieg und seinen Folgen noch viel zu tun haben. In unserem Land steht die Energieversorgung im Mittelpunkt, und vor allem viele mittelständische Unternehmen kämpfen um ihre Existenz. Viele von ihnen haben schon aufgegeben, die Zahl der Handwerksbetriebe, unter ihnen vor allem die Zahl der Bäckereien, wird stark zurückgehen. Aber nicht die Statistik allein sollte uns beschäftigen, es sind vielmehr die menschlichen Schicksale, die uns berühren. Viele Familien stehen in diesen Tagen und Wochen vor schweren Entscheidungen, manche von ihnen mit Tränen in den Augen. Darunter zahlreiche Familienbetriebe, die in zweiter, dritter und vierter Generation – wenn nicht noch länger – bestanden haben. In der Ukraine stehen Hunderttausende vor dem Nichts, sie wissen nicht, wie sie ihre Kinder und Familien über den Winter bringen können. Täglich sterben Menschen, im Raketen- und Drohnenangriff der russischen Streitkräfte, aber auch in der Kälte, an einem Mangel an Lebensmitteln und in zerschossenen Krankenhäusern. Können wir mit diesen Bildern vor Augen Weihnachten feiern? Ich gebe zu, mir fällt dies schwerer als je zuvor. Aber der Glanz in den Augen der Kinder, die erwartungsfrohe Hoffnung auf das Weihnachtsfest bei denen, die die Welt da draußen noch gar nicht verstehen, sollten uns klar machen: Ja, es gibt Hoffnung. Hoffnung auf Frieden ist die Botschaft des Weihnachtsfestes seit über 2000 Jahren, und es gab nicht Jahre, sondern Jahrzehnte und sogar ganze Jahrhunderte, in denen die Menschen nicht wussten, ob es je wieder Frieden geben könnte. Aber diese Hoffnung ist immer wieder auch in Erfüllung gegangen, das Gebet für den Frieden ist immer wieder erhört worden. So wünsche ich auch Ihnen und Ihren Familien, dass Sie in diesen Tagen des Weihnachtsfestes 2022 die Hoffnung nicht aufgeben. Die Hoffnung, dass es wieder bessere Zeiten nach größeren Belastungen in den Familien und schweren Entscheidungen in den Unternehmen geben möge, aber auch die Hoffnung, dass die Menschen in der Ukraine in ihrem mutigen Eintreten für Frieden und Freiheit Erfolg haben werden. Diesen Erfolg mögen sie auch für uns und unsere Freiheit erzielen, und deshalb müssen wir ihnen auch in den nächsten Wochen und Monaten in vielfältiger Weise helfen. Unsere Hilfe, sei es in der Ukraine selbst oder für die geflüchteten Menschen bei uns, ist das wichtigste Zeichen der Nächstenliebe und der christlichen Hoffnung, das wir in diesen Tagen geben können. Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien daher gerade in diesem Jahr ein friedvolles und besinnliches Weihnachtsfest und uns allen ein gutes, ein besseres Jahr 2023. Herzlich Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, das war die letzte Sitzungswoche des Deutschen Bundestages im Jahr 2022. Und wie immer zum Jahresende mussten noch einige Entscheidungen getroffen werden. Darunter waren auch die Gesetze der Koalition für die versprochenen Gas- und Strompreisbremsen. Dazu gab es in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch noch 346 (!) Seiten Änderungsanträge, die am Mittwochmorgen in den Ausschüssen abschließend beraten und am Donnerstagmorgen im Plenum in 2. und 3. Lesung beschlossen werden sollten. Kein einziger Abgeordneter konnte diese Texte in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit noch lesen, geschweige denn in Ruhe bewerten. Das ist Gesetzgebung im Blindflug, vollkommen in der Hand der Ministerialbürokratie und eine Zumutung für das Parlament. Wir erleben diese Vorgehensweise der Koalition jetzt zum wiederholten Mal. Immer auf die letzte Minute, immer in der Nacht vor den entscheidenden Sitzungen, nie mit der gebotenen Sorgfalt im parlamentarischen Verfahren. Diese Art der Gesetzgebung trägt fast schon zwangsläufig den Keim schwerer handwerklicher Fehler in sich. Auch Mitglieder der Bundesregierung können selten präzise Antworten auf von uns gestellte Fragen geben. Mit der Verabschiedung der Gesetze im Bundestag wird dann gleich versprochen, wenn sich Fehler herausstellen sollten, könne man ja nachbessern. So ging es auch zu bei der Verabschiedung des Jahressteuergesetzes vor zwei Wochen. Durch die steigenden Grundstückspreise und die erforderlich gewordenen neuen Bewertungen werden ab dem nächsten Jahr die Erbschaftsteuern auf Immobilien auch im Mittelstand stark ansteigen. Das hat man im Bundesfinanzministerium in der Eile der Gesetzgebung offenbar übersehen. Der Bundesfinanzminister hat Abhilfe durch höhere Freibeträge in Aussicht gestellt. Gefolgt ist daraus: Nichts. Das Gesetz tritt zum 1. Januar in Kraft, und ab dem nächsten Jahr wird es noch schwieriger, Familienbetriebe in die nächste Generation zu übertragen. Zu solchen Schnellschüssen in der Gesetzgebung reichen wir nicht die Hand. Natürlich werden wir dafür von der Koalition kritisiert, denn „konstruktive Opposition“ heißt in den Augen der Ampel allein kritiklose Zustimmung zu allem, was sie vorlegt. Aber wenn die zu erwartenden Verwerfungen etwa bei den Ausgleichszahlungen für die hohen Gas- und Strompreise erkennbar werden, würden sie uns vorhalten, wir hätten doch allem zugestimmt. Und genau deshalb tun wir es nur, wenn wir genau wissen, was wir beschließen und wir auch in der Sache zustimmen können. So geht das Jahr zu Ende mit Beschlüssen, die zwar viel Geld kosten werden. Aber es bleibt vollkommen offen, ob damit auch das erreicht wird, was jetzt nötig wäre, nämlich eine schnelle und nachhaltige Entlastung der privaten Haushalte und der Unternehmen. Ich wünsche Ihnen trotzdem einen schönen vierten Advent! Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, in dieser Woche ist die „Ampel“-Koalition aus SPD, Grünen und FDP ein Jahr im Amt. Wie sieht die Bilanz dieser Koalition nach einem Jahr aus? Sie nannte sich „Fortschrittskoalition“ und wollte natürlich vieles anders und vor allem alles besser machen. Aber dann kam der Krieg, und die Welt war über Nacht vor ganz neue Herausforderungen gestellt und mit der Welt die Ampel. Auch jede andere Regierung hätte auf diese neue Lage reagieren müssen, und auch jede andere Regierung hätte Fehler gemacht. Gleichwohl muss man nach einem Jahr Ampel sagen: Deutschland kann es – eigentlich – besser! Der Bundeskanzler hat den russischen Überfall auf die Ukraine eine „Zeitenwende“ genannt. Es ist in der Tat eine Zeitenwende, wenn nicht gar ein Epochenbruch, wie der Bundespräsident sagt. Aber was folgt daraus für das Land und auch für die Bundesregierung? Die Zeitenwende scheint für große Teile der Bundesregierung im Wesentlichen daraus zu bestehen, jede Menge Geld auszugeben. Fast 550 Milliarden Euro neue Schulden und Kreditermächtigungen für die Folgejahre werden allein in diesem Jahr aufgenommen. Darunter sind 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr, die sogar in einem „Sondervermögen“ in das Grundgesetz aufgenommen worden sind. Ein halbes Jahr nach dieser Grundgesetzänderung müssen wir feststellen: Bis heute ist davon kein einziger Euro ausgegeben, nicht eine Bestellung erfolgt, nicht eine Ausschreibung gemacht. Das sei alles so kompliziert, hören wir von der Bundesregierung. Ja, das stimmt, das Beschaffungswesen der Bundeswehr ist viel zu kompliziert. Aber hatten wir nicht auch verabredet, dass daran schnell etwas geändert wird? Hatten wir nicht verabredet, dass auch und vor allem gemeinsame europäische Rüstungsprojekte daraus finanziert werden sollen? Nicht nur die Franzosen sind tief frustriert über diese deutsche Verteidigungs- und Rüstungspolitik. Aber auch in der Wirtschaftspolitik läuft es nicht rund für die Regierung. Im europäischen Vergleich schneidet Deutschland bei den Wachstumserwartungen für das nächste Jahr besonders schlecht ab. Jetzt sollen „Klimaverträge“ mit den Zweigen der Industrie abgeschlossen werden, die einen besonders hohen Energieverbrauch haben. Agora Energiewende, der Lobbyverband, der die Bundesregierung berät und den zuständigen beamteten Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium stellt, hat das Konzept über Monate weitestgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit entwickelt, der Bundeswirtschaftsminister hat es sich in diesen Tagen zu eigen gemacht. Wichtige Industriezweige wie die chemische Industrie, die Stahlindustrie und die Zementbranche sollen hohe Subventionen bekommen für die Umstellung ihrer Produktion auf klimafreundliche Erzeugung und klimafreundliche Produkte. Damit verlässt der Staat aber den Pfad der Marktwirtschaft und seine notwendige Rolle als derjenige, der einen für alle geltenden Ordnungsrahmen setzt. Er wird zum Akteur, der definiert, welche Unternehmen in den Genuss der milliardenschweren Zuwendungen kommen und welche nicht. An die Zahlungen werden vermutlich einige Auflagen gebunden sein, im Zweifel auch im Hinblick auf Managergehälter und Dividendenzahlungen. So betritt der Staat den Weg einer lenkenden und ordnenden Industriepolitik, die nach politischen Maßstäben belohnt und bestraft, denn bestraft werden all diejenigen, die nicht zu den politisch identifizierten Industriezweigen und Subventionsempfängern gehören. Diese Art von Staatswirtschaft kann nicht zu den gewünschten Ergebnissen führen, im Gegenteil, sie wird Industrien päppeln, die ansonsten nicht überleben, und andere vernachlässigen, die nicht mehr und nicht weniger brauchen, als einen verlässlichen Ordnungsrahmen, heute ganz besonders unter den Bedingungen der Wettbewerbsfähigkeit und der Innovation hin zu klimafreundlichen Prozessen und Produkten. So sind es nicht die korrekturfähigen Entscheidungen wie die Gasumlage, die die Zukunft unseres Landes bestimmen, sondern die ganz grundsätzlichen Weichenstellungen vor allem in der Wirtschaftspolitik, die die Ampel jetzt vornimmt, deren Auswirkungen aber erst Jahre später zu bemerken sein werden. Die Grundsatzdiskussion über die Wirtschafts-, Energie- und Klimapolitik muss daher jetzt geführt werden, nicht erst wenn die Folgen der Fehler von heute so richtig sichtbar werden. Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, schon seit langer Zeit beobachten wir einen zunehmenden Fachkräftebedarf in Deutschland. Praktisch auf allen Ebenen unserer Volkswirtschaft werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesucht, in der Privatwirtschaft ebenso wie in allen Bereichen unseres Sozialsystems und der öffentlichen Verwaltung. Diese Entwicklung wird sich fortsetzen und verschärfen, sobald ab dem Jahr 2025 die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand gehen und nur noch geburtenschwache Jahrgänge in den Arbeitsmarkt nachfolgen. Seit einigen Wochen diskutieren wir mit der Bundesregierung über den richtigen Weg, dieses Problem zu lösen. Die Ampel will in großem Umfang Einwanderung erleichtern und auch abgelehnte Asylbewerber dauerhaft in Deutschland aufnehmen. Neben humanitären Gründen werden von SPD, Grünen und FDP vor allem die arbeitsmarktbezogenen Argumente vorgetragen. Lässt sich unser Bedarf an Arbeitskräften tatsächlich und vor allem über zusätzliche Einwanderung lösen? Tatsache ist, dass wir in Deutschland schon seit vielen Jahren ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz haben, auch wenn die Ampel gern behauptet, sie müsse damit überhaupt erst anfangen, da frühere Regierungen dieses Thema wie so viele andere auch einfach verschlafen hätten. Deutschland ist längst ein Einwanderungsland, und neben der seit Jahren stark steigenden Zahl der Ausländer, die Sozialleistungen beziehen, wächst die Zahl der Beschäftigten im Arbeitsmarkt, die nach Deutschland eingewandert sind. Der Bedarf wird trotzdem beständig größer, und hier gilt es, nach Wegen zu suchen, wie wir diese Aufgabe lösen können. Bei der Suche nach den Ursachen des Problems stößt man auf mindestens zwei Sachverhalte, die wir nicht übersehen dürfen: Zum einen verlassen leider immer mehr Schülerinnen und Schüler unser Bildungssystem ohne ausreichende Kenntnisse in den Grundfertigkeiten für eine spätere Ausbildung und Berufstätigkeit. Daran muss sich sehr bald etwas ändern, für den Bedarf des Arbeitsmarktes erwachsen daraus aber eher langfristige Perspektiven. Zugleich sind heute am Tag in Deutschland rund 2,5 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet, und das bei 1,9 Millionen offenen Stellen. Offensichtlich funktioniert unser Arbeits-„markt“ nur sehr unzureichend. Die Bundesregierung verspricht seit ihrem Amtsantritt eine bessere Vermittlung in den Arbeitsmarkt, aber die Jobcenter können mit ihrer hoffnungslosen Überlastung dieser Aufgabe offensichtlich nicht gerecht werden. Wenn sie demnächst auch noch das Wohngeld auszahlen sollen, werden sie zu reinen Zahlstellen für Transferleistungen herabgestuft. So kann Arbeitsmarktpolitik nicht erfolgreich sein. Und dann warten in den Auslandsvertretungen der Bundesrepublik Deutschland Hunderte wenn nicht Tausende von Fachkräften, die nach Deutschland wollen und hier dringend gebraucht werden, auf ihre Visa und ihre Arbeitsgenehmigungen. Wenn dieser Antragsstau schon heute immer länger wird, wie will die Bundesregierung denn dann eine geregelte zusätzliche Fachkräfteeinwanderung organisieren? Die notwendige geregelte Einwanderung und das Staatsbürgerschaftsrecht werden uns in den nächsten Monaten noch sehr intensiv beschäftigen. Wir werden unsere Vorstellungen dazu klar artikulieren und uns vor allem von dem Grundsatz leiten lassen, dass das gesellschaftliche Miteinander auch in schwierigen Zeiten nur gelingen kann, wenn wir uns auf ein gesellschaftliches Minimum verständigen können, an das sich alle gebunden fühlen – die einheimische Bevölkerung von heute in ihrer bestehenden Vielfalt, aber auch diejenigen, die auf Zeit oder auf Dauer zu uns kommen. Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, in dieser Woche hat es erstmals seit langer Zeit wieder ein Vermittlungsverfahren zwischen Bundestag und Bundesrat gegeben. Die Bundesregierung verfügt zwar über eine komfortable Mehrheit im Deutschen Bundestag, nicht aber im Bundesrat. Nachdem die von CDU und CSU mitregierten Länder vor zwei Wochen dem neuen „Bürgergeld“-Gesetz nicht zugestimmt hatten, konnte eine Einigung nur in einem förmlichen Vermittlungsverfahren erzielt werden. Bei den Gesprächen zwischen Union und Bundesregierung konnte – neben anderen – in einem sehr wesentlichen Punkt eine Einigung erzielt werden, nämlich bei den Mitwirkungspflichten der Leistungsempfänger. So gilt in Zukunft eben keine „Vertrauenszeit“, in der es praktisch keinerlei Pflichten zur Beteiligung an Weiterbildungs- oder Eingliederungsmaßnahmen in den Arbeitsmarkt gibt. Das aber war neben einer deutlichen Anhebung des Schonvermögens und der Karenzzeit, bis zu der das eigene Vermögen für die Lebensführung nicht in Anspruch genommen werden muss, der Kern des „Bürgergeld“-Gesetzes. Es gelten auch in Zukunft vom ersten Tag des Leistungsbezugs an Mitwirkungspflichten, bei deren Verweigerung bis zu 30 Prozent der Leistungen gekürzt werden können. Schon Gerhard Schröder nannte dieses Prinzip „Fördern und Fordern“ – wer steuerfinanzierte Sozialleistungen erhält, muss daran mitwirken, dass er irgendwann auch wieder aus eigener Kraft den Lebensunterhalt erarbeiten kann. Damit bleibt der wesentliche Bestandteil der „Hartz IV“-Reform der Agenda 2010 der früheren rot-grünen Bundesregierung bestehen. SPD und Grüne haben das Gesetz nach der Einigung im Vermittlungsausschuss trotzdem in hohen Tönen gelobt. Was sollten sie auch anders tun? Alles andere wäre dem Eingeständnis einer zu großen Kompromissbereitschaft zu nahe gekommen. Wie es wirklich um die Stimmung der SPD und der Grünen nach dem Kompromiss bestellt war, konnten wir am Tag nach dem Kompromiss an einem zum Teil außergewöhnlich rüden Ton des sozialpolitischen Teils der Haushaltsdebatte feststellen. „Soziale Kälte“ und „Schäbigkeit“ gegenüber den Bedürftigen waren dabei noch die harmlosen Formulierungen. Hinter dieser Missstimmung aber steckt ganz offenbar ein sehr grundsätzlicher Dissens. Wir sind uns mit der Ampel einig, dass den Bedürftigen im Land, ganz gleich ob sie verschuldet oder unverschuldet in Not geraten sind, helfen müssen, und zwar angemessen und nicht kleinlich. Aber muss der Sozialstaat Bundesrepublik Deutschland ohne Inanspruchnahme der eigenen Mitwirkung wirklich lange und längere Zeiträume Transferleistungen zahlen? Sollen wir ernsthaft in die Richtung eines bedingungslosen Grundeinkommens immer weiter vorangehen? Kann man über Eigenverantwortung nicht mehr sprechen ohne den Vorwurf mangelnder sozialer Empathie? Das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft beruht neben dem Prinzip des Wettbewerbs auf den Grundsätzen der Subsidiarität und eben der Eigenverantwortung. „Eine freiheitliche Wirtschaftsordnung kann auf die Dauer nur dann bestehen, wenn und solange auch im sozialen Leben einer Nation ein Höchstmaß an Freiheit, an privater Initiative und Selbstvorsorge gewährleistet ist.“ So hat es Ludwig Erhard einstmals ausgedrückt, und so gilt es auch im neuen „Bürgergeld“-Gesetz der Ampel – auch wenn der Name etwas anderes zum Ausdruck bringt, und auch wenn die Koalition etwas ganz anderes gewollt hat. Aber so bleiben trotz eines auf 163 Milliarden Euro angestiegenen Etats des Bundesministers für Arbeit und Soziales wenigstens einige Grundsätze der Sozialen Marktwirtschaft auch im Sozialrecht erhalten. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende! Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, in dieser Woche beginnen die Vermittlungsverhandlungen zwischen Bundestag und Bundesrat über die Reform des Sozialgesetzbuches II („Hartz IV“), das die Ampelkoalition in die Richtung eines sogenannten Bürgergeldes weiterentwickeln will. Vor allem die SPD wird nicht müde zu betonen, dies sei die „größte Sozialreform der letzten 20 Jahre“. Es ist wohl eher die Rückabwicklung einer Reform, die der sozialdemokratische Bundeskanzler Gerhard Schröder gegen den massiven Widerstand seiner eigenen Partei vor gut 15 Jahren durchgesetzt hat, und der wir nicht nur einen langanhaltenden wirtschaftlichen Aufschwung zu verdanken haben, sondern auch den größten Beschäftigungsaufwuchs seit der Wiedervereinigung. Die Bundesregierung braucht die unionsgeführten Länder im Bundesrat, um wenigstens Teile der Reform zu retten. Es gibt im Hartz-IV-System in der Tat Dinge, die angepackt werden müssten, etwa die Zuverdienstgrenzen, um den Übergang in die Beschäftigung besser zu ermöglichen. Nicht aufgegeben werden darf aber das Grundprinzip der seinerzeitigen Reform, das da lautet „Fördern und Fordern“. Die SGB II-Leistungen sind steuerfinanzierte Sozialleistungen, und denjenigen, die in Not geraten sind, muss unser Sozialstaat selbstverständlich helfen. Aber es muss immer klar sein, dass die Betroffenen auch eine Pflicht haben, an ihrer Rückkehr in den Arbeitsmarkt selbst aktiv mitzuwirken, und zwar vom ersten Tag des Leistungsbezugs an. Deshalb sollte die sechsmonatige „Vertrauenszeit“ gestrichen werden, in der solche Mitwirkungspflichten gar nicht erwartet werden. Und es müssen in den engen Grenzen, die das Bundesverfassungsgericht dem Sozialstaatsgebot folgend gesetzt hat, natürlich auch Sanktionen möglich bleiben im Falle der Verweigerung dieser Mitwirkung. Sonst wird das „Bürgergeld“ genau zu dem, was es nicht werden darf, nämlich der Einstieg in ein bedingungsloses Grundeinkommen. Und zur Eigenverantwortung der bedürftigen Menschen gehört auch, dass sie spätestens nach einem Jahr auch ihr eigenes Vermögen, soweit es vorhanden ist, oberhalb einer bestimmten Grenze für ihren Lebensunterhalt einsetzen, alles andere wäre den Arbeitnehmern, die mit ihrer Arbeit und ihren Steuern die Sozialleistung „Bürgergeld“ bezahlen, nun wirklich nicht zu vermitteln. Die Union blockiert nicht im Bundesrat, aber wir erwarten, dass die Ampel respektiert, dass sie im Bundesrat für ihre Reform keine Mehrheit hat. Wir haben umgekehrt im Bundestag keine Mehrheit, aber im Miteinander von Bundestag, Bundesregierung und Bundesrat sollte es möglich sein, einen Kompromiss zu finden. Wir sind jedenfalls dazu bereit. Und ganz unabhängig davon, was mit der Ampel im Vermittlungsverfahren möglich ist, sollten wir noch in dieser Woche im Deutschen Bundestag die Anhebung der Regelsätze des SGB II beschließen, denn die betroffenen Menschen, vor allem die Familien mit Kindern, leiden bereits jetzt und heute unter der hohen Inflation. Sie können nicht länger warten. Wir werden die Anhebung der Regelsätze deshalb erneut zur Abstimmung stellen. Ich wünsche Ihnen einen schönen Sonntag! Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, die Wahlen in den USA sind anders verlaufen als von den meisten Demoskopen vorhergesagt. Auch wenn noch nicht alle Stimmbezirke ausgezählt sind und in Georgia eine Stichwahl sattfinden muss, so lässt sich heute doch schon sagen: Diese Wahlen sind ein Erfolg für die Demokraten und eine schwere Niederlage für Donald Trump. Trump scheint den Höhepunkt seines Einflusses auf die republikanische Partei und ihre Wähler überschritten zu haben. Trotzdem bleibt das Land zerrissen. Der Wahlkampf, der die Kandidaten insgesamt bis zu 14 Milliarden Dollar gekostet haben dürfte, bestand im Wesentlichen aus „dirty campaigning“, der persönlichen Herabsetzung des jeweiligen politischen Gegners. Je schmutziger der Wahlkampf war, umso schwerer wird eine Zusammenarbeit nach der Wahl. Und so stehen sich Demokraten und Republikaner im Kongress weiterhin weitgehend unversöhnlich gegenüber. Kompromisse wird es kaum geben. Und die amerikanische Politik wird auch in den nächsten zwei Jahren sehr weitgehend auf die Innenpolitik fokussiert bleiben. Insbesondere die immer stärker werdende Konkurrenz mit China um Einfluss, wirtschaftliche Stärke und militärische Präsenz wird Kräfte der USA binden, die an anderer Stelle nicht mehr zur Verfügung stehen. Joe Biden ist der letzte „europäische“ Präsident der USA, und auch wenn die Chancen für Donald Trump auf eine erneute Präsidentschaft in dieser Woche stark gesunken sind, so lässt sich doch eines vorausahnen: Die Erwartungen an die Europäer auf ein stärkeres Engagement für ihre eigene Sicherheit dürften in den nächsten zwei Jahren bis zur nächsten Präsidentschaftswahl im November 2024 weiter kontinuierlich ansteigen. Und diesen Erwartungen muss Europa nachkommen – nicht weil die Erwartungen von den USA kommen, sondern weil sie unseren eigenen Sicherheitsinteressen entsprechen. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine hat die Schwächen unserer Verteidigung innerhalb kürzester Zeit offengelegt. Ohne die USA wäre die Ukraine heute längst in russischer Hand, und Russland würde weitere Teile Osteuropas bedrohen. Amerika ist als NATO-Partner in Europa zurzeit nicht ersetzbar. Aber wir sollten wenigstens jeden Versuch unternehmen, den europäischen Pfeiler der NATO in den nächsten Jahren zu stärken. Mit dem Ergebnis der Wahlen in den USA in dieser Woche hat es eine Verschiebung der Machtverhältnisse innerhalb der republikanischen Partei gegeben, die wir aufmerksam weiter beobachten sollten: Ron DeSantis ist in Florida als Gouverneur so überzeugend wiedergewählt worden, dass er der nächste Präsidentschaftskandidat der Republikaner werden könnte. Als Präsident würde er uns Europäern – wahrscheinlich etwas höflicher als Donald Trump, aber nicht minder deutlich – abverlangen, dass wir endlich genug tun, um unsere Freiheit auch selbst zu verteidigen. Und er würde diesem Wunsch konkrete Entscheidungen über die Präsenz der USA in Europa folgen lassen. Mit herzlichen Grüßen Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, so langsam treten die Risiken und Nebenwirkungen des sozialpolitischen Prestigeprojekts der Ampel zutage: Das sogenannte „Bürgergeld“ kommt zu einem Zeitpunkt, zu dem für den Arbeitsmarkt eigentlich ganz andere Signale notwendig wären: nämlich größtmögliche Anreize, so schnell wie möglich eine Beschäftigung anzunehmen. Die zukünftige Sozialleistung, die mit dem „Bürgergeld“ gezahlt wird, gibt den Betroffenen aber genau das gegenteilige Zeichen. Die Zahl der Leistungsempfänger wird deutlich ansteigen, und man wird sagen dürfen: Das genau ist der Wunsch insbesondere der Sozialdemokraten. „Bürgergeld“ signalisiert nämlich schon vom Begriff her: Hier entsteht ein neuer Anspruch für den „Bürger“, und den soll er auch einfordern. Dabei war die Leistung, die dahintersteht, ursprünglich einmal eine reine Sozialleistung, nämlich die Sozialhilfe, die immer erst dann bezahlt wurde, wenn Versicherungsleistungen wie das Arbeitslosengeld oder die eigene Leistungsfähigkeit aus Ersparnissen und Vermögen erschöpft waren. Aber schon mit den Hartz-Reformen vor 20 Jahren wurden die Grenzen schwimmend, aus der Sozialhilfe wurde das Arbeitslosengeld II, die Unterscheidung zwischen selbst erworbener Versicherungsleistung und der von der Allgemeinheit gezahlten Sozialleistung war damit bereits begrifflich unklar geworden. Da ist das neue „Bürgergeld“ nur die logische Fortsetzung dieses Weges. In der Diskussion um die angemessene Höhe und die Voraussetzungen zum Leistungsbezug geht verloren, dass für Arbeitnehmer, die arbeitslos werden, immer noch der Bezug des Arbeitslosengeldes oder des Kurzarbeitergeldes als Versicherungsleistung vorangeht. Und in dieser Zeit sind eigentlich alle Maßnahmen zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich – nicht erst dann, wenn die Bezugszeit abgelaufen ist und demnächst das „Bürgergeld“ ansteht. Und selbst dann setzen sich nach dem Willen der Koalition die Anreize fort, doch länger dort zu verweilen. Der Bundesrechnungshof weist – sehr zum Ärger der Koalition – darauf hin, dass eine vierköpfige Familie mit einem Haus jeder Größe, mit zwei Autos und 150.000 Euro Vermögen sowie weiteren Rücklagen zur Altersversorgung demnächst „Bürgergeld“ erhalten kann. Das Kieler Institut für Wirtschaft kommt in einer Studie zu dem Ergebnis, dass insbesondere in Konstellationen einer mehrköpfigen Familie das Haushaltseinkommen mit „Bürgergeld“ höher oder gleich hoch sein wird wie bei einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Diejenigen, die angesichts dieser Aussichten immer noch jeden Morgen aufstehen und zur Arbeit gehen, stellen sich zu Recht die Frage: Warum eigentlich? Damit kein Missverständnis entsteht: Menschen, die in Not geraten, muss unser Staat helfen. Und angesichts der hohen Inflation ist es selbstverständlich, dass die Regelsätze schnell angepasst werden, damit gerade die Schwächsten in unserer Gesellschaft unter den Kostensteigerungen nicht am meisten leiden. Aber hinter dem „Bürgergeld“ steht vor allem gesellschaftspolitisch der falsche Weg. Denn große Teile der Ampel-Koalition sympathisieren seit langer Zeit mit einem bedingungslosen Grundeinkommen für alle Bürger. Nach der Grundsicherung im Alter, die noch von der alten Koalition beschlossen wurde, folgt jetzt das „Bürgergeld“. Die Koalition arbeitet an den Plänen für eine Kindergrundsicherung, die spätestens 2024 folgen soll. Und dann wäre das Ziel weitgehend erreicht, dass ein sehr großer Teil der Menschen in Deutschland Anspruch auf staatliche Transferleistungen hätte. Aus dem zunächst einmal für sich selbst verantwortlichen Bürger wird mehr und mehr ein Versorgungsempfänger. Nicht Eigenverantwortung steht im Vordergrund, sondern ein paternalistischer Staat, der nach eigenen Maßstäben erst nimmt und anschließend einen Teil davon wieder gibt. Es bleibt am Ende eine Frage: Warum macht ausgerechnet die FDP das alles mit? Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, „Respekt“ – so stand es im Sommer 2021 auf den Wahlplakaten von Olaf Scholz. „Respekt“ war eines der meistgenutzten Worte im Wahlkampf der SPD und während der Koalitionsverhandlungen. Respekt – das sollte wohl heißen: Wir nehmen die Menschen ernst, wir nehmen das Land ernst, wir nehmen unsere Aufgabe ernst. Von diesem Respekt ist ein Jahr danach nichts mehr übrig geblieben. Im Gegenteil: Noch nie zuvor hat sich eine Regierung so respektlos gezeigt wie die Ampel. Der vorläufige Höhepunkt war diese Woche erreicht. Am Freitag wandte sich der Bundespräsident in einer lange vorbereiteten Rede über die schwierige Lage in Putins Krieg an unser Land. Eingeladen in das Schloss Bellevue zur persönlichen Teilnahme waren zahlreiche Vertreter gesellschaftlicher Gruppen aus den verschiedensten Lebensbereichen und die Vertreter der drei Gewalten: der Gerichtsbarkeit, des Parlaments, der Regierung. Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts war selbstverständlich anwesend, der Präsident des Bundesrates ebenfalls. Die Bundesregierung hingegen fehlte völlig, nicht eine Bundesministerin, nicht ein Bundesminister. Die Präsidentin des Deutschen Bundestages: Fehlanzeige. Der Vorsitzende der FDP-Fraktion und ich waren die einzigen Fraktionsvorsitzenden aus dem Parlament. Alle übrigen Partei- und Fraktionsvorsitzenden: Fehlanzeige. Von der SPD, von den Grünen: Niemand. Wir sollen uns doch alle „unterhaken“, wird der Bundeskanzler nicht müde zu betonen. Jetzt sei die Stunde des Zusammenhalts, nicht des Gegeneinanders. Wenn das alles so gemeint ist: Warum fehlen dann bis auf eine einzige Ausnahme a l l e Vertreter dieser Regierung, wenn der Bundespräsident zur Lage des Landes spricht? Das sieht nach einem abgesprochenen Affront aus, mitten in der Krise, mitten in einer Zeit, in der die Menschen auch von der Politik Zusammenhalt und ein gemeinsames Vorgehen erwarten. Dieses Muster der Respektlosigkeit zeigt sich bei der Ampel schon lange. Wir erleben es in jeder Sitzungswoche im Parlament. Regelmäßig ist die Regierungsbank nicht mit den Mitgliedern der Bundesregierung besetzt, sondern mit den namenlosen Gesichtern einer schier unüberschaubaren Zahl von Parlamentarischen Staatssekretären. Zurzeit sind es 37, so viele wie nie zuvor. Aber die Ministerinnen und Minister ziehen es vor, dem Bundestag selbst bei wichtigen Debatten fernzubleiben. Es gibt Parlamentswochen, in denen der Bundeskanzler nicht einmal im Parlament erscheint. Ist das der „Respekt“, den er meint? Wir alle kämpfen mit der zunehmenden Kritik an unserer Demokratie und an den politischen Parteien. Wer sich aber so respektlos gegenüber unserem Staat und seinen Institutionen verhält, der sollte über den Wert der Demokratie in Zukunft besser schweigen. Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, am Montag war es ein Machtwort mittels Richtlinienkompetenz: Mit einem Brief des Bundeskanzlers wurden die drei Minister Habeck, Lindner und Lemke angewiesen, drei Kernkraftwerke bis Mitte April 2023 laufen zu lassen. Nur so ließ sich der monatelange Streit der Ampel um die Restlaufzeit der Kernenergie in Deutschland auflösen. So ein Vorgehen kann man in einer Regierung nicht allzu oft wiederholen. Danach kommt eigentlich nur noch die Vertrauensfrage - oder gleich das Ende der Regierung. Aber es gibt noch subtilere Formen des Ausbremsens und des Überfahrens in einer Koalition. Der mutwillig herbeigeführte Ablauf von Fristen gehört dazu. So etwas kennen wir aus dem Cum-Ex-Skandal, als der Hamburger Senat einfach die Verjährung einer Steuerschuld der Warburg-Bank in Höhe von 47 Millionen Euro eintreten lassen wollte. Einen ähnlichen Fall erleben wir in diesen Tagen auf der Berliner Bühne, und wieder geht es um Hamburg. Die dortige Hafengesellschaft will das chinesische Unternehmen Cosco mit 35 Prozent an einer Terminalgesellschaft beteiligen. Da es sich um kritische Infrastruktur handelt, muss die Bundesregierung den Erwerb genehmigen. Sechs Bundesministerien sind dagegen, die Sicherheitsbehörden warnen, ebenso die EU-Kommission. Die Entscheidung sollte in dieser Woche vom Bundeskabinett getroffen werden. Der Bundeskanzler aber will die Beteiligung unbedingt, er reist schließlich in der übernächsten Woche zum ersten Mal als Bundeskanzler nach China. Also wird die Entscheidung kurzerhand von der Tagesordnung des Bundeskabinetts genommen, denn die Untersagung will Scholz keinesfalls, die Beteiligung soll als Morgengabe ins Reisegepäck. Da passt es gut zusammen, dass die Frist zur Untersagung am Montag, den 31.10.2022 ausläuft. Ist der Erwerb bis dahin nicht untersagt, gilt er als genehmigt. Also muss der Bundeskanzler nur noch dieses Datum erreichen – just den Tag, an dem seine Chinareise beginnt. Die Chancen stehen gut, denn auch der Bundestag kommt erst in zwei Wochen wieder zusammen. So kann der Bundeskanzler sein Ziel erreichen, auch wenn alle wesentlichen Mitglieder seines Kabinetts anderer Meinung sind. Da ist ein erneuter Brief gar nicht notwendig. Richtlinienkompetenz durch Nichtbefassung könnte man den Vorgang nennen. Aber unserem Land erweist der Bundeskanzler mit diesem Regierungsstil gleich in mehrfacher Hinsicht einen Bärendienst. Zum einen gibt er sein Kabinett der Lächerlichkeit preis. Wenn es darauf ankommt, haben sie nichts zu sagen. Zum anderen verweigert er – wie so oft – ganz einfach eine öffentliche Begründung für seine Haltung. Und zum dritten: Dieser Erwerb an der Terminalgesellschaft berührt zutiefst die Sicherheitsinteressen unseres Landes. Ein chinesischer Staatskonzern bekommt mit dieser Beteiligung Zugang zu wesentlichen Daten des Frachtverkehrs im Hamburger Hafen. Und das exakt zu dem Zeitpunkt, an dem die Kommunistische Partei in China ihren aggressiven Ton in der Außenpolitik erneut verschärft und mit einem Krieg gegen Taiwan droht. Hat der Bundeskanzler aus dem Krieg Russlands gegen die Ukraine nichts gelernt? Sieht er nicht, wie sich die Muster ähneln? Ist die Beteiligung der Chinesen an einem wesentlichen Teil unseres größten Seehafens genauso eine „rein privatwirtschaftliche Angelegenheit“ wie NordStream 2? Und wenn er das alles so sieht: Welche Selbstachtung hat eigentlich dieses Bundeskabinett, das sich innerhalb von einer Woche gleich zweimal so vorführen lässt? Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz PS: Im Podcast „Bei Anruf Merz“ erhalte ich am Ende jeder Sitzungswoche im Bundestag einen Anruf von der Journalistin und Moderatorin Shary Reeves. Zusammen erörtern und analysieren wir die wichtigsten Themen der Bundestagssitzungen. Hören Sie doch gerne mal rein: cducsu.de/podcast/bei-anruf-merz |
Lieber Leser, ein Syndrom bezeichnet in der Medizin und der Psychologie „eine Kombination von verschiedenen Krankheitszeichen, die typischerweise gleichzeitig und gemeinsam auftreten“ (Wikipedia). Ein solches Krankheitszeichen erkennt der Chef des Bundeskanzleramtes, Wolfgang Schmidt, in diesen Tagen bei uns Deutschen ausgerechnet im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine. Er nennt es „V2-Syndrom“ – in Erinnerung an die als „Wunderwaffe“ von den Nazis gebaute Rakete V2, die die Wende im zweiten Weltkrieg bringen sollte. Das „V“ stand damals für das Wort Vergeltung, denn die Rakete war vor allem gegen die Zivilbevölkerung in den großen Städten der Weltkriegsfeinde gerichtet. Wie kommt der Chef des Kanzleramtes dazu, uns ein solches Krankheitsbild zu attestieren? Er vergleicht die V2 allen Ernstes mit dem Leopard-Kampfpanzer, den beachtliche Teile der eigenen Regierungsfraktionen und auch die Unionsfraktion seit Monaten nennen, wenn es um eine bessere Ausrüstung der Streitkräfte der Ukraine in ihrem Kampf gegen den russischen Angriffskrieg geht. Der Leopard-Panzer eine „Wunderwaffe“? Eine Wunderwaffe als „Vergeltung“? Wir alle von einer multiplen Krankheit befallen? Wolfgang Schmidt, so heißt es in Berlin, sage, was der Kanzler denkt. Wenn das auch in diesem Fall so ist, dann gibt es einen mehrfachen Grund, dass der Bundeskanzler endlich sein Schweigen bricht, warum er seit Monaten die Exportgenehmigung für den Leopard-Panzer blockiert. Denkt er so, wie Schmidt redet? Erkennt auch er bei uns ein Krankheitsbild? Hält er den Leopard auch für eine Vergeltungswaffe? Oder ist es schlichte historische Unkenntnis und ein vollkommen abwegiger Vergleich seines wichtigsten Kabinettsmitglieds? Man kann nur hoffen, dass letzteres der Fall ist. Dann aber sollte Schmidt Zeit bekommen für ein ausführliches Studium der deutschen Geschichte. Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, wir befinden uns im 8. Monat des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Seit Monaten ist klar, dass wir zum Jahresende mit einer weiteren Verknappung der Energieversorgung in unserem Land rechnen müssen. Gas- und Strompreise sind bereits jetzt so hoch wie nie zuvor. Die Bundesregierung hat trotzdem bis heute kein Konzept, wie sie mit dieser für die privaten Haushalte und für die Unternehmen kritischen und in vielen Fällen existenzgefährdenden Lage umgehen soll. Wertvolle Monate sind mit endlosen Diskussionen, untauglichen Versuchen und ungeeigneten Mitteln verstrichen. Nun soll am kommenden Montag ein erster Vorschlag der „Gas-Kommission“ vorgestellt werden. Die Vorsitzende der Kommission warnt schon einmal vor zu großen Erwartungen und lässt ihre Präferenz für Einmalzahlungen erkennen. Der Bundeswirtschaftsminister spekuliert, man werde die Preise um ca. 50 Prozent auf das Vorkriegsniveau heruntersubventionieren. Offen scheint bei diesen Vorschlägen zu bleiben, wie man den stark steigenden Preisen denn mit marktwirtschaftlichen Instrumenten begegnen könnte. Das ausbleibende Gas hat unsere Volkswirtschaft in einen Angebotsschock versetzt. Einem Angebotsschock begegnet man am besten mit zwei Instrumenten: Man erhöht das Angebot aus allen anderen verfügbaren Quellen und senkt zugleich wo immer möglich die Nachfrage. Wir verfügen in Deutschland über Kohlekraftwerke in der Reserve, über Biomasse, Holz und Erdwärme, über Windkraft und Sonnenenergie, schließlich auch noch über drei laufende Kernkraftwerke und zwei weitere, die man wohl relativ schnell reaktivieren könnte. Die Bundesregierung hätte über den Sommer alle diese Möglichkeiten voll ausschöpfen müssen, dann wären die Preise schon heute deutlich niedriger – und auch der Anteil der Gaskraftwerke am Strommarkt wäre gesunken und nicht weiter gestiegen. Die Bundesregierung hat also schon auf der Angebotsseite längst nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft, zum Teil aus rein ideologischen Gründen, wie zum Beispiel bei der Kernenergie. Aber auch die Nachfrage sinkt nicht etwa, sondern steigt im Jahresverlauf immer weiter an und treibt die Preise zusätzlich. Bei der Nachfrage hätte es ebenfalls Möglichkeiten gegeben, die über Duschtipps hinausreichen. Vor allem die angekündigten 200 Milliarden Euro, die der Bund für die Gas- und Strompreisbremse einsetzen will, könnten kontraproduktiv wirken, denn sie setzen gefühlt das Preissignal zunächst einmal weitgehend außer Kraft. Stattdessen wären Auktionen des Staates über den Markt denkbar, zum Beispiel für eingespartes Gas in den Produktionsprozessen der Industrie, um auf der Nachfrageseite zu schnellen Ergebnissen zu kommen. Wird wenigstens darüber nachgedacht? Man kann es nur hoffen, denn allein mit Zahlungen aus dem Bundeshaushalt an die Verbraucher werden sich die Probleme nicht lösen lassen. Das könnte ein Fass ohne Boden werden und zugleich größere Verteilungskonflikte auslösen zwischen denen, die Geld bekommen und denen, die leer ausgehen. Denn jeder Versuch, es allen recht zu machen, ist – wie immer – zum Scheitern verurteilt. Ein viel zu großer Zeitverlust und mangelndes Vertrauen in die marktwirtschaftlichen Instrumente haben jedenfalls schon bisher einen Schaden entstehen lassen, der in dieser Höhe nicht notwendig gewesen wäre. Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, um schöne Bilder ist die Ampelkoalition selten verlegen. In dieser Woche kommt nun der „Doppel-Wumms“ gegen die Energiepreiskrise. 200 Milliarden Euro neue Schulden im WSF, dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds aus der Coronazeit, sollen die Preise für die Verbraucher soweit senken, dass die Zahlungsfähigkeit der privaten Haushalte ebenso wie die der Unternehmen aufrechterhalten bleiben kann. Viel mehr als diese Absichtserklärung kommt auf den 5 ½ Seiten, auf denen das Vorhaben der Bundesregierung unter der Überschrift „Wirtschaftlicher Abwehrschirm gegen die Folgen des russischen Angriffskrieges“ beschrieben wird, nicht zum Ausdruck. Mit 200 Milliarden Euro allein ist das Problem also nicht gelöst. Jetzt beginnt die Gesetzgebungsarbeit erst, und die Koalition darf von uns nicht erwarten, dass wir ihr eine voreilige Zustimmung in Aussicht stellen. Dafür sind in den letzten Monaten einfach zu viele handwerkliche Fehler passiert. Dafür sind in den letzten Wochen auch zu viele Widersprüche offenkundig geworden, etwa bei der Gasumlage, die bis einen Tag vor ihrem Inkrafttreten aufrecht erhalten wurde, obwohl die Verstaatlichung von Uniper bereits seit Wochen beschlossene Sache ist. Aber ein verstaatlichtes Unternehmen kann man nicht mit einer Umlage finanzieren, ansonsten wäre unsere Finanzverfassung auf den Kopf gestellt. Strompreisbremse und Gaspreisbremse sind noch wesentlich komplexer als das Problem mit Uniper. Wo soll die Preisbremse gesetzt werden, bei den Verbrauchern unmittelbar oder auf einer der Handelsstufen? Strom und Gas folgen auch sehr unterschiedlichen Marktstrukturen. Gas ist ein internationales Handelsgut, und es besteht die große Gefahr, dass die heruntersubventionierten Preise gar nicht beim Verbraucher ankommen, sondern auf einer der Handelsstufen hängen bleiben. Ähnliche Erfahrungen mussten wir mit der Spritpreisbremse im Sommer machen, nur jetzt geht es um ganz andere Summen. Und deshalb muss der Schuss sitzen, sonst werden die Verwerfungen unübersehbar, bei den Unternehmen, bei den privaten Haushalten, aber auch im Staatshaushalt. Wenn die Bundesregierung also schon diesen Weg geht, dann ist jetzt ein sehr sorgfältiges Gesetzgebungsverfahren erforderlich. Es fällt uns schon nicht leicht, der faktischen Umgehung der Schuldenbremse für die Jahre 2023 und 2024 zuzusehen ohne erneut das Bundesverfassungsgericht um die Klärung der Frage zu bitten, ob mit der einmaligen Kreditaufnahme und der mehrjährigen Auszahlung der Leistungen nicht das Jährlichkeitsprinzip der Haushaltsführung verletzt wird. Nun kommt es darauf an, den privaten Haushalten und den Unternehmen schnell zu helfen. Die öffentlich ausgetragenen Streitereien der Koalitionsfraktionen haben uns schon jetzt viel zu viel Zeit gekostet. Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, Putins Krieg gegen die Ukraine tritt mit der Mobilmachung in Russland in eine neue Phase. Es könnte sein, dass der russische Präsident mit dem Zugeständnis, dass sich Russland im Krieg befindet, die Zustimmung der Bevölkerung in Russland verliert. Denn jetzt glaubt niemand mehr an eine „militärische Spezialoperation“ gegen Neo-Nazis, jetzt ist jede Familie in Russland vom Krieg betroffen. Trotzdem wird die Gasknappheit bei uns anhalten. Wir müssen uns auf einen schwierigen Herbst und Winter einstellen. Die Stilllegung der Gaspipeline Nordstream 1 führt zu einer weiteren Verknappung von Gas in Deutschland. Die Folge dieser Verknappung lässt die Preise für Gas explodieren. Wie gehen wir damit um? Da immer noch Gaskraftwerke Strom erzeugen und Gaskraftwerke aufgrund der Gaspreise gegenwärtig die teuersten Erzeuger von Strom sind, zieht der Gaspreis den gesamten Strommarkt nach oben. Also muss die Gasverstromung so schnell wie möglich reduziert werden. Das geht aber nur, wenn alle übrigen Stromerzeugungskapazitäten so schnell wie möglich ausgeschöpft werden. Deshalb stellt der Bundeswirtschaftsminister mit dem zweiten Stresstest in diesem Jahr auch nur eine von zwei notwendigen Fragen: Neben der Netzstabilität ist die maximal erreichbare Stromerzeugungskapazität die richtige Zielgröße, um die Preise für Strom wieder zu senken. Denn so funktioniert Marktwirtschaft: Preise werden durch Nachfrage und Knappheiten bestimmt, sinkt das Angebot, steigen die Preise – und umgekehrt! Also muss das Angebot aus allen, wirklich allen verfügbaren Quellen erhöht werden. Und zeitgleich muss die Nachfrage so weit wie möglich reduziert werden, dann sinken auch wieder die Preise. So ist nicht immer „mehr Staat“ die richtige Antwort, sondern „so viel Markt wie möglich“ und erst dann so viel Staat wie nötig. Die Bundesregierung scheint diesen Zusammenhang immer noch nicht zu sehen, sonst würde sie über Uniper einen Schutzschirm aufspannen, anstatt das Unternehmen jetzt zuerst für viel Geld von den bisherigen Eigentümern zu kaufen, um es dann mit einer Gasumlage zu finanzieren. Und eine marktwirtschaftlich orientierte Bundesregierung würde auch nicht einen Augenblick daran zweifeln, die noch laufenden drei Kernkraftwerke in Deutschland zumindest über den kommenden Winter weiter laufen zu lassen. Wie sagte der Bundeswirtschaftsminister im März jedenfalls grundsätzlich richtig: Es kommt jetzt auf jede Kilowattstunde an! Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende! Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, am 9. Oktober wird in Niedersachsen ein neuer Landtag gewählt. CDU und SPD gehen beide mit der festen Absicht in diese Wahl, die bisherige gemeinsame Koalition nicht fortzusetzen. Die jüngste Umfrage zeigt ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen CDU und SPD. Beide liegen gleichauf bei 28 Prozent, die Grünen bei 17 Prozent, die AfD bei 11 Prozent und die FDP bei 6 Prozent. Damit hat die CDU mit Bernd Althusmann an der Spitze die Chance, das Land Niedersachsen politisch zurückzugewinnen. Das wird aber nur gelingen, wenn die CDU deutlich vor der SPD liegt und auch rechnerisch eine rot-grüne Mehrheit nicht möglich ist. Denn wir müssen davon ausgehen, dass SPD und Grüne versuchen werden, auch dann eine Landesregierung zu bilden, wenn die SPD auf Platz 2 liegt und beide Parteien zusammen auch nur über eine Stimme Mehrheit im Landtag verfügen. An dieser Stelle kommt die Bundesregierung ins Spiel. Denn natürlich versuchen SPD und Grüne in Niedersachsen, bis zum Wahltag so weiten Abstand von der zerstrittenen Ampel in Berlin zu halten wie eben möglich. Aber mit einer rot-grünen Landesregierung werden sich SPD und Grüne in Berlin auf ihrem Kurs der Bundespolitik bestätigt sehen, vor allem in ihrer Energiepolitik. Also gehören die bundespolitischen Themen im niedersächsischen Landtagswahlkampf auf die Tagesordnung! Den engsten bundespolitischen Bezug zu Niedersachsen hat die Energiepolitik: Eines der drei Kernkraftwerke, das in Deutschland noch weiterbetrieben werden könnte, ist das Kernkraftwerk Emsland in Lingen an der Ems. Ausgerechnet dieses Kraftwerk soll zum Jahresende endgültig stillgelegt werden, während die beiden anderen in einem – wirtschaftlich unsinnigen und technisch kaum zu realisierenden – „stand-by“-Betrieb gehalten werden sollen. Die rein parteipolitisch motivierte Stilllegung des Kernkraftwerks Emsland folgt ausschließlich grüner Ideologie im Gründungsland der Grünen, während viele Fachleute und Ökonomen dringend dazu raten, alle drei Kernkraftwerke in Deutschland am Netz zu belassen, bis die Energiekrise überwunden ist. Aber auch die Gasumlage muss Gegenstand der niedersächsischen Wahlentscheidung werden. Die Verschiebung auf den 1. November folgt offensichtlich auch der parteipolitischen Logik, eine Woche vor der Wahl nicht damit zu beginnen, eine Umlage von voraussichtlich 35 Milliarden Euro bei privaten Haushalten und Unternehmen einzusammeln, deren Berechnungsgrundlagen von der Bundesregierung nicht veröffentlicht wird, die die Inflation weiter anheizt und deren Aufkommen auch an Unternehmen ausgezahlt werden kann, die in der Energiekrise hohe Gewinne machen. Die Wählerinnen und Wähler in Niedersachsen haben es also in der Hand, der Ampel in Berlin einen kräftigen Dämpfer zu verpassen und sie zur Korrektur vor allem ihres energiepolitischen Schlingerkurses zu zwingen. Von einer solchen Korrektur würden vor allem das Land Niedersachsen, seine Menschen und seine Betriebe profitieren! Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
Liebe Leser, nach drei Jahren kommt die CDU an diesem Wochenende zum ersten Mal wieder zu einem Präsenzparteitag zusammen. Der Parteitag steht im Zeichen der Energiekrise und der wirtschaftlichen Aussichten für den kommenden Herbst und Winter. Eine Rezession wird immer wahrscheinlicher, die Auswirkungen auf private Haushalte und die Unternehmen werden immer deutlicher spürbar. Die CDU musste sich auf diesem Parteitag gleichwohl mit dem Thema befassen, wie wir es denn schaffen, den Anteil der Frauen unter den Mitgliedern, auf den Delegiertenversammlungen, auf den Kandidatenlisten und vor allem in den Parlamenten zu erhöhen. Die CDU kommt vor allem in den Parlamenten konstant seit Jahren über einen Anteil von rund einem Viertel nicht hinaus – obwohl mehr als die Hälfte der Wähler Frauen sind. Was ist also zu tun? Die Partei ist sich in der Beschreibung des Problems einig, und sie diskutiert seit Jahren über den richtigen Weg zur Lösung des Problems. Diese Lösung geht nicht allein über formale Bestimmungen in unseren Statuten. Dort kann man viel aufschreiben, aber die Wirklichkeit verändert man dadurch nur wenig. Da aber umfangreiche Änderungen unserer Satzung ohnehin überfällig waren, ging es auf dem Bundesparteitag in Hannover zunächst allein um die satzungsgemäßen Bestimmungen über die Zusammensetzung der Gremien der Partei mit dem Ziel, den Anteil der Frauen dort schrittweise anzuheben. Mit diesen Entscheidungen das Wort „Quote“ zu verbinden, trifft den Kern der Entscheidungen nur zum Teil. Um eine „Quote“ geht es in der beschlossenen Fassung der Satzung von nun an lediglich in der Zusammensetzung der Vorstände der Partei von der Ebene der Kreisparteien aufwärts. Der Anteil der Frauen in den zu wählenden Vorständen soll schrittweise von 30 über 40 auf 50 angehoben werden – vorausgesetzt, es kandidieren auch genug Frauen für die Vorstände. Wenn es nicht genug Kandidatinnen gibt, ist der Anteil der kandidierenden Kandidatinnen die „Quote“. Nur dann, wenn die Zahl der weiblichen Kandidaten der Quote entspricht oder sie übersteigt, der Anteil der gewählten Frauen aber unter der Quote bleibt, bleiben die Sitze im Vorstand vakant, oder es gibt eine zweite Wahl. Für Delegiertenversammlungen und Wahllisten für die Parlamente gelten Frauenquoten, die oberhalb der Zahl der weiblichen Mitglieder in der jeweiligen Parteigliederung liegen sollen, mit dem Ziel, sukzessive den Anteil der Frauen in den Parteitagen und den Parlamenten zu erhöhen. Mehr haben wir gar nicht beschlossen! Ich erläutere diese Beschlüsse hier noch einmal, weil in der veröffentlichten Meinung häufig der Eindruck erweckt wurde, wir begäben uns jetzt auf eine Art identitären Weg der Gleichstellung. Das ist definitiv nicht der Fall. Und wir wissen zugleich, dass wir noch sehr viel mehr tun müssen, um das Ziel zu erreichen, als Partei für mehr Frauen attraktiv und wählbar zu werden. Von einem gut gestimmten Parteitag der CDU grüßt Sie herzlich Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, viele private Haushalte und Unternehmen kämpfen jeden Tag mit stark steigenden Preisen für fast alle Waren und Dienstleistungen. Insbesondere die Energiepreise steigen wieder sprunghaft an. In einer solchen Lage braucht Deutschland eine kraftvoll handelnde Regierung. Stattdessen werden wir täglich weiter zu Zeitzeugen eines anhaltenden Streits in der Bundesregierung zu fast allen Themenbereichen. Das Bundeskabinett tagt zwei Tage in Klausur und geht ohne ein einziges konkretes Ergebnis in der Energiepolitik auseinander. Wir können uns die Untätigkeit dieser Bundesregierung nicht länger leisten. Wenn wir schnellstmöglich unabhängig werden wollen von Putins Gas, dann hätten schon im Sommer Entscheidungen getroffen werden müssen. Stattdessen hat der Bundeswirtschaftsminister einen zweiten „Stresstest“ angeordnet, wie und mit welchen Energiequellen wir über den Winter kommen könnten. Das Ergebnis dieses zweiten Stresstests sollte ursprünglich Mitte dieser Woche veröffentlicht werden. Aber ganz offensichtlich passt Teilen der Bundesregierung das ermittelte Ergebnis nicht, denn nach allem, was aus der Expertengruppe zu hören ist, wird der im Winter zu erwartende Strombedarf ohne die derzeit noch laufenden drei Kernkraftwerke in Deutschland nicht zu decken sein. Aber ein solches Ergebnis kurz vor den Wahlen in Niedersachsen droht die grüne Partei zu zerreißen. Also wird wieder nichts entschieden. Dieses Nichtstun und das Hinauszögern von Entscheidungen könnte für Deutschland fatale Folgen haben. Die Preissprünge an der Energiebörse zeigen, dass wir – anders als Robert Habeck es noch vor wenigen Wochen gesagt hat – eben doch ein veritables Stromproblem haben werden. Vor diesem Hintergrund überhaupt noch ernsthaft daran zu denken, drei moderne, problemlos laufende Kernkraftwerke zum Jahresende stillzulegen, ist verantwortungslos. Wir haben der Bundesregierung im Sommer eine Sondersitzung des Deutschen Bundestages zur Änderung des Atomgesetzes angeboten und sie aufgefordert, die Bestellung neuer Brennstäbe zu ermöglichen. Stattdessen streitet die Ampel weiter und der Bundeswirtschaftsminister erlässt in aller Eile eine kleinteilige, die Menschen bis in ihren privaten Lebensbereich gängelnde und bevormundende Energiesparverordnung. Anders als die Bundesregierung haben wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion dagegen konkrete Vorschläge zur Erweiterung des Energieangebots und zur Dämpfung der Preisentwicklung in den Energiemärkten unterbreitet. Unseren Beschluss finden Sie unter: https://www.cducsu.de Die Zeit wird jetzt knapp. Wenn die Bundesregierung nicht sehr bald zu Entscheidungen kommt, dann trägt sie ganz allein die Verantwortung für die Folgen von Gasnotlage und Strommangel im kommenden Winter. Die Bundesregierung darf sich nicht weiter an den alten ideologischen Grabenkämpfen der Grünen ausrichten. Mit den besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, an Warnungen hat es nicht gefehlt, aber die Ampelkoalition wollte ja unbedingt dem Vorschlag des Bundeswirtschaftsministers folgen. Neben der direkten Stützung des Unternehmens Uniper mit 15 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt wird noch zusätzlich eine Umlage von allen Gasverbrauchern erhoben. Mit dieser Umlage sollen zusätzlich rund 30 Milliarden Euro von den Verbrauchern eingesammelt werden, plus Mehrwertsteuer. Wir haben die Bundesregierung rechtzeitig auf das Mehrwertsteuerproblem hingewiesen. Kurz vor der Beschlussfassung im Kabinett hat die Ampel noch einen eiligen Brief nach Brüssel geschickt, die Antwort kam schnell und unmissverständlich: Keine Ausnahme für die Deutschen. Die Bundesregierung hat die Umlage als Rechtsverordnung beschlossen, der Bundestag wird nicht mehr befasst – es sei denn er beschließt, die Umlage aufzuheben. Diesen Antrag haben wir gestern im Namen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gestellt. Schon bis hierher ist diese Energiepolitik der Bundesregierung ein einziges Durcheinander. Aber das war trotzdem erst der Anfang. Der Bundeswirtschaftsminister beklagt, dass jetzt neben Uniper auch andere, gut verdienende Unternehmen eine Beteiligung an der Umlage beantragen. Ja, Herr Minister, so ist das, wenn der Staat einen Honigtopf aufstellt! Und als der Unmut in der Öffentlichkeit nicht mehr zu überhören war, verkündete der Bundeskanzler eilig eine Absenkung der Mehrwertsteuer auf Gas und damit auch auf die Umlage von 19 Prozent auf 7 Prozent. Aber diese Steuersenkung kann der Bundeskanzler nicht mal einfach so entscheiden. Beschließen kann sie nur der Deutsche Bundestag, und auch der Bundesrat muss zustimmen, denn die Länder tragen die Hälfte der Steuerausfälle. Sind die Länder vom Bundeskanzler vorher gefragt worden? Aber selbst wenn die Bundesregierung ihre Umlage noch rettet, bleibt das größere Problem dieser Idee bestehen: Die Umlage stürzt private Haushalte mit geringem Einkommen in große finanzielle Probleme und viele energieintensive Unternehmen in die Insolvenz. In der Lage, in der sich unser Land seit Putins Krieg wirtschaftlich befindet, ist die Umlage der größte Fehler, den die Bundesregierung – jedenfalls bisher – gemacht hat. Es hätte bessere Wege gegeben, die Gasversorgung zu sichern und zugleich die Kosten unter Kontrolle zu halten. Wir haben der Koalition bereits vor Monaten eine Energiegrundversorgung für alle Haushalte mit geringem Einkommen vorgeschlagen und die Absenkung der Mehrwertsteuer ebenso wie der Energiesteuern auf alle Energieträger. Die Preise blieben dann immer noch hoch genug, um Anreize für Einsparungen zu setzen. Für Uniper hätte sich ein Schutzschirm wie bei der Lufthansa angeboten. Aber diese Bundesregierung bevorzugt es, zunächst das Geld der Steuerzahler einzusammeln, um es dann nach eigenem Gutdünken gönnerhaft neu zu verteilen. An dieser Stelle zeigen sich die Unterschiede zwischen der Bundesregierung und der Union besonders augenfällig: Ein paternalistischer Staat, der verspricht, jedes Unheil abzuwenden und alle Nachteile mit Geld aufzuwiegen, wird am Ende scheitern. Er ruft Extremisten von rechts und links auf den Plan. Auf der Strecke bleiben die privaten Haushalte, die heute schon zu hoch belastet sind, und die vielen Unternehmen, die das ganze Chaos der deutschen Energiepolitik einfach nicht mehr ertragen und ihre Standorte schließen. Der Bundeswirtschaftsminister steht vor seiner größten politischen Herausforderung. Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, von Mitte 1956 bis Mitte 2011 galt in Deutschland die allgemeine Wehrpflicht. Alle männlichen deutschen Staatsbürger waren gesetzlich verpflichtet, in den Streitkräften Wehrdienst zu leisten. Seit 2011 ist die Einberufung zum Grundwehrdienst nur noch im Spannungs- oder Verteidigungsfall vorgesehen, die allgemeine Wehrpflicht ist seit nunmehr 11 Jahren ausgesetzt. Der Krieg in der Ukraine hat unsere Sicht auf eine potenzielle Bedrohung unserer Freiheit und unserer territorialen Integrität verändert. Krieg ist nicht mehr nur möglich in Europa, er findet seit fast einem halben Jahr statt. Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat Auswirkungen auf unsere Volkswirtschaft, und die Bevölkerung blickt sorgenvoller denn je in die Zukunft. In einer solchen Zeit suchen junge Menschen nach Orientierung, auch im Hinblick auf ihren persönlichen und beruflichen Werdegang. Da kann es nicht überraschen, dass sowohl über die Wehrpflicht als auch über ein verpflichtendes soziales Jahr erneut diskutiert wird. Gerade in der jungen Generation gibt es sowohl für die Wehrpflicht als auch für ein soziales Jahr ein hohes, wenn auch nicht ungeteiltes Maß an Zustimmung. Der Bundespräsident sah sich vor einigen Wochen veranlasst, einen Pflichtdienst in Deutschland für alle junge Menschen zu fordern. Die CDU wird voraussichtlich auf ihrem nächsten Bundesparteitag Anfang September in Hannover ebenfalls über dieses Thema diskutieren. Allein die Diskussion über eine Dienstpflicht tut unserem Land gut, denn sie lässt erkennen, dass große Teile der Bevölkerung über alle Altersgruppen hinweg Sympathie haben für einen solchen Dienst. Die Bindung an unseren Staat und unsere Gesellschaft ist bei vielen doch sehr viel ausgeprägter, als dies die veröffentlichte Meinung gemeinhin erkennen lässt. Aber es gilt auch, Argumente abzuwägen und in die Diskussion einzubeziehen, die eine allgemeine Dienstpflicht kritisch sehen. Zunächst ist ein rein quantitatives Argument zu beachten: Ein Jahrgang umfasst in Deutschland gegenwärtig rund 700.000 Menschen. Und da Frauen – anders als bei der früheren Wehrpflicht – natürlich einbezogen werden wollen und müssen, sprechen wir über einen sehr hohen administrativen Aufwand, um Jahr für Jahr eine Dienstpflicht, wo immer sie dann auch abgeleistet wird, zu organisieren. Die Bundeswehr, die früher nur rund die Hälfte eines Jahrgangs, nämlich die Männer, erfassen musste, verfügt heute über keinerlei Strukturen mehr, um wenigstens Teile aller potenziell Dienstpflichtigen zu erfassen und aufzunehmen. Gleiches gilt für alle denkbaren weiteren Institutionen wie das THW, das Deutsche Rote Kreuz, die karitativen Organisationen und viele andere, die als Anbieter zur Ableistung einer Dienstpflicht in Frage kommen würden. Nun ließe sich ohne Zweifel ein rein administratives Hindernis – wenn auch mit hohem Aufwand – überwinden, wenn denn genügend gewichtige Argumente für die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht sprechen würden. Junge Leute kämen raus aus der eigenen Blase, sie träfen ganz andere Menschen, sie könnten Bürgern in Notlagen helfen, wie auch der Bundespräsident sagt: „Das baut Vorurteile ab und stärkt den Gemeinsinn,“ so seine Schlussfolgerung. Ich teile diese Einschätzung, nehme aber auch die Gegenargumente ernst. Eine allgemeine Dienstpflicht ist in erster Linie ein sehr tiefer Eingriff in die persönliche Freiheit und Lebensgestaltung. Damit sind gleich mehrere Grundrechte betroffen, deshalb könnte eine Dienstpflicht nur mit einer festen Verankerung im Grundgesetz eingeführt werden. Erfahrungen außerhalb der eigenen Blase sind durchaus dringend notwendig für viele junge Menschen, und Hilfe in Notlagen ist sicher mehr denn je eine Herausforderung für große Teile unserer Gesellschaft, aber ein derart tiefer Eingriff in die individuellen Freiheitsrechte unserer Verfassung bräuchte denn wohl schon etwas schwerer wiegende Rechtfertigungen. Und jetzt, wo das Abitur in fast allen Bundesländern durchweg erst wieder nach 13 Schuljahren absolviert wird, wäre ein weiteres Jahr als Dienstpflicht obendrauf schon eine erhebliche Verzögerung für die weitere Ausbildung und den Berufseinstieg. Trotzdem sprechen immer noch so viele Argumente dafür, jungen Menschen in einer Zeit ihres Lebens, die Veränderung und Orientierung zugleich erfordert, ein Angebot zu machen, unserem Land zu dienen und zugleich ihren eigenen Horizont zu weiten. Es muss ein Stück Normalität werden, nach Abschluss der schulischen Ausbildung in einen Dienst zu gehen. Deshalb sollten wir zumindest die Attraktivität der bereits jetzt in Frage kommenden freiwilligen Dienste so erhöhen, dass sich wenigstens ein signifikanter Teil eines jeden Jahrgangs dafür entscheidet. Das könnte ein verbesserter Zugang zur weiteren Ausbildung ebenso sein wie die Anerkennung der Dienstzeit für die Altersversorgung. In jedem Fall darf die deutsche Politik das Potential der jungen Menschen, die sich in der gegenwärtigen Lage für unser Land und für unsere Gesellschaft einsetzen wollen, nicht missachten. Eine Dienstzeit – ob freiwillig oder verpflichtend – kann einen wesentlichen Teil zum Zusammenhalt unserer Gesellschaft leisten. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, neben dem Krieg in der Ukraine erweist sich der eskalierende Konflikt zwischen China und Taiwan als eine der größten Bedrohungen des Friedens auf der Welt. Die Volksrepublik China, das kommunistisch regierte „Mainland China“, beansprucht seit Jahrzehnten die Wiedervereinigung mit der Inselgruppe Taiwan, auf die nach dem Bürgerkrieg im Jahr 1949 die unterlegenen Truppen des Kuomintang-Anführers Chiang Kai-shek geflüchtet waren und die dort zunächst eine Ein-Parteien-Herrschaft etabliert hatten. Von 1949 an – dem Jahr der Ausrufung der „Volksrepublik China“ – bis zum Beginn der 1970er Jahre repräsentierte die Regierung der Republik China, wie sich Taiwan bis heute nennt, ganz China durch zahlreiche diplomatische Vertretungen auf der ganzen Welt und auch bei den Vereinten Nationen in New York. Erst mit der Öffnung Chinas während der Nixon-Administration und mit dem Besuch von Nixon in China im Jahr 1971 musste es eine Lösung der Frage geben, welcher Teil Chinas denn nun China als Ganzes international vertreten würde, denn die Forderung einer „Zweistaatenlösung“ hatte die amerikanische Seite in den monatelangen Verhandlungen über das Abschlusskommuniqué mit der Regierung in Peking nicht aufrechterhalten können. Wir verdanken Henry Kissinger und seinen umfangreichen Darstellungen und Erinnerungen den genauen historischen Hintergrund, wie es schließlich zur „Ein-China-Politik“ gekommen ist. Im Abschlusskommuniqué des Nixon-Besuches haben die USA nämlich anerkannt, dass „alle Chinesen auf beiden Seiten der Formosastraße sagen, dass es nur ein China gibt und dass Taiwan ein Teil Chinas ist.“ Damit blieb die Frage ausdrücklich offen, unter welchen Bedingungen und vor allem von welchem Teil Chinas der Wunsch nach Einheit eines Tages denn erfüllt werden sollte. Keine der beiden Seiten würde versuchen, so das Zugeständnis der Volksrepublik an die USA, ihre bevorzugte Lösung durchzusetzen. Das Bekenntnis zur „Ein-China-Politik“ löst also keinen Anspruch der Volksrepublik China auf die Übernahme von Taiwan aus. Im Gegenteil, eine Wiedervereinigung könnte nur auf friedlichem Weg und mit Zustimmung beider Seiten erfolgen. Daher kann sich die kommunistische Führung in Beijing auch nicht anmaßen zu bestimmen, wer Taiwan besuchen darf und wer nicht. Der Besuch von Nancy Pelosi vor einigen Tagen in Taiwan war also vollkommen in Ordnung. Ob es politisch klug war, zu diesem Zeitpunkt zu reisen, sei dahingestellt. Aber es bleibt richtig, dass der Menschenrechtsausschuss des Deutschen Bundestages plant, im Herbst nach Taiwan zu reisen. Es gibt mehr Anlass denn je, über die Menschenrechtslage in der Region zu sprechen. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende Ihr Friedrich Merz P.S.: Während ich diese Mail schreibe, erreichen mich eine Vielzahl von Genesungswünschen, nachdem öffentlich wurde, dass ich heute Morgen an der Schulter operiert worden bin. Das war leider notwendig, weil ich mir gestern bei einem unglücklichen Sturz das linke Schlüsselbein gebrochen habe. Ich möchte mich herzlich für die vielen guten Wünsche bedanken! Das wird schon wieder. |
Lieber Leser, es gibt keinen Grund zur Panik. Aber es gibt angesichts möglicher Energieversorgungsengpässe im Herbst dringenden Handlungsbedarf – im Sommer trotz der Parlamentsferien. Markus Söder und ich haben in dieser Woche das Kernkraftwerk Isar 2 in Landshut besucht. Die Werksleitung hat uns einen Blick in das Innere dieses Reaktors ermöglicht. Mit Neckarwestheim in Baden-Württemberg und dem Kernkraftwerk Emsland in Niedersachsen sind in Deutschland noch zwei weitere, moderne Kernkraftwerke am Netz, die sicher und zuverlässig Strom für rund 10 Millionen Haushalte in ganz Deutschland erzeugen. Nach gegenwärtiger Planung sollen diese drei Kraftwerke am Ende des Jahres den Betrieb einstellen.
Spätestens mit der durch den Kreml rein politisch motivierten Verringerung der Gasmengen, die seit dem Überfall auf die Ukraine aus Russland nach Deutschland geliefert werden, müssen wir die Energieversorgung auf neue Füße stellen. Alle Optionen gehören auf den Tisch, und dazu zählt auch die Kernenergie. Um es klar zu sagen: Wir wären vollkommen verrückt, wenn wir die drei noch laufenden Kernkraftwerke angesichts dieser Lage jetzt wie geplant vom Netz nehmen würden. Technisch, personell und rechtlich ist ein Weiterbetrieb möglich. Das hat der TÜV in einem sehr umfangreichen und detaillierten Gutachten von der technischen Seite her bestätigt. Die Betreiber sind nach eigener Auskunft in der Lage, auch über den Jahreswechsel das notwendige Personal bereitzustellen, hochqualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die seit Jahrzehnten auf höchstem Niveau und verantwortungsvoll ihre Aufgaben erfüllen. Die rechtlichen Grundlagen für den Weiterbetrieb müsste der Gesetzgeber durch eine Änderung des Atomgesetzes schaffen. Und wenn der Betrieb über den sogenannten „Streckbetrieb“ hinaus ermöglicht werden sollte, und dafür spricht sehr viel, dann müssten jetzt, im August des Jahres 2022, neue Brennstäbe für die Kernkraftwerke bestellt werden. Der Weiterbetrieb der Kernkraftwerke, die wir in Deutschland noch haben, und die zu den besten und sichersten der ganzen Welt gehören, liegt also ausschließlich in der Hand der Politik, konkret: der deutschen Regierung. Es ist ja schön, vom Bundeskanzler zu hören, er könne sich den Weiterbetrieb „vorstellen“. Aber was folgt denn aus seiner Vorstellungskraft? Gibt es einen Kabinettsbeschluss? Gibt es einen Regierungsentwurf? Gibt es einen Auftrag zur Bestellung neuer Brennstäbe? Die Betreiber der Anlagen sind nach wie vor auf ein Ende des Betriebs zum 31.12.2022 ausgerichtet. Wenn der Sommer verstreicht ohne politische Grundsatzentscheidung, dann ist es im Herbst zu spät, jedenfalls für einen ordnungsgemäßen Weiterbetrieb über das gesamte nächste Jahr. Den aber sollten und müssen wir ermöglichen, um im Stromsektor Engpässe und möglicherweise Blackouts zu vermeiden. Wir machen der Bundesregierung erneut das Angebot, auch in den Sommerferien zu einer Sondersitzung des Bundestages zusammenzukommen, um die gesetzlichen Grundlagen für den Weiterbetrieb der drei Kernkraftwerke zu schaffen. Nach wie vor wird aus Gaskraftwerken Strom erzeugt. Auch die Kohlekraftwerke hätten sehr viel schneller hochgefahren werden müssen, um Gas wenigstens bei der Verstromung einzusparen. Die drei Kernkraftwerke könnten einen eigenen Beitrag für die Versorgungssicherheit unseres Landes leisten. Es wäre schon unserer eigenen Bevölkerung nicht zu erklären, wenn diese Kraftwerke jetzt abgeschaltet werden würden. Europäische Solidarität werden wir schon gar nicht einfordern können, wenn wir uns als einziges Land in Europa derart selbst beschädigen. Die Bundesregierung muss handeln, und zwar sehr bald, bevor es in dieser Frage zu spät ist. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende Ihr Friedrich Merz |
Liebe Leser, der anhaltende Krieg in der Ukraine verändert die gesamte Sicherheitsarchitektur Europas. Der russische Angriffskrieg zwingt die NATO und die EU dazu, die Bewahrung von Frieden und Freiheit in dem Teil Europas, in dem wir das große Glück haben zu leben, wieder zur vorrangigen politischen Priorität zu machen. Seit dem Beginn des Krieges am 24. Februar 2022 wissen wir, dass militärische Verteidigungsfähigkeit und Abschreckung nicht ein Relikt des Kalten Krieges sind, sondern eine zentrale politische Herausforderung der Gegenwart. Der Bundesrepublik Deutschland kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Ich war in dieser Woche zu Gesprächen in Polen und in Litauen. Die wichtigste Botschaft aller Gesprächspartner, die mir mit auf den Weg gegeben wurde, war: Auf kein Land in der Europäischen Union wird in diesen Wochen und Monaten so sehr geschaut wie auf uns. Vielleicht nehmen wir aus unserer Binnensicht diese Anforderung nicht ausreichend wahr; diejenigen, die von außen auf uns blicken, haben jedenfalls größere Erwartungen, als wir sie gegenwärtig erfüllen. An diesen Erwartungen mag manches zu groß und zu viel erscheinen. Unbestreitbar aber ist die Tatsache, dass Deutschland allein aufgrund seiner geostrategischen Lage in der Mitte Europas und seiner Größe eine erhebliche Verantwortung dafür trägt, dass wir unsere Freiheit und den Frieden in Europa auch zukünftig wahren. Vor diesem Hintergrund kommt unserer Außenpolitik eine besonders wichtige Rolle zu, einer Außenpolitik, die sich in den vergangenen Jahren einer mehr beschreibenden Lage der Weltpolitik hingeben konnte, die sich jetzt aber wieder im Zentrum der operativen Politik befindet. Aber gerade in der Außenpolitik kann ein Land Vertrauen nur sehr langsam aufbauen und sehr schnell verspielen. Dieses Vertrauen wird stark belastet, wenn ausgerechnet Deutschland seine Zusagen nicht einhält. Der mit Polen verabredete Ringtausch über Panzer, die Polen in die Ukraine liefert und die Deutschland dann für Polen nachliefert, war offenbar nicht ausreichend im Detail besprochen. Polen hat Panzer in die Ukraine geschickt, Deutschland streitet jetzt mit Polen über Qualität und Umfang der Nachlieferungen. Die daraus entstandenen Enttäuschungen in Polen hätten vermieden werden können. Und wenn der Bundeskanzler verspricht, eine volle Brigade der Bundeswehr nach Litauen zu verlegen, um dort die Ostflanke der NATO zu stärken, dann darf daraus nicht werden, dass diese Brigade in Deutschland lediglich vorgehalten wird. Gerade im Verhältnis zu unseren Nachbarn in Mittel- und Osteuropa ist Verlässlichkeit ein hohes Gut. Mit freundlichen Grüßen Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, Donnerstag, der 21. Juli 2022, ist ein Datum, das wir uns merken sollten. An diesem gestrigen Tag ist die Regierung von Mario Draghi in Italien zerbrochen – und fast zur selben Stunde hat die EZB zum ersten Mal seit 11 Jahren ihre Zinspolitik korrigiert. Mit der erstmaligen Anhebung der Leitzinsen kündigt die EZB gleichzeitig ein neues Instrument an, mit dem eine „Fragmentierung“ der Zinssätze im Euro-Währungsraum verhindert werden soll, das „Transmission Protection Instrument“ (TPI). Mit neuen Namen für ihre Geldpolitik und vor allem für ihre Anleihekaufprogramme war die EZB schon immer sehr erfinderisch. Das neue Programm TPI soll nun aktiviert werden, um „ungerechtfertigten, ungeordneten Marktdynamiken entgegenzuwirken, die eine ernsthafte Bedrohung für die Transmission der Geldpolitik im Euroraum darstellen“, so die Erklärung der EZB für das neue Instrument. Aber was ist eine „ungerechtfertigte, ungeordnete Marktdynamik“? Wann stellt diese eine ernsthafte Bedrohung dar? Und was ist mit der „Transmission der Geldpolitik im Euroraum“ genau gemeint? Offensichtlich geht es um die Zinsunterschiede bei den Staatsanleihen zwischen verschiedenen Euroländern, die exakt zu dem Zeitpunkt entstanden sind, als die EZB aufgehört hat, wie in den vergangenen Jahren immer mehr Staatsanleihen in großem Umfang aufzukaufen. Die Zinsabstände, die wir jetzt sehen, sind aber keine „ungerechtfertigten“ oder gar „ungeordneten“ Marktdynamiken, sondern genau die Antworten der Kapitalmärkte, die der Risikoeinschätzung der Kapitalgeber entsprechen. Beispielsweise werden Italien, Spanien, Portugal und Griechenland eben als riskanter eingeschätzt als Deutschland, die Niederlande, Belgien und Österreich. Wenn die EZB diese Zinsabstände jetzt wieder nivellieren will, indem sie Anleihen der betroffenen Staaten gezielt ankauft, dann ist dies der letzte Schritt in die monetäre Staatsfinanzierung, also in die Finanzierung der Haushalte dieser Länder mit Notenbankgeld. Dieser Schritt ist vom Mandat der EZB nicht umfasst, die Zentralbank handelt dann außerhalb ihrer Kompetenzen. Vor diesem letzten Schritt kann und muss man die EZB eindringlich warnen. Sie würde damit endgültig die vertragliche Grundlage verlassen, auf der vor gut zwanzig Jahren die Währungsunion gegründet wurde. Den deutschen Mitgliedern des EZB-Rates wäre die Beteiligung an diesem Schritt sogar ausdrücklich untersagt. Das Bundesverfassungsgericht hat den deutschen Instanzen, und damit auch der Bundesbank, in seiner Entscheidung vom 05.05.2020 klar die Grenzen aufgezeigt, innerhalb derer sie sich in der europäischen Geldpolitik bewegen dürfen. Staatsanleihen dürfen nach dieser Entscheidung des obersten deutschen Gerichts insbesondere nur bis zu einem festgelegten Volumen sowie gleichmäßig und entsprechend den Anteilen der nationalen Notenbanken am Kapital der EZB aufgekauft werden. TPI droht mit gezielten Anleihekäufen einzelner Staaten und ohne Volumenbeschränkungen genau diesen Rechtsrahmen zu verlassen. Zusätzlich bringt sich die EZB in eine prekäre Lage, wenn sie künftig öffentlich den Willen einzelner Staaten zu einer soliden Politik beurteilt. Ein negatives Urteil dürfte schließlich weitere Marktverwerfungen zur Folge haben. Seit mehr als 10 Jahren operiert die EZB nur noch im Krisenmodus. Sie hat mit dem jetzt angekündigten Zinsschritt zu spät reagiert und versucht gleichzeitig, eine Einheitlichkeit der Geldpolitik im Euroraum durchzusetzen, die es aufgrund der Unterschiedlichkeit der jeweiligen Haushaltsrisken gar nicht geben kann, jedenfalls dann nicht, wenn man die Bepreisung von Risiken richtigerweise den Märkten überlässt. Die Wirkmächtigkeit von Kapitalmärkten außer Kraft zu setzen war noch zu keinem Zeitpunkt eine Aufgabe der EZB. Der Druck aber, genau dies zu tun, wird durch das Scheitern der Regierung in Italien am selben Tag noch größer. All diese Ereignisse treffen in Europa zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt zusammen. Mit freundlichen Grüßen Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, der Krieg in der Ukraine dauert nun schon bald fünf Monate, und ein Ende ist nicht in Sicht. Die Angriffe gegen die Zivilbevölkerung halten unvermindert an, in Teilen des Landes herrscht der blanke Terror der russischen Staatsführung. Das öffentliche Interesse an diesem Krieg nimmt dagegen langsam aber stetig ab, die Sorgen um unsere Energieversorgung treten immer mehr in den Vordergrund. Spekuliert die Bundesregierung auf genau diesen Effekt? Tatsächlich muss der Eindruck entstehen, dass bei der deutschen Regierung der rhetorische Anspruch und die politische Wirklichkeit immer weiter auseinanderfallen. Zur Erinnerung: Der Bundeskanzler hat in seiner zu Recht viel gelobten Regierungserklärung am 27. Februar zugesagt, „ab sofort jedes Jahr mehr als 2 Prozent unseres Bruttoinlandsproduktes für die Verteidigung“ zur Verfügung zu stellen. Der Verteidigungsetat wird laut Haushaltsplan der Bundesregierung im nächsten Jahr aber nicht ansteigen, sondern um 300 Millionen Euro sinken! Aus dem schuldenfinanzierten Sondervermögen für die Bundeswehr sollen im nächsten Jahr nur rund 8,5 Milliarden Euro abfließen, womit zusammen absehbar die angekündigten 2 Prozent in keinem Fall erreicht werden können. Je nach Größe des Bruttoinlandsproduktes im Jahr 2023 werden es voraussichtlich nur 1,5-1,6 Prozent sein. Man muss es so klar sagen: Die Bundesregierung täuscht die Öffentlichkeit. Der Bundeskanzler wird seinem selbst gesetzten Anspruch für die Verteidigung unseres Landes nicht gerecht. In dieses Bild passt dann auch das Verhalten der Bundesregierung bei den Waffenlieferungen in die Ukraine. Offenbar gibt es entgegen der Beschlussfassung des Deutschen Bundestages vom 28. April eine Weisung des Bundeskanzlers, der Ukraine bestimmte Waffen nicht zu liefern, darunter den in großer Stückzahl verfügbaren Kampfpanzer Marder. Der Krieg in der Ukraine wird aber erst enden, wenn die russische Staatsführung keine Chance auf zusätzlichen Geländegewinn mehr erkennt. Dafür jedoch fehlt es der Ukraine an wirksamen Waffensystemen und an Munition. Die zögerliche Haltung der deutschen Regierung verlängert damit diesen Krieg, Tag um Tag, Woche um Woche. Im Zweifel weiß die Bundesregierung um diesen Zusammenhang. Warum macht sie es trotzdem? Welche Agenda hat der Bundeskanzler? Fällt er mit der SPD in die alten Muster zurück, in die innere Ablehnung der Bundeswehr, in die irrige Annahme, man könnte einer Aggression mit gutem Zureden begegnen? Herrscht in großen Teilen der SPD immer noch die alte und trotzdem immer wieder gescheiterte Illusion vor, man könne „Frieden schaffen ohne Waffen“? Oder rechnet die Bundesregierung gar mit einer zunehmenden Kriegsmüdigkeit der deutschen Bevölkerung und einer zunehmenden Angst um den eigenen Wohlstand? Wenn das so ist, dann ist es nur noch ein kleiner Schritt hin zum Verrat an der Ukraine. Wer aber die Ukraine verrät, der verrät auch unsere Freiheit und unsere Demokratie. Es liegt am Bundeskanzler, diese Zweifel auszuräumen. Mit freundlichen Grüßen Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, der Deutsche Bundestag geht an diesem Wochenende in die parlamentarische Sommerpause. Ob dies wirklich eine längere Sitzungspause sein wird, das ist mehr als ungewiss. Schon in der zweiten Juli-Hälfte könnte es eine weitere Verschärfung der Energieversorgungslage geben, und auch die Daten aus der Wirtschaft werden von Woche zu Woche beunruhigender. Nach der Verabschiedung der Energiegesetze in dieser Woche wissen wir allerdings, dass die Bundesregierung auf eine ganze Reihe von energiepolitischen Optionen verzichtet: Der Bundeskanzler hat während des letzten Europäischen Rates der Staats- und Regierungschefs der EU ein Angebot des italienischen Ministerpräsidenten abgelehnt, frühzeitig nach gemeinsamen europäischen Lösungen für die Zeit eines möglichen Versorgungsengpasses zu suchen. Damit droht eine Auseinandersetzung in der EU um den Zugang zu den Energiereserven, die der Auseinandersetzung um die Aufnahme der Flüchtlinge vor sechs Jahren in nichts nachstehen dürfte. Die größten Gasreserven für Süddeutschland zum Beispiel liegen in einem Gasspeicher auf österreichischem Boden. Allein ein möglicher Streit um dieses Gas trägt das Potential eines größeren Konflikts mit unserem Nachbarn Österreich in sich. Der ganzen EU droht eine Schwächung genau in dem Augenblick, in dem sie ihre Stärke am dringendsten beweisen müsste. Die Bundesregierung hält fest an der Stilllegung der letzten drei noch laufenden Kernkraftwerke in Deutschland. Damit muss die Stromversorgung von 10 Millionen Haushalten auf Kraftwerke mit fossiler Energie, auf Kohle oder Gas, umgestellt werden. Anti-AKW ist für die Ampel offenbar wichtiger als die drohende zusätzliche CO2-Belastung. Wenn Frankreich mehr als 50 Kernkraftwerke laufen lässt, warum kann Deutschland nicht wenigstens drei am Laufen halten? Auch Ersatz für russisches Gas ist bis heute nicht in Sicht. Es gibt keine neuen Lieferverträge, noch nicht einmal aus Katar, die Reise des Ministers für Wirtschaft und Klima dorthin bleibt ohne Ergebnis. Biomasse bleibt gedeckelt und wird kaum mehr als gegenwärtig zur Energieversorgung herangezogen. Dabei zeigt die Entsorgungsbranche auf, wie wir kurzfristig aus entsprechenden Anlagen zusätzliche Energie gewinnen könnten. Nur bei der Wasserkraft war die Koalition begrenzt einsichtsfähig und hat zum Abschluss ihres hektischen Gesetzgebungsverfahrens die Wasserkraft wenigstens nicht völlig aus der politischen und finanziellen Unterstützung herausgeworfen. Der Ausbau der Übertragungsnetze bleibt der Flaschenhals der Energieversorgung aus den Erneuerbaren, die Genehmigungsverfahren dauern unverändert sehr lange. Die Ausbauziele der Bundesregierung für Wind- und Sonnenenergie sind allein schon wegen der fehlenden Netze unrealistisch. Neben den Einschränkungen in der Sache hat sich die Bundesregierung entschlossen, die Opposition an den energiepolitischen Entscheidungen nur auf die allerletzte Minute zu beteiligen. Die zuständigen Parlamentsausschüsse haben nur wenige Minuten vor Sitzungsbeginn und wenige Stunden vor Fristablauf mehr als 300 Seiten Änderungsanträge zur sofortigen Beschlussfassung vorgelegt bekommen. Ein geordnetes Gesetzgebungsverfahren ist so nicht mehr möglich, handwerkliche Fehler und Widersprüche in den Gesetzestexten sind unvermeidlich. Damit ist klar: Die Bundesregierung trägt ganz allein die Verantwortung für die Energieversorgung in Deutschland, sie trägt ab jetzt auch die alleinige Verantwortung für alle Versorgungslücken und die Folgen für private Haushalte und Unternehmen. Sie hat ein weiteres Mal unsere ausgestreckte Hand zur Mitwirkung und rechtzeitigen Beratung der immer schwieriger werdenden Lage ausgeschlagen. Gemeinsame und bessere Lösungen wären möglich gewesen. Hoffen wir wenigstens, dass die Versorgung mit Öl und Gas im Verlauf des Sommers nicht noch schwieriger wird. Die Energiepolitik der Bundesregierung lebt ab dieser Woche eben leider nur noch vom Prinzip Hoffnung. Mit besten Grüßen für ein trotzdem gutes Wochenende, Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, eigentlich hatten wir erwartet, dass der coronabedingte Mangel an Arbeitskräften eine vorübergehende Erscheinung bleiben würde. Aber seit einigen Wochen zeigt sich: Es hat während der Pandemie offenbar doch weitaus größere und vor allem auf Dauer angelegte Veränderungen im Arbeitsmarkt gegeben als angenommen. Zahlreiche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind aus Tätigkeiten mit unsteten Arbeitszeiten in Jobs gewechselt, die zumindest angenehmere Arbeitszeiten und oftmals bessere Einkommen garantieren. Besonders betroffen sind Hotels und Gaststätten, aber auch der Luft- und Bahnverkehr und das Handwerk. Der Personalmangel ist nicht nur ein Ärgernis für die Kunden; er wird zum Problem für unsere ganze Volkswirtschaft. Was sind die Gründe, und was können wir dagegen tun? Ganz unabhängig von Corona sinkt das Arbeitskräftepotential in Deutschland. Die geburtenstarken Jahrgänge gehen sukzessive in den Ruhestand, geburtenschwächere Jahrgänge kommen nach. Deshalb wird in der nächsten Rezession auch die Arbeitslosigkeit voraussichtlich nicht wieder so stark ansteigen wie vor zwanzig Jahren. Aber es war trotzdem ein schwerer politischer Fehler der Ampel, im vergangenen Monat die letzten Reste der Hartz-Reformen abzuräumen. Das Prinzip „Fordern und Fördern“ gilt nicht mehr, es wird praktisch sanktionslos nur noch gefördert. Die (steigende!) Arbeitslosigkeit mit 2,3 Millionen Arbeitslosen wird sich so nicht wieder reduzieren lassen. Auf dem Arbeitsmarkt lässt sich also das Problem jedenfalls kurzfristig nicht lösen. Nach wie vor sind rund 276.000 Beschäftigte in Kurzarbeit. Diese Zahl mag man angesichts der angespannten Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt nicht glauben, aber es bewahrheitet sich, dass die gut gemeinten Leistungen samt Aufstockung auf 87 Prozent und darüber eben doch in einem kleineren Teil der von coronabedingter Arbeitslosigkeit Betroffenen bis heute zu einer gewissen Immobilität beitragen. Und schließlich die Bahnhöfe und die Flughäfen: Die Sicherheitskontrollen sind auch Sache des Staates, nicht der Verkehrsbetriebe. Der Bund aber weigert sich beharrlich, die Ressourcen, die er zur Verfügung hätte, auch einzusetzen. Dass die Gewerkschaften in dieser Lage noch mit Streiks drohen und sie zum Teil bereits ausrufen, ist angesichts der Inflation verständlich, angesichts der angespannten Lage aber schon mehr als zweifelhaft. So dürften wir noch eine ganze Weile mit dem knappen Gut Arbeitskraft befasst bleiben. Die erwartete Zunahme von Insolvenzen könnte im Verlaufe des Jahres für etwas Entspannung auf dem Arbeitsmarkt sorgen. Aber das ist kein Trost, denn dann haben wir wieder andere Probleme. Trotzdem beste Grüße und ein schönes Wochenende Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, es gibt nicht viele gute Nachrichten in diesen Tagen. Immerhin, die 27 Staats- und Regierungschefs der EU haben sich entschlossen, der Ukraine und Moldau den Status als Beitrittskandidaten zuzuerkennen. Gegen Albanien und Nord-Mazedonien hat Bulgarien aus rein innenpolitischen Gründen ein Veto eingelegt. Der West-Balkan aber ist der zweite Brennpunkt im Osten der EU, und die regionalen Konflikte dort können jederzeit wieder offen ausbrechen. Auch in diesem Teil Europas hat Russland seine Hand im Spiel. Wenn sich 27 Mitgliedstaaten aber schon so schwertun, ihren Einfluss im Osten des Kontinents wirksam zum Ausdruck zu bringen, wie sollen denn dann mehr als 30 Staaten in der EU zu Lösungen kommen? So werden auch wir von vielen Wählerinnen und Wählern gefragt, und diese Frage ist mehr als berechtigt. „Vertiefung vor der nächsten Erweiterung“ – so haben wir es immer wieder vor größeren Erweiterungsrunden in der EU gesagt und doch meistens das Gegenteil getan. Das gilt zumindest für die europäische Außen- und Sicherheitspolitik, und deren Schwäche wird in diesen Wochen des Krieges in der Ukraine immer wieder deutlich. Ohne die massive Hilfe der Amerikaner kann Europa sicherheitspolitisch zurzeit aus eigener Kraft keinen Konflikt seiner östlichen Nachbarn befrieden. Wenn aber die Integration der Außen- und Verteidigungspolitik in der gesamten EU der 27 nicht gelingt, dann müssen einige Staaten intergouvernemental vorangehen. Deutschland und Frankreich sollten in jedem Fall dabei sein, einige weitere wenn eben möglich auch. Und diese Zusammenarbeit müsste jetzt in der Definition einer umfassenden gemeinsamen Sicherheitsstrategie ebenso vertieft werden wie in der gemeinsamen Standardisierung und Beschaffung von Rüstungsgütern. Die nationalen Haushalte werden in den nächsten Monaten vermutlich größte Belastungen zu ertragen haben – allein wegen der Verknappung und Verteuerung der Energie und der daraus erwachsenen Gefahr einer Rezession. Dann aber müssen gerade jetzt die Synergieeffekte in den Beschaffungsvorhaben gehoben und genutzt werden. Die schon jetzt sichtbaren Probleme in der Schuldentragfähigkeit einiger Mitgliedstaaten im Euroraum lassen zudem Befürchtungen wachsen, dass eine weitere Krise des Euro bevorstehen könnte. Die Zahl der Krisen, die große Rettungspakete ausgelöst haben, lässt aber kaum noch Spielräume für weitere Rettungspakete, jedenfalls so lange die betroffenen Staaten nicht bereit sind, Reformen ihrer Arbeitsmärkte und ihrer sozialen Sicherungssysteme zu akzeptieren. Es steht uns also ein sehr anspruchsvolles zweites Halbjahr 2022 bevor. Das Wort „Zeitenwende“ dürfte noch eine viel tiefere Bedeutung bekommen als allein die Beschreibung des Krieges in der Ukraine. Es gibt aber wenigstens doch noch eine zweite gute Nachricht in diesen Tagen: Die Ampelkoalition hat sich nach zähem Ringen und fünfmaliger Ablehnung unserer Anträge nun endlich dazu durchgerungen, das seit vielen Jahren fertiggestellte Freihandelsabkommen mit Kanada im Bundestag zu ratifizieren. Auch das hätten wir schon viel früher gemeinsam so beschließen können. Warum muss bei dieser Regierung nur alles immer so furchtbar lange dauern? Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende! Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, seit mehr als zwei Jahren diskutieren wir darüber, wie wir es schaffen können, mehr junge Menschen und vor allem mehr Frauen für die Mitarbeit in der CDU zu gewinnen. Eine vom Bundesvorstand der CDU eingesetzte Struktur- und Satzungskommission hat dazu in mühevoller und langer Arbeit Vorschläge erarbeitet, die bisher auf einem Bundesparteitag nicht beschlossen werden konnten, denn Satzungsänderungen bedürfen bisher der Zustimmung eines Parteitages in Präsenz. Parteiarbeit ist in einer Demokratie unverzichtbarer Bestandteil der politischen Ordnung, ohne funktionierende Demokratie in den Parteien gibt es auch keine Demokratie mit den Parteien. Deshalb haben wir uns in dieser Woche Zeit genommen, die Vorschläge zur Modernisierung unserer Arbeit, vor allem zur Ausschöpfung digitaler Formate, noch einmal sorgfältig zu diskutieren. Die Vorschläge des Bundesvorstandes werden jetzt auf unserem nächsten Bundesparteitag in Hannover Anfang September zur Abstimmung stehen. Zu diesen Vorschlägen gehört auch die Einführung einer Frauenquote für die Vorstände der Partei ab der Kreisebene und für die zukünftigen Listen der Partei für bevorstehende Parlamentswahlen. Schrittweise wird die Quote von einem Drittel über 40 Prozent auf 50 Prozent angehoben, die dann ab Mitte 2025 für alle Gliederungen der Partei verpflichtend gilt. Ich werde den Parteitag in Hannover um Zustimmung dazu bitten und zugleich eine Befristung bis Ende 2029 vorschlagen. Ich habe es häufig wiederholt: Eine Quote ist und bleibt die zweitbeste Lösung. Die beste Lösung wäre die angemessene Beteiligung von Frauen ohne verbindliche Regelungen dazu in unseren Statuten. Die niedersächsische CDU hat dies für die bevorstehenden Landtagswahlen so gemacht: Jeder zweite Platz auf der Landesliste ist mit einer Frau besetzt, in der Hälfte der Wahlkreise kandidieren Frauen. Aber leider wird dies nicht überall so praktiziert. Und deshalb müssen wir jetzt etwas mehr Verpflichtung in unsere Satzung aufnehmen, denn eines ist klar: Wir werden die nächsten Wahlen nur gewinnen, wenn wir jünger, vielfältiger und weiblicher werden. Wir kommen auf diesem Weg voran, und wir bekommen bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen Zustimmung für unseren Kurs. Aber wir müssen diesen Weg der Erneuerung konsequent weitergehen, deshalb habe ich mich auch zu einer Zustimmung für die vorgeschlagene Quote entschlossen. Und wenn wir es gut und richtig machen, dann ist die angemessene Beteiligung von Frauen in unseren Vorständen und den Parlamentsfraktionen in einigen Jahren so selbstverständlich, dass wir die Verpflichtung aus unserer Satzung auch wieder herausnehmen können. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende! Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, na endlich, so ist man geneigt zu sagen: In dieser Woche hat die EZB angekündigt, ganz behutsam und in kleinen Schritten im Verlauf des Jahres die Zinsen anzuheben. Vor allem: Die EZB beendet wie angekündigt den Ankauf der Staatsanleihen. Die Eurostaaten müssen sich in Zukunft wieder an den normalen Kreditmärkten verschulden. Genau das scheinen sie auch tun zu wollen. Der Schuldenstand in der Eurozone steigt immer weiter an, kaum ein Land hält die Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakt noch ein. Dabei wurde der vor ziemlich genau 25 Jahren beschlossen, um in wirtschaftlich guten Zeiten Spielräume zu schaffen, die in Krisensituationen genutzt werden können. Wenn aber schon in Zeiten mit stabilen Wachstumsraten und hohen Steuereinnahmen immer mehr Schulden gemacht werden, dann können größere Schocks wie die Corona-Pandemie oder die über Nacht als notwendig anerkannte Aufrüstung der Bundeswehr nur noch mit zweifelhaften Methoden finanziert werden: Im Falle von Corona durch eine hart am Rande des Zulässigen erfolgte Kreditaufnahme der EU in Höhe von mehreren Hundert Milliarden Euro, im Falle der Bundeswehr durch eine Ausnahme von der Ausnahme der Schuldenbremse des Grundgesetzes im Grundgesetz selbst. Hinzu kommen sogenannte „Rücklagen“ aus der Flüchtlingskrise des Jahres 2017 und ungenutzte Kreditermächtigungen aus dem Coronafonds des Bundes, die zusammengenommen noch einmal mehr als 100 Milliarden Euro weitere Schulden des Bundes ausmachen. So macht die gegenwärtige Bundesregierung in zwei Haushaltsjahren mehr Schulden als alle Bundesregierungen zusammen in den ersten 40 Jahren der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Die „Zeitenwende“ der Bundesregierung erschöpft sich damit in immer höheren Schulden und einer ansonsten vollkommen ungebremsten Ausgabendynamik, vor allem in der Sozialpolitik. Zugleich werden die Reste der Arbeitsmarktreformen der Jahre 2005 bis 2010 endgültig abgeräumt, von „Fordern und Fördern“ bleibt nur noch das Fördern mit immer höheren Zahlbeträgen – auch bei hartnäckiger Weigerung, in den Arbeitsmarkt zurückzukehren. Hohe Schulden, eine steil ansteigende Geldmenge, ein stagnierender Arbeitsmarkt und zugleich ein immer größer werdender Mangel an Arbeitskräften auf praktisch jeder Qualifikationsstufe sind ein gefährliches Gebräu. Und das alles mit einem Finanzminister, der der FDP angehört! Wir werden dafür als Gesellschaft einen hohen Preis zahlen, zunächst in einer sich verfestigenden Geldentwertung, sodann in einer Stagnation unserer Volkswirtschaft, die das Potenzial einer tieferen Rezession in sich trägt. Der Weg zurück auf den Pfad von Preisstabilität und wirtschaftlichem Wachstum, das wir beides brauchen, um die große Transformation zur Klimaneutralität hinzubekommen, wird sehr mühsam und in einer alternden Gesellschaft von Tag zu Tag immer schwerer durchzusetzen sein. Aus der „Fortschrittskoalition“ in Berlin ist innerhalb kürzester Zeit eine Regierung des Zauderns und Zögerns, des täglichen Streites und einer Geisterfahrt in der Wirtschafts- und Finanzpolitik geworden. Nur beim Geldausgeben scheint es überhaupt kein Halten zu geben. In der Inflationsrate spiegelt sich diese Politik. Ich wünsche Ihnen trotz allem ein schönes Wochenende! Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, der 3. Juni 2022 wird in die Geschichte der deutschen Verteidigungspolitik eingehen. In einem großen Kraftakt hat der Deutsche Bundestag 100 Milliarden Euro für die Ausrüstung und Aufrüstung der Bundeswehr zur Verfügung gestellt. In den Händen der Bundesregierung liegt jetzt eine zusätzliche Verantwortung. Denn mit jedem Euro, der aus diesem Sondervermögen ausgegeben wird, erhöht sich zugleich sukzessive die deutsche Staatsverschuldung. Um diesen Weg zu gehen, musste das Grundgesetz geändert werden, denn die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse und die darin enthaltenen Verschuldungsobergrenzen hätten diese hohe zusätzliche Verschuldung nicht erlaubt. Wir haben als Unionsfraktion dieser Grundgesetzänderung zugestimmt, da auch wir eine Mitverantwortung tragen für den gegenwärtigen Zustand der Bundeswehr. Die Betonung liegt auf Mitverantwortung, denn viele Vorschläge zur Verbesserung der Ausrüstung der Bundeswehr sind in den letzten Jahren an den Sozialdemokraten gescheitert, insbesondere am früheren Finanzminister Olaf Scholz. Dessen mittelfristige Finanzplanung sah sogar eine kontinuierliche Absenkung des Verteidigungsetats vor. Gut, dass es jetzt anders kommt. Damit sind aber die Probleme der Bundeswehr bei weitem noch nicht gelöst. Denn erst die Umsetzung aller notwendigen Schritte wird die wahre Qualität dieser neuen Finanzmittel für die Verteidigungsbereitschaft wirklich zeigen. Vor allem verlassen wir uns auf die feste Zusage des Bundeskanzlers, dass das Beschaffungswesen für die Bundeswehr gründlich überarbeitet wird. Vorschläge dazu gibt es, sie sind bisher am Personalrat des Beschaffungsamtes in Koblenz und der SPD in Rheinland-Pfalz gescheitert. Jetzt steht die Bundesregierung in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass das Geld auch an der richtigen Stelle und mit größter Sorgfalt ausgegeben wird. Nicht allein die möglichst schnelle Beschaffung von möglichst viel Großgerät muss im Vordergrund stehen, sondern die dauerhafte Einsatzfähigkeit aller Teile der Streitkräfte. Dazu gehört auch die Ersatzteilbeschaffung, die Wartung und nicht zuletzt die Ausbildung der Soldatinnen und Soldaten. Dann sind 100 Milliarden Euro auch schnell verbraucht. Und deshalb braucht es einen Aufwuchs der Mittel des Verteidigungsetats auch nach der Verwendung dieses Sondervermögens. Es entbehrt nicht einer gehörigen Tragik, dass sich vor allem SPD und Grüne erst mit Russlands Krieg zu dieser Kurskorrektur ihrer bisherigen Politik durchringen konnten. Ich wünsche Ihnen ein schönes Pfingstwochenende Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine verändert auch in Deutschland das politische Meinungsklima. In den letzten Jahren hatten CDU und CSU zunehmend Mühe, die Notwendigkeit der militärischen Landesverteidigung zu begründen. Auch innerhalb der Union hatte die Außen- und Sicherheitspolitik an Stellenwert eingebüßt, andere Themen rückten in den Vordergrund. Aber seit dem Morgen des 24. Februar 2022 wissen wir, dass Imperialismus und militärische Gewalt mit Macht zurückgekehrt sind auf den europäischen Kontinent. Die Bedrohung durch Waffen ist keine abstrakte Größe mehr, sondern reale Gefahr für die Freiheit in Europa. Eine selten große Mehrheit der Bevölkerung hält Verteidigungsfähigkeit und militärische Abschreckung wieder für unverzichtbar, um unser Land zu schützen. Allerdings gibt es ein sehr gespaltenes Meinungsbild zwischen Ost und West. Sowohl bei der NATO-Mitgliedschaft und den sich daraus ergebenen Verpflichtungen als auch bei der Frage nach Waffenlieferungen an die Ukraine stimmen in Ostdeutschland nur die Hälfte der Bevölkerung und noch weniger den zustimmenden Auffassungen im Westen zu. AfD und Linkspartei rekrutieren aus diesen Unterschieden ihre Wählerschichten im Osten. Wenn sich daraus nicht eine dauerhafte neue Spaltung zwischen Ost und West ergeben soll, dann muss vor allem die CDU mit außen- und sicherheitspolitischen Themen im Osten stärker präsent werden. Präsenz heißt dabei nicht Belehrung des Publikums von vorn; Präsenz heißt zunächst einmal zuzuhören und nach den Gründen für die Skepsis gegenüber NATO und Verteidigungsbereitschaft zu suchen. Auch die Bundeswehr ist gefragt, ihre Sichtbarkeit, aber auch ihre Dialogbereitschaft im Osten zu verbessern. 32 Jahre nach der staatlichen Einheit sehen wir gerade in diesen Wochen des Krieges noch einmal sehr deutlich, wie unterschiedlich unsere Prägungen und Lebenserfahrungen in Ost und West immer noch sind. Der Krieg in der Ukraine fordert die Politik heraus wie selten zuvor. Aber gerade das so unterschiedliche Meinungsbild in Deutschland zu den Antworten, die wir darauf politisch und militärisch geben wollen, bleibt eine besondere Verantwortung von Politik und Gesellschaft. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende Ihr Friedrich Merz |
Lieber Leser, die rot-grün-gelbe Bundesregierung ist seit gut einem halben Jahr im Amt. Seit fast der Hälfte dieser Zeit ist sie mit einer Herausforderung konfrontiert, die kaum größer sein könnte: einem Krieg in der unmittelbaren Nachbarschaft. Nur ein Krieg auf dem eigenen Territorium könnte eine noch größere Bewährungsprobe sein. Drei Tage nach dem Beginn des Krieges in der Ukraine gibt der Bundeskanzler eine Regierungserklärung im Deutschen Bundestag ab, die die eigene Koalition schockiert und der Welt Respekt abnötigt. Deutschland, so schien es, tritt an diesem Tag aus dem Schatten der eigenen Geschichte heraus und übernimmt Führungsverantwortung für sich und andere, so, wie es seiner Größe und Leistungsfähigkeit entspricht. An diesem Tag hätte der Bundeskanzler den Anfang setzen können für eine große und historisch bedeutsame Kanzlerschaft. Doch am Tag danach beginnt der Sinkflug aus einer Flughöhe, die der Kanzler nicht halten kann und ganz offenbar auch nicht halten will. Statt zügig und eigenhändig die Voraussetzungen für alle Entscheidungen zu treffen, die er angekündigt hat, die Embargos, die Ausrüstung der Bundeswehr, die Unterstützung der Ukraine, überlässt er alle diese Dinge den Mühlen des Apparates seiner Regierung. Während wenigstens die Bundesaußenministerin und der Bundeswirtschaftsminister in ihrem Verantwortungsbereich anpacken und umsetzen, auch Zweifel und Vorsicht im Vorangehen offen ansprechen, verirrt sich der Bundeskanzler in einem Entscheidungs- und Kommunikationswirrwarr, wie die Bürger es in normalen Zeiten schon kaum nachvollziehen könnten. In Kriegszeiten wird es zum Führungsdesaster. Dabei ist eine Verteidigungsministerin, die, kenntnisfrei und ambitionslos wie sie in der Verteidigungspolitik bis heute ist, lediglich dafür vorgesehen war, ein in der Partei des Bundeskanzlers ungeliebtes Amt proporzgerecht zu besetzen, und die nun mit Durchstechereien aus der Truppe gezeigt bekommt, was man dort von ihr hält, noch das kleinere Problem. Auch die Behauptung seiner in Wahlen und Umfragen auf das Niveau des Vorjahres abstürzenden Partei, der Bundeskanzler führe mit Ruhe und Besonnenheit, er habe eben nur leider ein Kommunikationsproblem, geht ziemlich genau am eigentlichen Problem vorbei. Der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, so muss man es nach gut 80 Tagen Krieg in der Ukraine feststellen, hat auf diese größte Bedrohung unserer Freiheit nach den beiden Weltkriegen lediglich tagespolitisch orientierte, taktische Antworten und zugleich keinerlei strategische Vorstellung von dem, wie eine politische Ordnung für Deutschland und Europa nach diesem Krieg aussehen könnte. Nur so lassen sich seine unklaren und widersprüchlichen Einlassungen zur Zukunft Europas und zu den Waffenlieferungen aus Deutschland an die Ukraine zumindest teilweise erklären. Er kennt die tiefen Verbindungen seiner Partei nach Russland und neben den ökonomischen Abhängigkeiten einiger ihrer Repräsentanten vor allem die über Jahrzehnte gewachsenen und gepflegten emotionalen Bindungen der SPD, die bis auf wenige Ausnahmen immer stärker waren als die in die USA. Die SPD ist bis heute gefangen in ihrer Ambivalenz zwischen Russland und dem durch Amerika geprägten Westen. Klaus von Dohnanyi, einer seiner Vorgänger im Amt des Hamburger Bürgermeisters und langjähriges Mitglied der Bundesregierung, spricht in diesen Tagen offen aus, wie stark dieses trügerisch-naive Selbstbild der SPD immer noch ist, einschließlich eines offenen Anti-Amerikanismus, wie er erschreckend ähnlich in AfD und Linkspartei nicht besser vorgetragen werden könnte. Und genau da liegt das Führungsproblem von Olaf Scholz: Er müsste den offenen Bruch mit diesem Denken seiner eigenen Partei riskieren und sie aus den naiven Träumereien der Vergangenheit herausreißen, so, wie es Helmut Schmidt vor genau 40 Jahren mit dem NATO-Doppelbeschluss schon einmal versucht hat. Aber dazu fehlt ihm die Kraft und vermutlich auch die eindeutige Überzeugung. Er zeigt sich nach einer starken Rede am 27. Februar als das, was er immer schon war, als Taktiker der Macht. Führung in einer Zeitenwende sieht gänzlich anders aus. Mit besten Grüßen Ihr Friedrich Merz |